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Andreas Medicus ist leidenschaftlicher Segler und geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Yacht-Versicherung Schomacker. Er kennt die Branche seit über 20 Jahren und hat diverse Chartertörns im Kielwasser. Außerdem ist er Eigner einer Fahrtensegelyacht vom Typ Forgus 35.
Kleiner Fehler – schnell passiert
Es war nur ein ganz kurzer Augenblick, nur eine kleine Unaufmerksamkeit des Skippers beim Törn durch die schwedischen Schären. Er wähnte sich sicher im Fahrwasser. Und dennoch passierte es: Es krachte, es knirschte – das Schiff setzte mit einem lauten Rums auf einem Felsen auf … Und nun? Was ist in einem solchen Schadenfall zu unternehmen, der hier exemplarisch für viele mögliche Havarien auf See oder im Hafen steht?
Einen ruhigen Kopf bewahren
Zunächst einmal ist es ratsam, einen ruhigen Kopf zu bewahren – gleichwohl das in so einer Situation natürlich nicht immer einfach ist. Dazu gehört auch, sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Und es gilt: Der Schaden sollte so gering wie möglich gehalten werden. Bezogen auf das vorstehende Beispiel würde das bedeuten, sofort Maßnahmen zu treffen, die einen Wassereinbruch minimieren, sofern die Yacht einen erlitten hat.
Im übertragenen Sinne kann man zum richtigen Verhalten sagen: Wenn der Eigner sich so verhält, als wäre er nicht versichert, kann er nichts falsch machen. Dann hält er den Schaden möglichst klein und sorgt automatisch für den ersten wichtigen Schritt zu einer reibungslosen Schadenabwicklung.
Umgehend die Versicherung informieren
Ab dem Moment, in dem Crew und Schiff in einer stabilen und erst einmal sicheren Situation sind, ist der zweite Schritt die umgehende Benachrichtigung des Versicherers, entweder per Telefon oder per E-Mail. Theoretisch ist die Schadenmeldung auch per Fax möglich, aber das ergibt an Bord einer Yacht meistens keinen Sinn 🙂
Hinweis: Unabhängig davon, ob die Yacht direkt bei einem Versicherer oder über einen Makler versichert wurde, benutze ich im Sinne des Leseflusses im Folgenden den Begriff „Versicherer“.
Die Meldung an den Versicherer sollte unabhängig von der Schuldfrage erfolgen. Im vorstehenden Fall spielt das keine Rolle. Relevant wird dieser Sachverhalt, wenn Dritte am Ereignis beteiligt sind. Etwa bei einer Kollision zwischen zwei Yachten. Denn auch wenn der Schaden offensichtlich von einer anderen Partei verursacht wurde (beispielsweise: Vorfahrtsregel missachtet), kann es später dazu kommen, dass Teile der Abwicklung nur über die eigene Yacht-Kasko-Versicherung gedeckt werden.
Sollte es zu solchen Schwierigkeiten mit dem Verursacher kommen, sitzen in den Schadenabteilungen seriöser Versicherer Fachleute, die helfen können. Dies gilt besonders bei Schadenfällen im Ausland. Bei Streitigkeiten kann der Schaden zunächst über die eigene Yacht-Kasko-Versicherung reguliert werden. Der Versicherer nimmt dann den Verursacher in Regress und zahlt im Erfolgsfall die Selbstbeteiligung sowie eine eventuelle Rückstufung des Schadenfreiheitsrabattes zurück.
Umgekehrt gilt: Sollte mit der eigenen Yacht ein Schaden an Dritten verursacht werden, kümmert sich der persönliche Ansprechpartner beim Versicherer um die Abwicklung und vor allem um die Abwehr eventueller unberechtigter Ansprüche – das ist ein wichtiger Service.
Die richtigen Informationen übermitteln
Zur Übermittlung der Informationen an den Versicherer gehören – insbesondere im Falle eines Auslandsaufenthalts – die aktuellen Kontaktdaten! Besonders hilfreich ist es für den Versicherer, wenn im Rahmen der Schadenmeldung detaillierte Fotos vom Schaden übersendet werden – sofern die Zeit und die Möglichkeit bestehen, diese zu erstellen (Fotos mit dem Smartphone reichen aus). Das erlaubt eine schnellere, bessere und zielführendere erste Einschätzung der Gesamtsituation.
Natürlich ist ein Schadenfall (leider) auch mit Papierkram verbunden. Eigner sollten alle geforderten Unterlagen zügig und vollständig einreichen – wie beschrieben im Idealfall mit Fotos. Außerdem helfen ausführliche Beschreibungen und Skizzen. Das beschleunigt die Schadenabwicklung häufig ungemein.
