Wind-Portrait: die Bora (Mittelmeer) für Segler erklärt

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Die Bora ist wild und unberechenbar

Der erste Eindruck besteht aus einer Postkartenidylle: schönes, sonniges Wetter, tiefblauer Himmel, weite Sicht. Doch unvermittelt fallen böige Starkwinde ein, im Winter gar mit Hurrikanstärke. Die Bora („kalter Windstoß/Regenguss“, von Boreas „Gott der Nordwinde“) kann schön und unberechenbar zugleich sein. Ob der darauf beruhende Vergleich eines kroatischen Sprichworts mit einer Frau passend ist, sei dahingestellt.

Die Bora wütet an der kroatischen Adriaküste insbesondere dort, wo Täler im Küstenrelief helfen, den Wind zu verstärken. Bekannte Abschnitte sind der Golf von Triest, die Kvarner Bucht, der Golf von Rijeka, die Gewässer vor Sibenik und Split, der Velebit-Kanal (bei Senj) und das Gebiet um Dubrovnik.

Die Bora tritt in verschiedenen kroatischen Seegebieten auf. ©️helzet/stock.adobe.com

Am Mittag macht die Bora Pause

Die Bora ist hinterhältig. Sie schleicht sich leise heran, um auf einmal mit Gebrüll die Gebirgskette der Dinariden, die sich von Slowenien im Nordwesten bis Albanien im Südosten über das Hinterland erstreckt, hinunterzustürzen. Daher kommt die Bora aus nördlicher oder nordöstlicher Richtung.

Bei der Bora handelt sich um einen sogenannten katabatischen Wind. Das ist ein kaltluftgetriebener, ablandiger Fallwind. Auftreten kann die Bora jederzeit. Allerdings tritt sie vermehrt nachmittags und zum Abend hin auf. Über Mittag bis in die frühen Nachtmittagsstunden hinein ist die Intensität meistens am geringsten. Im Volksmund heißt es daher, dass die Bora zum Mittagessen geht.

Die Bora weht heftig über die Gebirgskette der Dinariden. ©️KlausHeidemann/stock.adobe.com

Die Bora gehört zu den stärksten Winden der Welt. Jedes Jahr verursacht sie enorme Sachschäden, legt Teile der Infrastruktur lahm und beeinflusst die Vegetation. Je nach Jahreszeit sind Geschwindigkeiten von 40 bis 65 Knoten (8 bis 12 Beaufort) keine Seltenheit. Neben ihrer enormen Windgeschwindigkeit sind weitere Hauptmerkmale die extreme Böigkeit und die steile See, die aus ihr resultiert.

Immerhin: Am stärksten und häufigsten stürmt die Bora außerhalb der Saison und zwar zwischen Oktober und Mai. Die sommerliche Bora dauert zwischen zwölf Stunden und zwei Tagen, im Winter bleibt sie bis zu zwei Wochen am Stück.

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Heftig überfällt die Bora aus dem kalten Hinterland

Verursacht wird das Wetterphänomen Bora durch die verschiedenen Klimazonen über der Adria: Polare Kaltluft aus nördlicher bis nordöstlicher Richtung trifft auf die wärmere Luft über dem adriatischen Meer. Zusätzlich entsteht lokal in den Bergen des auf der Ostseite der Adria liegenden Hinterlands kalte Luft, typischerweise während klarer, wolkenloser Nächte. Diese kalten schweren Luftmassen treffen auf die Dinariden und stürzen dann über die Gebirgshänge der kroatischen Küste, angetrieben mehr durch die Schwerkraft als durch die Druckunterschiede. In Bergeinschnitten und küstennahen Tälern wird die Geschwindigkeit zusätzlich bis zur Sturm- beziehungsweise Orkanstärke beschleunigt (Düseneffekt).

Es sind sowohl Hoch- als auch Tiefdrucklagen für die Entstehung der Bora möglich. Der Wind ist der gleiche, die Wetterbedingungen jedoch unterschiedlich. Aus diesem Grund spricht man von der weißen (antizyklonalen) und der schwarzen (zyklonalen) Bora.

