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Dr. Robert Möckel ist Ingenieur der Fachrichtung Schiffsmaschinenbau und im “zweiten Leben” Psychologe (M.Sc.). Nach einer Tätigkeit in einem Motoreninstandsetzungebetrieb hat er in diversen Lehrtätigkeiten Erfahrung in der Wissensvermittlung gesammelt und bietet Seminare zu technischen Themen auf Yachten an. Zusammen mit seiner Frau segelt er eine Dehler 35 SV, die in Flensburg beheimatet ist.
Der Kabelquerschnitt ist wichtig für die Funktion und Sicherheit der Bordelektrik
Bei der Planung oder den Arbeiten an der Bootselektrik ist der Kabelquerschnitt, also die richtige Dimensionierung von stromführenden Leitungen, von zentraler Bedeutung. Sei es bei einem umfangreichen Refitprojekt oder „nur“ der Installation einer neuen Leselampe im Vorschiff. Jeder Yachteigner kennt die Frage: Wie dick muss das richtige Kabel sein?
Die Frage nach dem Kabelquerschnitt ist aus zwei Gründen relevant. Bei der überwiegend in der Yachtelektrik verwendeten, relativ geringen Spannung von 12 oder 24 Volt fallen Spannungsabfälle besonders ins Gewicht. Sowohl die Länge der Leitungsverbindung zwischen Batterie und Verbraucher als auch der Leitungsquerschnitt der verwendeten Stromkabel hat Auswirkungen auf die Spannung. So kann es beispielsweise passieren, dass an der Batterie zwar noch ausreichend Spannung anliegt, beim angeschlossenen Gerät aber nicht mehr genug Spannung ankommt, um es zu betreiben.
Schlimmer noch: Wird zu viel Strom durch ein zu klein dimensioniertes Kabel geschickt und ist es womöglich nicht richtig abgesichert, wird das Kabel heiß und kann im schlimmsten Fall sogar Brände verursachen. Grund genug, die richtige Dimensionierung von Kabeln auf Yachten einmal unter die Lupe zu nehmen.
Achtung: Ein häufiger Fehler bei der Suche nach dem richtig dimensionierten Kabel ist die Verwechslung von Kabeldurchmesser und Kabelquerschnitt. Der Kabelquerschnitt bezeichnet die Fläche des Leiters, also den Kupferadern, ohne Isolierung und wird in Quadratmillimetern (mm²) angegeben. Der Kabeldurchmesser bezeichnet die Dicke des Leiters. Er wird in Millimeter (mm) angegeben, ist also eine Längenangabe. Steht keine Angabe auf dem Kabel und wird mit einer Schiebelehre gemessen, ist das der Durchmesser. Das führt gern zu Verwirrung, da die Zahl anders ist als die des Querschnitts. Im Yachtbereich wird, wie auch im Kfz-Bereich, der Kabelquerschnitt für die Bezeichnung der Kabeldimensionierung genutzt.
Theoretisch lässt sich der Kabelquerschnitt aus dem Kabeldurchschnitt errechnen, das ist jedoch bei den auf Yachten verwendeten flexiblen, mehradrigen Kabeln problematisch, da sich diese bei der Messung zusammendrücken.
Welche Daten werden benötigt, um den Kabelquerschnitt zu bestimmen?
Um den passenden Kabelquerschnitt zu ermitteln, sind folgende Vorüberlegungen wichtig beziehungsweise die folgenden vier Fragen zu stellen:
- Wie lang ist das Kabel?
- Welche Stromstärke soll durch das Kabel fließen?
- Wie groß darf der maximale Spannungsabfall sein?
- Wie hoch sind die Leitfähigkeit und der Widerstand des Kabels?
1) Wie lang ist das Kabel?
