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Bernd Gröneveld ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und seit 46 Jahren für Raymarine Deutschland tätig. Er betreut dort den Bereich Sportschifffahrt. Wenn er sich nicht um moderne Navigationselektronik kümmert, ist er auf dem Wasser unterwegs.
Anwendungsbereich einer Wärmebildkamera
Wärmebildkameras sind in den letzten Jahren immer erschwinglicher geworden und man sieht sie zunehmend auch auf Fahrtenyachten. Gerade wenn ein Schiff viel für Nachtfahrten genutzt wird, ist eine Wärmebildkamera ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand hinsichtlich der Sicherheit an Bord – schließlich erlaubt sie das Sehen bei völliger Dunkelheit.
Darüber hinaus kann eine Wärmebildkamera auch am Tag hilfreich sein, wenn beispielsweise eine Küste im Schatten liegt und konturlos erscheint. Da die Temperatur von Körpern nichts mit ihrem optischen Erscheinungsbild zu tun hat, ist die Kamera in solchen Fällen eine Hilfe, weil mit ihr augenscheinlich homogene Strukturen dann trotzdem lesbar sind. Das gilt insbesondere auch für Objekte im Gegenlicht.
Abgrenzung der Wärmebildkamera zu Radar und AIS
Eine Wärmebildkamera lässt sich nicht mit Radar oder AIS vergleichen. Es ist ein komplett eigenständiges System. Genau genommen ergänzen sich die drei Systeme perfekt. Im Idealfall sehe ich einen Frachter auf dem Radargerät als Echo und auf dem AIS seinen Kurs und seine Geschwindigkeit samt Position. Auf der Wärmebildkamera wiederum erkenne ich seine Konturen.
Anders verhält es sich mit unbeleuchteten Tonnen, Segelschiffen mit einem schlechten Radarecho ohne AIS oder gar über Bord gefallenen Personen. Sie alle kann ich nur unzulänglich mit einem Radargerät oder AIS erfassen. Mit einer Wärmebildkamera wiederum sehe ich sie immer – außer bei Nebel.
Mit anderen Worten: Das ist eine abendfüllende Diskussion und es gibt kein richtig oder falsch. Die drei Systeme haben alle ihre Berechtigung und ergänzen sich. Daher soll es im Folgenden nicht weiter um den Vergleich der Systeme gehen. Der ergibt wie geschildert keinen Sinn. Man würde Äpfel mit Birnen und Bananen vergleichen.
Das Funktionsprinzip der Wärmebildkamera
Eine Wärmebildkamera funktioniert ganz ähnlich wie eine optische Kamera nur mit dem Unterschied, dass sie Infrarotstrahlung empfangen kann. Das ist eine Strahlung, die jeder Körper aussendet. Allerdings ist die Infrarotstrahlung für das menschliche Auge nicht sichtbar und es bedarf einer besonderen Technik, sie zu empfangen. Genau das machen Wärmebildkameras, die gerne auch als Infrarotkamera, Thermalkamera oder FLIR bezeichnet werden. Der Begriff FLIR kommt aus dem englischsprachigen Raum und steht für Forward Looking Infrared.
Wichtig zu verstehen ist, dass eine Wärmebildkamera anders funktioniert als ein Nachtsichtgerät. Nachtsichtgeräte verstärken lediglich das vorhandene Restlicht. In einer wolkenverhangenen Nacht ohne Mondlicht ist man auf hoher See für gewöhnlich von rabenschwarzer Finsternis umgeben. Ein Nachtsichtgerät hilft dann nicht weiter. Die Wärmebildkamera hingegen verarbeitet nicht das sichtbare Licht, sondern die Wärmestrahlung, die jeder Körper abgibt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Nutzung der Wärmebildkamera unabhängig vom Umgebungslicht funktioniert.
Die Darstellung des Bildes einer Infrarotkamera
Das Bild einer Wärmebildkamera wird auf entsprechenden Endgeräten für gewöhnlich in Graustufen dargestellt. Je nach Modell und Hersteller findet dabei eine sehr feine Abgrenzung der einzelnen Graustufen statt. Die Crux ist, dass unser menschliches Auge derart feine Graustufen gar nicht auflösen kann. Deshalb ist man dazu übergegangen, die Bilder in Farbe darzustellen.
Normalerweise ist es so, dass im Graustufen-Bild die hellsten Stellen die wärmsten sind. Bei farbigen Bildern hingegen werden oft rötliche Töne für die warmen Temperaturen und bläuliche Töne für die kälteren Temperaturen verwendet. Durch diesen Trick kann der gesamte Farbraum des Auges für die Bildinterpretation und eine entsprechend feinere Unterscheidung eingesetzt werden. Allerdings wirken die Bilder dann auch immer irgendwie ein wenig schrill.