Die antizyklonare Bora oder Schönwetter-Bora wird durch ein großes Hochdruckgebiet (Antizyklon) über Ost- und Mitteleuropa verursacht. Der hohe Druck drängt die kalte kontinentale Polarluft über die Berge an die Küsten. Der Himmel ist klar und wolkenlos, er wirkt fast weiß.

Bei zyklonaler Bora oder Schlechtwetter-Bora werden die kalten Luftmassen durch ein Tiefdruckgebiet (Zyklon) über der Adria oder über Süditalien in die Adria „gezogen“. Sie wirkt „schwarz“, geht sie doch mit dunkelgrauen Wolken, Regen, Gewitter oder Schnee einher.

Typische Großwetterlage, die zu einer Bora führt. ©️WetterWelt

Anzeichen der Bora

Das Barometer hilft nicht, eine herannahende Bora vorherzusehen, aber ist morgens das Bootsdeck trocken und nicht taufeucht, sollten die Berge beobachtet werden. Anzeichen der sommerlichen Bora sind unter anderem eine beeindruckende Wolkenfront („Borawalze“), die auf Bergen in Küstennähe zu sehen ist. Zerteilen sich diese Walzen in Stücke, so kann man davon ausgehen, dass die Bora sehr bald einsetzen wird. Ähnliches gilt für aus dem Osten kommende Schaumkronen auf dem Meer.

Ist die Bora da, so führt die „Borawalze“ zur Aufwirbelung des Meersalzes und zu einem gräulich-dunstigen Schleier über dem Wasser. Die Salzgischt verursacht am Festland eine Versalzung der Böden, welche ein Nachwachsen der durch den Wind zerstörten Pflanzen und Bäume fast unmöglich macht.

Anzeichen der sommerlichen Bora ist eine beeindruckende Wolkenfront, die Borawalze. ©️Kamil_k2p/stock.adobe.com

Häufig wird die Bora aufgrund ihrer ähnlichen Entstehung als kaltes Pendant zum Föhn, dem trockenen, warmen Fallwind, beschrieben. Interessant ist, dass im Gegensatz zum eher negativ beladenden Föhn die Bora trotz der Kälte positiv und schmerzbefreiend auf die Menschen wirkt. Man sagt: „Die Bora bläst die schlechte Laune fort.“

Einfluss der Bora auf das Segeln und Ankern

Glücklicherweise zeigt sich für die meisten Segler die sommerliche Bora milder und seltener mit nur wenigen Tagen im Monat. Sie wird sogar häufig für ihre guten Segelbedingungen geschätzt, da sie Sonne, klare Sicht und einen schönen Wind bringt. Einige erfahrene Skipper lieben dann das adrenalinfördernde, sportliche Segeln. Doch generell ist der Bora mit Vorsicht zu begegnen. Die möglichen harten Böen und die kurzen und steilen Wellen bergen schließlich auch Gefahren für Schiff und Crew.

Mit der Entfernung zur Küste werden die Wellen zwar gleichmäßiger, aber größer. Ein Beispiel: Berüchtigt ist die Bora von Senji in der Kvarner Bucht beziehungsweise im Velebit-Kanal bei den Inseln Krk und Rab. Der durch das dicht an der Küste liegende Velebit-Bergmassiv hervorgerufene Kanalisierungseffekt führt hier zu den stärksten Böen an der Adria.

Tipp: In vielen Seekarten sind die Abschnitte mit Bora-Gefahr entlang der Küste eingezeichnet. Da die Bora nur in bestimmten Gebieten auftritt, ist ein Ausweichen in Gebiete, wo die Bora nur wenig oder gar nicht durchkommt, oft möglich. Dafür geeignet ist zum Beispiel die kurze Zeitspanne über Mittag.

