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Olivier Christen ist seit 2009 bei der Firma Bernhardt Apparatebau GmbH u. Co. (Secumar) als Verkaufsleiter Sport tätig. Olivier sammelte bereits als Kind Segelerfahrung auf einer von den Eltern selbstgebauten 36-Fuß-Ketch bei einer Mittelmeer-Umrundung und später auf verschiedenen Jollen in Frankreich. Seit 2001 lebt er in Norddeutschland und segelt Regatten auf unterschiedlichen Booten wie beispielweise J24.
Automatikrettungswesten brauchen einen TÜV
Wo es um Sicherheit von Menschenleben geht, ist die regelmäßige Inspektion der entsprechenden Geräte unumgänglich. Daher müssen Kraftfahrzeuge beispielsweise alle zwei Jahre zum TÜV, wo sie von einem fachkundigen Spezialisten unter die Lupe genommen und auf ihre Verkehrstüchtigkeit hin überprüft werden. Nicht anders ist es bei einer Automatikrettungsweste, bei denen der natürliche Alterungsprozess die Eigenschaften des Gewebematerials beeinflussen kann oder auch die Funktion des automatischen Aufblassystems nicht vor eventuellen Beeinträchtigungen gefeit ist.
Kurzum: Auch Automatikrettungswesten brauchen einen TÜV! Doch was heißt eigentlich TÜV in Bezug auf eine Automatikrettungsweste? Kann der Hobbysegler seine Rettungsweste in Eigenregie warten oder muss sie am Ende immer einer professionellen Wartung unterzogen werden? Eine berechtigte Frage, auf die ich gleich noch näher eingehen werde.
Warum gibt es die Wartung von Automatikrettungswesten?
In Deutschland gibt es den Fachverband Seenot-Rettungsmittel e.V. (FSR), dessen Mitglieder verschiedene Firmen aus der Wassersportbranche sind. Der Verband wurde 1984 gegründet und die Aufgaben sind vielschichtig. Unter anderem hat sich der FSR auf die Fahne geschrieben, technische Normen und Standards festzulegen, diese zu überwachen und gegebenenfalls zu sanktionieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Produktsicherheit. So gesehen ist der FSR eine Institution, die ein Bindeglied zwischen Normen und Verbraucher bildet.
Da die Lebensdauer von Rettungswesten begrenzt ist, empfiehlt der FSR Nutzungszeiträume und erklärt, worauf bei aufblasbaren Automatikrettungswesten für Sportbootfahrer zu achten ist. Mehr noch: Neben dem FSR schreibt auch der Gesetzgeber im Rahmen des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) sowie der Produkthaftung eine definitive maximale Lebensdauerangabe seitens des Herstellers vor.
Wie lang ist die Lebensdauer einer Automatikrettungsweste?
Die Lebensdauer einer Automatikrettungsweste für den privaten Bereich ist auf zehn Jahre begrenzt, bei gewerblich genutzten Rettungswesten kann sie kürzer sein. Voraussetzung für diese Lebensdauer ist maßgeblich die mindestens zweijährliche Inspektion der Automatikrettungsweste durch eine autorisierte Wartungsstation oder den Hersteller.
Dokumentiert wird das Einhalten der Wartungsintervalle durch eine Service-Plakette, die vom FSR herausgegeben wird. Die Plakette besiegelt, ganz ähnlich wie beim Kraftfahrzeug die TÜV-Plakette, die Funktionssicherheit des Rettungsgerätes und erinnert von außen deutlich sichtbar mit Monat und Jahr an das Datum der nächsten Inspektion.
Nach zehn Jahren kann die Plakette durch eine jährliche Wartung jeweils für ein weiteres Jahr erworben werden. Diese jährliche Prüfung kann dann jedoch nur durch den Hersteller selbst vorgenommen werden. Die letzte mögliche Plakette im Rahmen der Wartung kann eine Automatikrettungsweste im Alter von 14 Jahren erhalten.
Ab dem Lebensalter von zehn Jahren kann es notwendig werden, die Automatikrettungsweste aus Sicherheitsgründen auszusondern. Ein entscheidender Grund hierfür ist, dass kunststoffbeschichtete Gewebe und Formteile mit wachsendem Alter Gefahr laufen, zu verspröden oder einzureißen. Damit wäre die Dichtigkeit des Schwimmkörpers nicht mehr gewährleistet. Alterungserscheinungen durch Umwelteinflüsse können auch bei allen übrigen Baugruppen des Gerätes, zum Beispiel bei der Aufblasvorrichtung, zu Problemen führen.