Bei der Längenbestimmung des Kabels wird der angestrebte Kabelweg, also der Weg vom Anschlusspunkt zum Verbraucher und zurück, betrachtet. Wichtig ist, die Länge der Zu- und der Rückleitung zusammen zu berechnen, denn die Elektronen müssen auch auf dem Weg vom Verbraucher wieder zurück zur Batterie die Widerstände der Leitungen überwinden.
2) Welche Stromstärke soll durch das Kabel fließen?
Die benötigte Stromstärke (I) in Ampere (A) eines Verbrauchers ist auf dem Gerät oder bei den Technischen Daten in der Bedienungsanleitung zu finden. Sollen mehrere Verbraucher an das Kabel angeschlossen werden, müssen die Werte aller Geräte zusammengerechnet werden.
Tipp: In einigen Fällen sind die Werte in Watt angegeben. Das ist eine Angabe für die Leistung (P) eines Verbrauchers. Die Leistung lässt sich relativ einfach in die Stromstärke (I), die durch das Kabel fließt, umrechnen. Es gilt die Formel I = P : U. Die elektrische Leistung P ist durch den angegebenen Wert in Watt (W) zu ersetzen. Für U nehmen wir die Bord-Spannung, die auf Yachten in der Regel 12 oder 24 Volt beträgt.
Ein Beispiel: Auf einem Verbraucher, der an das 12-Volt-Bordnetz angeschlossen werden soll, steht ein Wert von 24 Watt. Teilen wir die 24 Watt durch die 12 Volt, ergibt sich eine Stromstärke von 2 Ampere (A).
3) Wie groß darf der maximale Spannungsabfall sein?
Damit ein Verbraucher funktioniert, benötigt er einen bestimmten Spannungsbereich. Auch dieser ist meist auf dem Gerät oder in der Bedienungsanleitung zu finden.
Je nachdem, was der Sinn und Zweck der Kabelverbindung ist, kann ein unterschiedlich hoher Spannungsabfall toleriert werden. Beispielsweise ist die Toleranz bei Glühbirnen für gewöhnlich recht hoch, da sie bei einem Spannungsabfall lediglich etwas weniger hell leuchten und dies oft vernachlässigt werden kann. Bei Kabelstrecken zwischen spannungssensiblen Komponenten wie etwa Ladereglern und/oder Batterien muss konservativer herangegangen werden. Hier beträgt die zulässige Toleranz maximal ein Prozent.
Grundsätzlich kann gut mit einem maximalen Spannungsunterschied von 0,5 V geplant werden, was einem Spannungsverlust zwischen vier und fünf Prozent bei einem 12-Volt-System entspricht. Ein höherer Verlust sollte nur dann hingenommen werden, wenn sich hierdurch nicht mehr praktikable Kabelquerschnitte ergeben, weil ein Kabel mit einem größeren Leitungsquerschnitt nicht verbaut werden kann.
4) Wie hoch sind die Leitfähigkeit und der Widerstand des Kabels?
Die Leitfähigkeit von Kabeln wird in Siemens pro Meter (S/m) angegeben. Dieser Wert klingt kompliziert, ist aber einfach zu bestimmen, da auf Yachten nahezu ausschließlich Kabel aus Kupfer verwendet werden. Kupfer hat, abhängig von seiner Reinheit und Temperatur, eine Leitfähigkeit von 57,1 Siemens pro Meter. Mit dem Kehrwert lässt sich der spezifische Widerstand von 0,0175 Ohm errechnen (1 geteilt durch 57,1 Siemens pro Meter). Wenn der Kabelquerschnitt berechnet werden soll, reicht es, diese Werte zu kennen.
So wird der passende Kabelquerschnitt ermittelt
Zusammengefasst lässt sich sagen: Es geht darum zu vermeiden, dass die Kabel überlastet werden. Außerdem sollen die Spannungsverluste möglichst gering sein.