Insbesondere Buchten, deren Scheitel im nördlichen bis östlichen Sektor liegt, bieten keinen Schutz. In größeren Buchten sollte vor dem Ankern insbesondere auf V-förmige Trichter zwischen zwei Gebirgshängen geachtet werden, denn hierdurch erhält die Bora eine noch größere Beschleunigung und verteilt sich dann fächerförmig über die Bucht. Dies spielt auch eine Rolle, wenn an Buchten vorbeigesegelt wird. So kann es vorkommen, dass der Wind erst von vorne weht, kurz vor der Bucht von der Seite weht und nach Passieren der Bucht plötzlich von hinten kommt.

Die Topografie beeinflusst die Stärke der Bora. ©️Windy.com/BLAUWASSER.DE

Die Bora im Steckbrief

Allgemein

  • Wo? Adria, entlang der kroatischen Küste
  • Was? Kaltluftgetriebener, ablandiger Fallwind, katabatischer Wind
  • Woher? Aus nördlicher oder nordöstlicher Richtung
  • Wie stark? Je nach Jahreszeit zwischen 40 und 65 Knoten, sehr böig, stärkste Ausprägung zwischen Oktober und Mai
  • Wann? Zu allen Tag- und Nachtzeiten, aber vermehrt nachmittags und abends
  • Wie lange? Dauer im Sommer meist zwischen 12 Stunden und 2 Tagen, im Winter bis zu 2 Wochen durchgehend

Entstehung

  • Ursache sind verschiedene Klimazonen: Polare Kaltluft aus nördlicher bis nordöstlicher Richtung und lokal entstehende Kaltluft aus den Bergen treffen auf wärmere Luft über dem adriatischen Meer.
  • Die kalte schwere Luft stürzt lawinenartig über die Gebirgshänge der Dinariden auf die kroatische Küste zu.
  • Einschnitte in den Bergen und küstennahe Täler beschleunigen zusätzlich (Düseneffekt).
  • Weiße Bora: Entstehung aus einer Hochdrucklage (Antizyklon); oder Schwarze Bora: Entstehung aus einer Tiefdrucklage (Zyklon).

Merkmale

  • Tritt überraschend und plötzlich auf
  • Extreme Windgeschwindigkeiten und heftige Böigkeit
  • Blauer Himmel und klare Sicht
  • Steile See führt zu einem gräulich-dunstigen Schleier über dem Wasser durch aufgewirbeltes Salz
  • Keine Änderungen auf dem Barometer
  • Anzeichen: Der Tag beginnt klar und ohne Tau, Wolkenwalzen („Borawalze“) auf den Bergen in Küstennähe, die sich zerteilen, Schaumkronen auf dem Meer
  • Antizyklonale Bora: trockener Wind, klarer, wolkenloser Himmel
  • Zyklonale Bora: dunkelgraue Wolken, Regen, Gewitter oder Schnee

Seglerhinweise

  • Weiße (Sommer-)Bora kann für gute Segelbedingungen mit Sonne, klarer Sicht und angenehmen Wind sorgen.
  • Viele Seekarten geben Bora-Gebiete an.
  • Regelmäßig den lokalen Wetterbericht und die Windvorhersage checken.
  • Immer ein wachsames Auge auf die Berge haben.
  • Indiz für besondere Bora-Gefährdung: Kahle Berge und windkanalisierende Senken und Täler im Hinterland; die Buchten bieten hier keinen Schutz.
  • Sind von Osten kommende Schaumkronen zu sehen, sollte schnell gerefft werden.
  • Vorsicht: harte Böen sowie kurze und hohe Wellen
  • Ausweichen in Gebiete, wo die Bora nur wenig oder gar nicht durchkommt, möglich
Die Bora ist durch. Hier bleibt ein schöner Segelwind auf der Rückseite. ©radiopelicano.de

Fazit

Im Sommer zeigt sich die Bora milder und weniger extrem als im Rest des Jahres. Dennoch: Die Bora ist unberechenbar und nicht ohne Grund gefürchtet. Mit dem notwendigen Respekt und einem aufmerksamen Auge auf den Wetterbericht ist es aber möglich, sich der Bora zu entziehen. Dann macht das Entdecken der malerischen kroatischen Küste und der vielen zauberhaften Inseln Freude.

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