Ehrlich währt am längsten
Logischerweise ist es im Rahmen der Schadenmeldung wichtig, die Wahrheit zu beschreiben. Nur so kann der Schadenfall plausibel nachvollzogen werden. Kleinere Fehler oder Unaufmerksamkeiten sind menschlich, auch wenn es im ersten Moment unangenehm ist, den eigenen Fehler einzugestehen. Den Schadenhergang zu verändern oder Teile wegzulassen, kann im Zweifelsfall dazu führen, dass der Versicherer oder der Sachverständige die Beschädigungen nicht dem Schaden zuordnen können oder die Ursache infrage stellen. Damit ist keinem geholfen!
Das weitere Vorgehen festlegen
Gemeinsam mit dem persönlichen Ansprechpartner beim Versicherer erfolgt nun die Absprache über das weitere Vorgehen. Dies ist wichtig, damit nicht versehentlich vorschnell durch Skipper und Crew weitere Maßnahmen eingeleitet werden, die ein Versicherer im Nachhinein anders gesteuert hätte. Beispielsweise gilt es bei jeder Schadenmeldung zu beurteilen, ob es sinnvoll ist, sofort einen Sachverständigen hinzuziehen, oder ob Kostenvoranschläge erst einmal reichen.
Kommt es zu einem Ortstermin mit einem vom Versicherer beauftragten Sachverständigen, würde ich empfehlen, dabei zu sein. So können aufkommende Fragen direkt beantwortet und das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Beispielsweise könnte sich über eine nötige Überführung der Yacht oder auch die Auswahl der Reparaturwerft abgestimmt werden.
Meinungsverschiedenheiten zum Gutachten beilegen
Für den Fall, dass der Eigner dem Urteil des Gutachters, des vom Kasko-Versicherer beauftragten Sachverständigens, nicht zustimmt, gibt es die Möglichkeit des Sachverständigenverfahrens. Bei diesem Schritt besteht die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen: Hierzu benennt der Eigner einen weiteren Sachverständigen seiner Wahl. Beide Sachverständigen wählen gemeinsam einen Obmann, der den Fall prüft und eine Entscheidung trifft.
Mit Gutachten und Kostenvoranschlägen richtig umgehen
Weichen erstellte Gutachten und eingeholte Kostenvoranschläge voneinander ab, ist es wichtig, vor der Auftragserteilung für die Reparatur mit dem Versicherer Rücksprache zu halten. Dazu kann in der Regel wahlweise der Sachverständige oder der Versicherer angesprochen werden.
Das ist ein normaler Vorgang, da es nicht selten vorkommt, dass in der Werft noch weitere zunächst verdeckte Schäden auftauchen. Hier kann der Sachverständige meistens schnell klären, ob diese „neu entdeckten“ Schäden ein Teil des aktuellen Unfalles sind oder ob es sich womöglich um Vorschäden handelt.
Tipp: Eventuelle Vorschäden lassen sich oftmals durchaus sinnvoll „mitreparieren“. Wenn das Schiff für den Hauptschaden ohnehin gekrant wird, kann es sinnvoll sein, einen Vorschaden, für den auch gekrant werden müsste, gleich mit zu reparieren. Logischerweise ist der Vorschaden dann zwar von der Erstattung ausgenommen und muss vom Eigner selbst getragen werden, aber dafür entstehen normalerweise gute Synergien. Es ergibt nun mal kaum Sinn, zunächst für die Kasko-Versicherung einen Schaden zu reparieren und danach einen weiteren Altschaden noch einmal anzugehen.
Bei einer Bergung richtig handeln
Fordert der Skipper in einer Notsituation Berge- oder Schlepphilfe an, werden von seriösen Versicherern auch diese Kosten übernommen – selbst im Falle einer erfolglosen Rettung. Wichtig ist allerdings, dass die Notsituation den Skipper zwingt, diesen Schritt zu gehen, um Schaden sowohl von seiner Crew als auch von der Yacht abzuwenden.
Anders formuliert: Wird bei einer ungefährlichen Strandung Schlepphilfe angefordert, weil der Skipper bei einsetzendem Ebbstrom nicht bis zur nächsten Flut warten möchte, müssten diese Kosten selbstverständlich selbst übernommen werden. Schließlich bestand keine unmittelbare Gefahr!
Weiterhin ist eine Segelyacht bei Motorenausfall nicht automatisch manövrierunfähig. Hier sollte versucht werden, zumindest bis zur nächsten Hafeneinfahrt zu segeln und erst dann Schlepphilfe zu ordern.