Welche Rolle spielt das Herstelldatum der Automatikrettungsweste?
Was viele nicht wissen, ist der Umstand, dass die Lebensdauer der Automatikrettungsweste genau genommen mit dem Herstelldatum und nicht mit dem Kaufdatum beginnt. Es gibt einige Hersteller am Markt, die ihre Automatikrettungswesten Monate vor dem Verkauf bauen lassen und dennoch erst ab dem Verkaufsdatum mit der Zeitrechnung beginnen. Bedenkt man den Transport und die Lagerzeit im Geschäft, kann es schnell passieren, dass ein halbes Jahr um ist, was eigentlich bei der Wartung berücksichtigt werden müsste. Das ist eine Herausforderung für den Hersteller und seine Lagerhaltung. Seriöse Hersteller geben immer das Herstelldatum für jeden einsehbar in der Weste an. Hierauf würde ich bei der Anschaffung achten.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die zweijährliche Wartung durch eine Wartungsstation in der Regel nur innerhalb von neun Jahren nach dem Fertigungsdatum erfolgen kann. Innerhalb des 10. Jahres kann die Automatikrettungsweste nur noch im aufgezeigten jährlichen Intervall gewartet werden.
Wer führt die Wartung der Automatikrettungsweste durch?
Die Wartung der Automatikrettungsweste kann in der Regel auf drei Wegen erreicht werden. Erstens kann sie zum Hersteller gesendet werden, der dann die Wartung durchführt. Bei Herstellern aus dem Ausland ergibt das logischerweise weniger Sinn als bei solchen, die im Inland sitzen.
Zweitens kann die Rettungsweste bei einem Fachhändler abgegeben werden. Dieser sendet sie dann zusammen mit anderen Rettungswesten an den Hersteller zur Wartung und erhält sie im Anschluss wieder zurück. Das kann praktisch sein, wenn beispielsweise ein Fachhändler in der Marina ansässig ist, wo auch das Schiff liegt.
Und drittens gibt es sogenannte vom Hersteller der Automatikrettungsweste autorisierte Wartungsstationen. Diese Anbieter haben geschultes und zertifiziertes Personal, spezielle Werkzeuge und die Originalersatzteile vorrätig. Damit sind sie genauso wie der Hersteller in der Lage, eine professionelle Wartung durchzuführen.
In allen drei Fällen wird ein Wartungsformular ausgefüllt, das hier exemplarisch heruntergeladen werden kann.
Was wird bei einer professionellen Wartung gemacht?
Der regelmäßige Systemcheck durch den Fachmann umfasst die Überprüfung des Schwimmkörpers auf Luftundurchlässigkeit mittels eines mehrstündigen Dichtigkeitstest. Zudem wird eine penible Funktionskontrolle des Aufblassystems durchgeführt. Dazu gehört eine Wasserprüfung der Automatik mittels Prüfplättchen und Tablette genauso wie eine manuelle Prüfung der Handauslösung mit Prüfblättchen. Dabei werden auch Teile der Automatik zerlegt, um beispielsweise Gummidichtungen zu erneuern. Der anschließende Zusammenbau erfolgt mittels elektronischer Drehmomentüberwachung. Die Tablette wird durch eine neue ersetzt.
Des Weiteren werden im Rahmen der Wartung sämtliche Verbindungsnähte an der Automatikrettungsweste und die Beschläge geprüft. Das ist wichtig, da hier erhebliche Kräfte auftreten sowie Dreck oder Salzablagerungen die Mechanik blockieren können. Und nicht zu Letzt wird im Rahmen der Wartung auch eine Kontrolle des Mundstücks zum Aufblasen durchgeführt.
Für die Wartung werden bei den meisten Herstellern Spezialwerkzeuge eingesetzt. So wird verhindert, dass an den „lebensrettenden“ Funktionen der Weste Laien herumbasteln können.
Sollte im Rahmen der Wartung der Automatikrettungsweste Verschleiß sichtbar oder fehlerhafte Bauteile gefunden werden, kann der Fachmann die erforderlichen Reparaturen gleich ausführen, beispielsweise den Austausch eines beschädigten Schwimmkörpers.
Achtung: Notfallsender sollten immer im Rahmen der Wartung und nicht in Eigenregie in eine Rettungsweste eingebaut werden, weil ein falsch gewählter Sender und ein unqualifizierter Einbau im schlimmsten Fall den Auftriebskörper zerstören oder zumindest die Funktionsfähigkeit sowohl der Automatikrettungsweste als auch des Senders beeinträchtigen kann! Zudem kann die Zulassung der Automatikrettungsweste nach DIN EN ISO verfallen, sollte ein nicht zur Baumusterprüfung der Automatik des Herstellers passender Gegenstand eingebaut werden.
