Ein Beitrag von
Diplom Ingineur Wolfgang Barkemeyer ist seit fast einem halben Jahrhundert auf dem Wasser unterwegs. Seine zahlreichen Törns führten ihn kreuz und quer über die Nord- und Ostsee. Von 2007-2010 hat er als Einhandsegler die Welt auf seiner Najad 46 - BAROS - entlang der Barfußroute umrundet. Die Reise wurde mit der „Trans-Ocean-Medaille“ für hervorragende hochseeseglerische Leistungen ausgezeichnet.
Seit etlichen Jahren setze ich auf meiner Najad 460 BAROS für alle Kurse zwei baugleiche Vorsegel als Allround-Lösung ein. Unabhängig davon, ob ich platt vorm Laken also mit Rückenwind oder hoch am Wind segle. Wie das funktioniert, warum die Methode bei nahezu jedem Wetter sehr flexibel ist und warum diese Lösung insbesondere auch für Einhandsegler sehr interessant ist, möchte ich hier gerne kurz aufzeigen. Dabei ist es egal, ob Kurzstrecken (Nordsee, Ostsee) oder Langstrecken (Weltumseglung) gesegelt werden. In jedem Fall ermöglicht die Methode ein sicheres und zügiges Segeln.
Um das System nutzen zu können, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens: Es muss eine Vorsegel-Rollanlage mit einer Doppelnut vorhanden sein – so wie bei meiner Furlex. Siehe dazu Grafik links – sie zeigt den Querschnitt des Profils der Rollanlage mit Doppelnut. [Quelle: Handbuch Furlex Rollanlage]. Zweitens: Es müssen zwei Rollgenua-Vorsegel vorhanden sein. Wichtig: Die beiden Segel müssen gleich geschnitten sein. Außerdem wird das Segeltuchmaterial so gewählt, dass bei einem übereinanderlegen die beiden Segel statisch verkleben. Dadurch wird das Passatdoppelsegel spielend zum Einzelsegel.
Je nach Strecke und zu erwartendem Wetter werden die Segel folgendermaßen eingesetzt: Auf kurzen Strecken und insbesondere in Schwerwetterbereichen (u.a. Nordatlantik) wird nur eine Schwerwettergenua (nicht die Passatgenua, da zu leicht) in das Profil eingezogen und auf der Anlage gefahren – so wie es auf vielen Yachten Standard ist. Daher wird diese Variante hier auch nicht weiter betrachtet. Spannend wird es hingegen auf langen Seestrecken – wie beispielsweise der Passatsegel-Route. Dort werden beide Genuas auf der Rollanlage gefahren. Kommt der Wind von hinten, wird das eine Segel an Backbord und das andere an Steuerbord ausgebaumt.
Die BAROS von Wolfgang Barkemeyer mit den beiden ausgebaumten Vorsegeln auf dem Atlantik
Platt vor dem Laken werden beide Segel mit Spibäumen fixiert. Dazu werden je Spibaum ein Topnant und zwei vom Cockpit aus bedienbare Niederholer eingesetzt. Auch mit den Spibäumen kann die Reffstufe jeder Zeit angepasst werden. Und das bequem vom sicheren Cockpit aus – ohne Bewegung an Deck mit einem optimalen Vortrieb bei Windeinfallswinkeln von ca. 140 bis 180 Grad zu beiden Seiten.
.
Über unterschiedliche Reffstufen kann die Segelführung an die Windstärke angepasst werden.
Bei einem Windeinfallswinkel zwischen 120 und 150 Grad ist es ratsam den Spibaum auf der Leeseite zu entfernen und das zugehörige Segel ein wenig dicht zu nehmen.
Optional kann das Großsegel bei grober See zusätzlich stark gerefft mittschiffs fixiert werden. Es trägt wesentlich dazu bei, starke und schnelle Rollbewegungen (Gieren) der Yacht zu vermeiden.
Vor dem Wind mögen einige Segler alternativ auch ein Leichtwindsegel – wie einen Spinnaker – einsetzen wollen. Für mich als Einhandsegeler sind die mit einem solchen Segel einhergehenden großen Segelflächhen nicht händelbar, weder nachts noch auf dem Ozean bei einfallenden Squalls.
Kommt es zu einer Änderung von einem Vorwind- zu einem Amwindkurs funktioniert dieses System so nicht mehr. Daher werden dann die beiden Segel einfach nur an einer Seite übereinander gezogen (keine Segelbergung). Das Umschiften des luvseitigen Segels zum leeseitigen Segel hin kann dabei komplett ohne Segeldruck erfolgen, da die Segel durch die Rollanlage beliebig gerefft bzw. übereinander gerollt werden können. Wie eingangs erwähnt es ist notwendig ein Segeltuch zu wählen, dass sich statisch auflädt, um die Segel miteinander zu verkleben.
Beide Segel wurden auf einem Amwindkurs übereinander gelegt
Wichtig: Zum Ausgleich der sich ändernden Unterliekslängen nach dem Überlappen, muss ein Schotreiter zum Einsatz kommen. Der Schotreiter besteht aus einem kurzen Stück Schot beidseitig mit Karabinerhaken. Er wird mit den Enden an je einem Schothorn befestigt. Die Schoten haben ebenfalls Karabinerhaken und werden am Schotreiter angeschlagen.
Nur so lassen sich die Schoten schnell und sicher vom Einzelsegel auf Schotreiter und Passatsegel auf Schothorn wechseln (und umgekehrt).
Gut zu sehen, wie der Schotreiter die Schotspannung zu beiden Schothörnern hin erhält
Fazit: Ich bin mit diesem System zehntausende Seemeilen gesegelt und möchte es aus drei Gründen nicht mehr missen. Erstens: Ich kann so auch große Segel handhaben. Zweitens: Ich kann jederzeit vom sicheren Cockpit aus die Segel verkleinern und anpassen. Und drittens: Der Wechsel von „normaler“ Besegelung mit Großsegel und Genua zur Passatbesegelung erfolgt ohne das lästige Setzen und Bergen von Segeln. Alleine und/oder bei Nacht sind das Vorteile, die ich insbesondere als Einhandsegler sehr zu schätzen weiß.
Weiterführende Beratung (WERBUNG)
Eine ausführliche, weiterführende Beratung zum Thema “Segel” kannst du bei einem der folgenden Anbieter bekommen:
Hallo Wolfgang
Danke für Deine Erfahrungswerte. Ich würde noch gerne folgendes wissen.
-Ab welchen Windstärken nutzt Du die beiden Segel als 1 Segel?
-Nutzt Du die übereinandergelegten Segel auch als Sturmsegel, oder was machst Du?
-Ist der Aufroll-Wiederstand mit 2 Segeln kein Problem für das Furlex-System?
-Hast Du auch eine Sturmbesegelung und wie sieht diese aus?
Nimmt mich wunder, da ich gerade am tüfteln bin was ich bei mir machen soll.
Besten Dank
Randy
Hallo Wolfgang
Sehr aufschlussreicher Beitrag.
Aus Sicherheitsgründen wird diese Passatbesegelung mit Doppelsegel und einer Kardeele angeboten um das Setzen und Bergen zu vereinfachen.
Warum fährst du zwei separate Segel?
Was sind die Gründe?
Wäre dir dankbar um ein Feedback.
Peter