Bei einer Bergung aus Seenot oder bei anderen Hilfeleistungen ist der wichtigste Grundsatz: Mit den bergenden Parteien keine festen Kosten aushandeln! International üblich ist auf See der sogenannte offene Vertrag, der da lautet:
no cure – no pay
Kurzum: Gibt es keinen Erfolg, gibt es keine Bezahlung. Als Lloyds Open Form ist dieser Vertrag international gebräuchlich, ohne explizite Aussage zum Umfang der Vergütung. Deren Höhe wird im Anschluss der Rettung festgesetzt. Ursprünglich wurde diese Form des Vertrages entwickelt, um Rettungen nicht durch Verhandlungen zu verzögern.
Wenn möglich, sollte im Gespräch Wert darauf gelegt werden, um Schlepphilfe (towing assistance) und nicht um Bergung (salvage) zu bitten.
Vor allem sollten nach Möglichkeit keine Auskünfte zum Schiffswert gegeben werden, da einige private „Bergungsunternehmen“ gerne sehr übereifrig „hilfsbereit“ agieren. Sie berechnen die Höhe der Bergungskosten nach dem Wert der Yacht und nicht nach dem tatsächlichen Aufwand. Yachteigner sollten dem Bergungsunternehmen daher nur die Policennummer der Versicherung und die Telefonnummer des Versicherers aushändigen. Auf keinen Fall sollten die Policen oder Kopien davon weitergegeben werden!
Und ganz wichtig: Wenn irgend möglich sollten alle Verhandlungen über die Höhe der Bergungskosten dem Versicherer überlassen werden! Hier sitzen Mitarbeiter mit viel Erfahrung in diesem Geschäftsfeld.
Tipp: Im Falle von Sinken, Stranden oder ähnlichen Schadenereignissen können Behörden eine schnelle Bergung der Yacht anordnen, wenn beispielsweise Schifffahrtswege blockiert werden. Daher ist es wichtig, dass solche Bergungskosten in den Yacht-Kaskoversicherungsbedingungen eingeschlossen sind, und zwar zusätzlich zur vereinbarten Versicherungssumme.
Im Zweifel einen Schaden melden
Das ist ein wichtiger Punkt, der gerne unterschätzt wird. Jeder Schaden sollte sicherheitshalber gemeldet werden. Viele vermeintliche Kleinigkeiten werden oftmals nicht als relevanter Kaskoschaden erkannt, und das eigentliche Schadenausmaß tritt erst später zu Tage.
Nehmen wir das eingangs beschriebene Ereignis. Bange Sekunden vergehen, bis das Schiff schließlich wie von Geisterhand wieder vom Stein rutscht. Glücklicherweise war die Geschwindigkeit beim Aufprall mit zwei Knoten nicht sonderlich hoch und außerdem ist im Schiff kein Wassereinbruch zu finden. Schwein gehabt! So bleiben vermutlich nur ein paar Schrammen am Unterwasserschiff zurück. Der erste Schock ist verdaut. Eine Meldung an den Versicherer findet nicht statt, da man augenscheinlich mit dem Schrecken davon gekommen ist. Beim Kranen am Ende der Saison wird allerdings plötzlich klar, dass doch ein größerer Schaden an der Kielaufhängung entstanden ist.
Das führt dazu, dass der Schaden dem Versicherer viel zu spät gemeldet wird und der ganze Vorgang sehr viel schwerer nachvollziehbar wird. Viel besser wäre eine vorsorgliche Meldung im Moment des Auflaufens. Solch eine Meldung ist präventiv und kann selbstverständlich zurückgezogen werden, wenn sich der Schaden als kleiner als erwartet herausstellt. Dann wird weder der Schadenfreiheitsrabatt gemindert, noch die Selbstbeteiligung einbehalten. Allerdings ist der Kaskoversicherer informiert und kann entsprechend reagieren. Dieser Punkt sollte nicht unterschätzt werden.
Fazit
Wer die vorstehenden Punkte beherzigt, trägt enorm zu einer für beide Seiten erfreulichen Schadenabwicklung bei. Eines ist dabei unerlässlich, das hat meine langjährige Erfahrung in dieser Branche gezeigt:
Im Schadenfall ist es unerlässlich, miteinander zu kommunizieren!
Viele Fragen lassen sich oft schon schnell am Telefon klären, und auch die Sachverständigen stehen bei Rückfragen zur Verfügung. Dabei gilt für alle Seiten, sich an entsprechende Absprachen zu halten und bei eventuellen Problemen ehrlich und offen miteinander zu sprechen. In diesem Sinne: Mast- und Schotbruch 😉
Unter www.schomacker.de sind weitere Hinweise zum Verhalten im Schadenfall zu finden.