Fast alle gängigen Anbieter erlauben über das Systemmenü am Gerät die Auswahl unterschiedlicher Farbmodi. Dazu sollte auch die Darstellung des Bildes in Rottönen gehören, um die empfindliche Nachtsicht des Auges nicht zu stören. Siehe hierzu auch die Ausführungen zum menschlichen Auge im Beitrag über Nachtsegeln.
Color Thermal Vision
Die neuste Generation der Kameras kombiniert eine Schwachlichtkamera mit hoher Auflösung und eine Wärmebildkamera in einem Gerät. Das Verfahren nennt sich FLIR Color Thermal Vision (CTV). Bei Color Thermal Vision werden die visuellen Details der klassischen Kamera mit dem Wärmebild zu einem neuen Bild vereint. Dabei wird auch das Restlicht, dass die klassische Kamera empfängt, genutzt, um das Bild zu colorieren. So kann beispielsweise einer Fahrwassertonne bei Nacht neben der Wärmeinformation ein grünes oder rotes Leuchten zugeordnet werden, wie es das folgende Bild zeigt.
Orientierung und Kameraposition
Gute Kameras sind so ausgelegt, dass sie sich sowohl horizontal als auch vertikal drehen können. Ich kann mit ihnen also einen Blick in jede nur erdenkliche Richtung in Relation zum Schiff werfen. Um dabei nicht die Orientierung zu verlieren, findet man für gewöhnlich im Display der Bedieneinheit eine Anzeige, die Auskunft darüber gibt, wo die Kamera gerade hinguckt.
Auf dem vorstehenden Foto sieht man unten links im Bild einen Kreis mit einem Schiff in der Mitte. Die Kamera schaut wie dargestellt entlang eines dreieckigen Korridors leicht Backbord voraus. Vertikal steht sie in der Mittelposition – also weder nach oben noch nach unten geneigt. Die Neigung wird mittels der Striche neben dem Kreis angezeigt.
Die Auflösung der Wärmebildkamera
Während klassische Foto-oder Videokameras mit sehr hohen Auflösungen daherkommen, ist diese bei einer Wärmebildkamera auf Yachten vergleichsweise gering. Gute Modelle für den Wassersport-Bereich liegen aktuell bei einer Bildbreite von 640 Pixeln und einer Höhe von 512 Pixeln. Übertragen auf die Digitalfotografie sind das gerade mal 0,3 Megapixel.
Für die Erkennung von Objekten auf dem Wasser, wie beispielsweise einer über Bord gegangenen Person oder eines Seezeichens, ist diese Auflösung aber völlig ausreichend. Beispielsweise ist es wichtig zu erkennen, dass eine über Bord gefallene Person auf dem Wasser treibt. Zu erkennen, ob der Kragen der Segeljacke dabei geöffnet oder geschlossen ist, spielt logischerweise eine untergeordnete Rolle. 😉
Grenzen der Technik
Um ein Objekt hinsichtlich seiner Wärmestrahlung untersuchen zu können, braucht die Kamera eine freie Sicht auf das Objekt. Wie schon erklärt, spielt die Umgebungshelligkeit dabei keine Rolle. Anders verhält es sich hingegen mit Nebel. So wie unser menschliches Auge bei Nebel nicht in der Lage ist, Objekte im Dunst auszumachen, ist auch die Kamera nicht in der Lage, die Wärmestrahlung solcher Objekte zu „sehen“.
Das gilt natürlich auch für die Segel auf einer Yacht. Logischerweise kann die Kamera nicht durch sie hindurchsehen. Dieser Aspekt sollte bei der Wahl des Montageortes berücksichtigt werden.
Montageort der Wärmebildkamera
Generell empfehlen alle Hersteller, den Montageort möglichst hoch zu wählen. Das liegt auf der Hand. Je höher die Kamera montiert ist, desto besser kann sie von oben auf die Wasserfläche schauen und Objekte erfassen.
Wie erwähnt, sind gute Kameras so ausgelegt, dass sie sich sowohl horizontal als auch vertikal drehen können. Folglich sollte ein Standort gewählt werden, der der Kamera erlaubt, ihr Potenzial auszuschöpfen. Demnach wäre es am sinnvollsten, bei einer Segelyacht die Kamera im Masttopp zu montieren. Das wäre jedoch nicht praktikabel, da das Kamerabild sehr unruhig werden würde, sobald Seegang entsteht. Die Mastspitze ist von der Wasseroberfläche weit entfernt und entsprechend groß sind die Ausschläge, wenn das Schiff schaukelt. Hinzu kommt auch, dass solche Kameras ein gewisses Gewicht haben und jedes Kilo in der Mastspitze normalerweise mit fünf Kilo an der Kielunterkante ausgeglichen werden muss, um die Krängungseigenschaften des Bootes zu erhalten.