Achtung: Bei einer Yacht kann der Weg von der Batterie zum Verbraucher in verschiedenen Kabelstärken über diverse Verteilerpunkte laufen. Beispielsweise von der Batterie zum Hauptschalter, dann zum Schaltpanel und von dort zu einer Lampe. Jedes Kabel muss dann den Anforderungen entsprechend einzeln ermittelt werden. Soll also beispielsweise der erforderliche Kabelquerschnitt für eine Leselampe im Salon ermittelt werden, werden der Kabelweg vom letzten Verteilerpunkt zur Lampe und die notwendige Stromstärke zur Grundlage genommen. Das ist vergleichbar mit einem Straßennetz. Während die Autobahn viele Spuren für viele Fahrzeuge hat, besteht die Seitenstraße meist nur aus einer Spur. Folglich muss umgekehrt bei einem Kabel, das von der Batterie zu einen Verteilerpunkt führt, die benötigte Stromstärke aller Verbraucher, die am Verteiler abzweigen, zusammengerechnet werden.
Die ausreichende Belastbarkeit von Stromkabeln an Bord bestimmen
Die Belastbarkeit eines Kabels ist schnell herausgefunden. Sie sagt aus, welche Stromstärke ohne Überhitzung durch ein Kabel hindurchgeschickt werden kann. Dankbarerweise gibt es vorgefertigte Tabellen zur Belastbarkeit von Kabeln.
Wichtig zu wissen ist, dass die Temperatur ebenfalls Einfluss auf die Belastbarkeit eines Kabels hat. Je höher die Umgebungstemperatur ist, umso größer ist die Belastbarkeit des Kabels. Für ein Kabel, das bei einer normalen Umgebungstemperatur von maximal 30 Grad Celsius eingesetzt wird, gelten also andere Anforderungen als für ein Kabel, das im Motorraum beim Motoren deutlich höheren Temperaturen ausgesetzt wird.
Den Spannungsverlust von Stromkabeln an Bord ausrechnen
Wer Spaß am Rechnen hat, kann den benötigten Kabelquerschnitt selbst ausrechen. Die Formel zur Berechnung des Leitungsquerschnitts von Kupferkabeln für Gleichstrom lautet:
A = (L · I) : (k · Ua)
Um für die Leitungsdimensionierung den erforderlichen Kabelquerschnitt A zu errechnen, muss zunächst die Länge des Kabels L in Meter mit der Stromstärke I in Ampere multipliziert werden. k ist die zuvor beschriebene Leitfähigkeit des Kabels, bei Kupferkabeln auf Yachten folglich 57,1 S/m. Ua ist der für uns akzeptable Spannungsabfall in Volt.
Angenommen, ein Verbraucher mit 180 Watt soll angeschlossen werden. Mit der zuvor beschriebenen Formel P (180 W) : U (12 V) ergibt sich der Wert für I von 15 A. Der Verbraucher wird im Vorschiff installiert, die Plusleitung hat eine Länge von 10 Metern, die Minusleitung ist nur 8 Meter lang. Folglich ist die Gesamtlänge der Kabel L 18 m. k ist mit ungefähr 58 Siemens pro Meter bekannt. Es soll ein Spannungsverlust von 5 Prozent toleriert werden. 5 Prozent bei 12 Volt entsprechen 0,6 V. Eingesetzt in die Formel, muss wie folgt gerechnet werden: A = (18 m x 15 A) : (58 S/m x 0,6 V) = 270 : 34,8 = 7,76 mm²
In Handel sind in dieser Größe Kabel mit den Querschnitten 6 mm² und 10 mm² üblich. Für den vorstehenden Fall würde das nächstgrößere Kabel mit 10 mm² eine gute Wahl darstellen.
Den Spannungsverlust von Stromkabeln an Bord anhand von Diagrammen bestimmen
Wer nicht rechnen mag, kann auch einfach die von mir erstellten Diagramme zur Hand nehmen 🙂 Zunächst muss auch hier festgelegt werden, wie hoch denn der Spannungsverlust auf der Strecke von der Batterie zum Verbraucher sein darf, um das entsprechende Diagramm auszuwählen. Für das folgende Beispiel nehmen ich wie zuvor auch 0,6 Volt.