Welche Wartungsarbeiten kann der Laie an der Automatikrettungsweste durchführen?
Manche Segler glauben, dass sie die Wartung auch in Eigenregie durchführen können, weil bei der Wartung angeblich bloß die Weste zum Test ausgelöst und die Patrone getauscht wird. Dass das ein Trugschluss ist, ergibt sich aus den vorstehenden Zeilen. Und dennoch kann jeder Segler seine Rettungsweste ein paar sinnvollen Prüfungen unterziehen, ohne dass dafür spezielle Werkzeuge benötigt werden. Das kann beispielsweise das Austauschen der Tablette in der Auslöseautomatik sein, wenn diese Verschleißerscheinungen zeigt. So wird sinnvoll gegen ein ungewolltes Auslösen der Weste vorgebeugt.
Beim Auslösen der Automatikrettungsweste wird das, in einer Patrone komprimierte, Kohlendioxid (CO2) in den Schwimmkörper geblasen. Diese Patronen sind aus Metall und haben kein Ablaufdatum – sie sind also sehr langlebig. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ältere Patronen einer regelmäßigen Sichtkontrolle unterzogen werden sollten. Wenn sie Korrosion aufweisen, müssen sie getauscht werden. Zum einen, weil sie dann unter Umständen nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren. Zum anderen, weil ihre Oberfläche dann rau wird und dies den Schwimmkörper beschädigen kann. Damit wäre die Weste dann zwecklos.
Außerdem steht auf jeder CO2-Patrone eine Gewichtsangabe in Gramm. Wer unsicher ist, ob die Patrone noch mit Gas gefüllt ist, kann sie je nach Typ herausnehmen und auf eine Küchenwaage legen, um so das Gewicht zu kontrollieren. Stimmt das Gewicht nicht überein, muss die Patrone getauscht werden.
Und nicht zuletzt kann der Schwimmkörper auf Dichtigkeit geprüft werden. Dazu wird er über das an der Automatikrettungsweste befindliche Mundstück aufgeblasen und mindestens 16 Stunden liegen gelassen. Danach sollte er noch genauso prall sein wie am Anfang. Das muss nicht an Bord passieren, wo der Platz oft begrenzt ist. Das kann auch eine jährliche Routine, in den Jahren zwischen den zweijährlichen Wartungsintervallen in den heimischen vier Wänden sein.
Nach der Überprüfung muss die Automatikrettungsweste logischerweise neu gepackt werden, was je nach Modell und Zusatzausrüstung für den Laien eine Herausforderung darstellen kann. Einige Hersteller bieten diesbezüglich Video-Anleitungen wie diese hier im Netz an.
Achtung: Eine aufblasbare Rettungsweste kann nur einwandfrei funktionieren, wenn ihr Schwimmkörper korrekt gepackt wird. Bei Rettungswesten, die zur Wartung eingesandt wurden, haben die Service-Mitarbeiter schon öfter festgestellt, dass Schwimmkörper vom Anwender falsch in die Schutzhülle gepackt wurden. Das kann beispielsweise dazu führen, dass die Auslösevorrichtung zu stark abgeschottet wird und das hat wiederum zur Folge, dass das automatische Aufblasen der Weste verzögert wird, sobald ihr Träger ins Wasser fällt. Denn nur bei Wasserkontakt löst die Automatik aus – ist sie allerdings in den Schwimmkörper eingewickelt, dauert es länger, bis Wasser zur Automatik vordringen kann. Mit anderen Worten: Es sollte unbedingt die Gebrauchsanweisung der Rettungsweste beim Packen beachtet werden.
Fazit
Eine Automatikrettungsweste ist dazu da, im entscheidenen Moment Leben zu retten. Dafür gibt es bewusst den vom FSR festgelegten TÜV samt Wartungsintervallen. Dass das eine sinnvolle, gar lebenrettende Maßnahme ist, haben die vorstehenden Zeilen aufgezeigt. Allerdings muss nicht für alle Formen der Inspektion auf einen autorisierten Servicebetrieb zurückgegriffen werden. Einige schnelle Checks kann der Anwender auch selbst durchführen.
Und nicht zu Letzt hält sich der finanzielle Aufwand, der bei der Wartung einer Automatikrettungsweste entsteht, in Grenzen, insbesondere wenn die Weste noch nicht so alt ist und nur alle zwei Jahre gewartet werden muss.
Weitere Informationen auch unter www.secumar.com