Umgekehrt ergibt es keinen Sinn, die Kamera am Bugkorb zu montieren. Zum einen könnte sie dann nicht in alle vier Himmelsrichtungen gucken, weil die Aufbauten des Schiffes nach achtern den Blick versperren würden. Zum anderen gäbe es Probleme bei höherem Seegang. Dann ist es nicht möglich, in der Ebene zu gucken, weil Wellen den Blick versperren.
Die Wahrheit liegt folglich dazwischen. Beispielsweise ist die Saling ein guter Montageort. Das ist hoch genug, um gut vorausschauen zu können, und gleichzeitig sind die Effekte durch Seegang nicht allzu stark. Außerdem erlaubt dieser Standort auch ein gelegentliches Abwaschen der Kamera mit Frischwasser, wenn sich Dreck auf der Linse angesammelt haben sollte.
Einen kleinen Nachteil hat auch dieser Standort. Zum einen ist der Mast beim Blick zu einer Seite im Weg und zum anderen ist beim Blick nach vorne das Vorstag bzw. die Vorsegel-Rollanlage im Bild.
Wichtig ist auch, dass die Kamera nur einwandfrei arbeitet, wenn sie eine komplett freie Sicht auf die zu scannenden Objekte hat. Das bedeutet auch, dass sie beispielsweise nicht hinter einer Glasscheibe sitzen darf.
Am Ende der Montage, die nebenbei bemerkt relativ einfach ist, weil außer der Stromversorgung für die Kamera normalerweise nur noch ein Datenkabel für die Kommunikation mit der Bedieneinheit benötigt wird, muss die Kamera ausgerichtet werden. Dies erfolgt über das Systemmenü. Andernfalls stimmt die Winkelanzeige nicht.
Automatische Objekterkennung (Clear Cruise)
Je nach Bedieneinheit und Hersteller gibt es eine Funktion, die sich „Clear Cruise“ nennt. Wenn die Funktion aktiviert wird, überwacht die Kamera vollautomatisch einen zuvor eingestellten Bereich.
Tauchen in diesem Bereich Objekte auf, die sich von der Wasseroberfläche bzw. dem Horizont temperaturtechnisch abheben, ertönt ein Signalton. Das ist insbesondere in dunklen Nächten von Interesse. Wenn ich selber mit bloßem Auge nichts mehr erkennen kann, übernimmt die Kamera die Überwachung der Umgebung. Erkannte Objekte werden markiert.
Auch hier gibt es auf Segelyachten eine kleine Herausforderung zu bewältigen. Die Kamera erkennt auch sämtliche Wanten, Stagen, Fallen oder Segel als Objekt. Das bedeutet, dass wie erwähnt beim Blick über den Bug die Vorsegel-Rollanlage im Bild ist. Daher rät Raymarine seinen Kunden bei einer Montage auf der Saling, die Kamera möglichst weit nach außen auf die Saling zu setzen. Bedingt durch den Diagonalblick von der Seite kann dann trotzdem der Bereich vor dem Bug überwacht werden – auch dann, wenn das Vorsegel gerade eben aus dem Bild geschwenkt wurde.
Die Nutzung in kalten Regionen
Wer eine Reise in eine Region mit kalten Temperaturen plant, sollte bei der Anschaffung der Kamera darauf achten, dass diese über eine eingebaute Heizung verfügt. Andernfalls kann die Kamera beschlagen oder gar mit Schnee oder Eis überzogen sein. Wäre sie in so einem Fall nicht beheizbar, wäre sie vorübergehend nutzlos.
Gerade in kalten Regionen ist es extrem wichtig, dass ich mich auf die Kamera verlassen kann. Mit ihrer Hilfe ist es beispielsweise möglich, treibende Eisstücke – sogenannte Grawler – frühzeitig zu erkennen.
Fazit
Eine Wärmebildkamera kann an Bord einer Fahrtenyacht eine echte Bereicherung sein, vor allen Dingen, wenn viele Nachtfahrten unternommen werden. Dann ist die Kamera das Auge der Crew und liefert wichtige Informationen über die Umgebung, die mit bloßem Auge so meistens nicht zu erkennen sind.
Mehr noch: Objekte, die ein schwaches oder gar kein Radarecho haben, wie beispielsweise Fischerbojen, können mit der Wärmebildkamera gesehen werden. Das kann in der Form kein anderes System leisten.
Hinweis: Die Aufnahmen im Artikel wurden mit einer FLIR M200 von Raymarine erstellt.
interesssant. Sind dafür eigentlich die “Werkstatthandies” mit Infrarot-Kamera auch brauchbar? Die wären nämlich sogar noch stoss- und wassericht.
Ein spannender Artikel. Ich frage mich, ob das etwas für unsere Schiff ist. Wir fahren eine Sirius 35 DS mehr Informationen darüber, ab welcher Größe es überhaupt sinnvoll ist, so ein System einzubauen wären hilfreich.