Nun muss die Länge des angestrebten Kabelwegs bestimmt werden. Im Beispiel sind es weiterhin 18 Meter. Bei 18 Metern wird ein senkrechter Strich in das Diagramm gezogen (grüne Linie in der folgenden Grafik). Dieser senkrechte Strich schneidet die bunten Kurven für die verschiedenen Kabelquerschnitte. Für die Stromstärke wird eine horizontale Linie an der entsprechenden Stelle gezogen (lilafarbene Linie in der folgenden Grafik). Am Schnittpunkt der beiden Linien ergibt sich der Kabelquerschnitt mit einem Maximalverlust von 0,6 V (orangefarbener Punkt in der folgenden Grafik).
In unserem Beispiel mit einem Verbrauch von 15 A bei einer Kabellänge von 18 m liegt der Schnittpunkt in der Grafik zwischen 6 mm und 10 mm, in diesem Fall würde man den höheren Querschnitt von 10 mm² wählen.
Bei einem angestrebten Spannungsverlust von maximal 0,36 Volt sieht die Grafik so aus:
Bei einem angestrebten Spannungsverlust von maximal 0,5 Volt sieht die Grafik so aus:
Bei einem angestrebten Spannungsverlust von maximal 1,0 Volt sieht die Grafik so aus:
Bei einem angestrebten Spannungsverlust von maximal 1,5 Volt sieht die Grafik so aus:
Fazit
Der passende Kabelquerschnitt ist wichtig für den sicheren und fehlerfreien Betrieb der Bordelektrik auf Yachten. Nur wer die stromführenden Leitungen ausreichend dimensioniert, stellt sicher, dass genug Spannung am Gerät ankommt und Kabel nicht überhitzen.
Wurde das Grundprinzip verstanden, lässt sich der erforderliche Leitungsquerschnitt leicht ermitteln – dabei helfen insbesondere auch die vorstehenden Diagramme, da sie gängige Spannungsabfälle auf Yachten zeigen. Unterm Strich hat es sich bewährt, beim Verlegen von Kabeln auf Yachten einmal nachzurechnen, welcher Kabelquerschnitt der richtige ist.
Wirklich prima erläutert und kurzweilig zu lesen, herzlichen Dank!
entschuldigung, die tatsächliche Strom-Belastbarkeit muss doch bei erhöhter Temperatur für ein Kabel runter gehen, da die Isolierung nachgibt / nachgeben kann, und der Widerstand sich im Leiter erhöht ?!?
Ist wohl eher umgekehrt gedacht: Wenn das Kabel 10 Grad wärmer werden dürfen ein paar Ampere mehr fließen…
Moin Peter, Du hast aus meiner Sicht vollkommen recht. Der in Fettschrift hervorgehobene Satz folgender Passage ist falsch:
„Wichtig zu wissen ist, dass die Temperatur ebenfalls Einfluss auf die Belastbarkeit eines Kabels hat. Je höher die Umgebungstemperatur ist, umso größer ist die Belastbarkeit des Kabels. Für ein Kabel, das bei einer normalen Umgebungstemperatur von maximal 30 Grad Celsius eingesetzt wird, gelten also andere Anforderungen als für ein Kabel, das im Motorraum beim Motoren deutlich höheren Temperaturen ausgesetzt wird.“
Richtig ist:
Je höher die Umgebungstemperatur ist, in der ein Kabel eingesetzt wird, desto geringer ist der für dieses Kabel zulässige Strom.
ACHTUNG!!! Die Tabelle mit Stromstärken vs. Temperatur kann nicht stimmen. Bei höheren Temperaturen sind niedrige Ströme zulässig, weil das Kabel sonst noch heißer werden würde!