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Weltumsegler Fritze von Berswordt ist Strategieberater und gibt wertvolle Tipps zur Sicherheit und der zugehörigen Ausrüstung beim Törn in der Karibik.
Karibik ohne Sorge vor Kriminalität/Piraterie
Die Transatlantik-Saison hat begonnen und ist wie jedes Jahr der erste große Schritt für karibische Saisonfahrer und Weltumsegler-Crews. Während bei Skipper und Crew die Prioritäten auf Navigation, Seetauglichkeit, Proviant und Sicherheit der Passage liegen, ist die erste von Freunden und Familie gestellte Frage nicht selten die nach Piraterie und Überfällen. Spontan denken wir bei dem Thema eher an den Golf von Aden, den Golf von Guinea und an Asien. Doch auch die Karibik wartet mit jährlich etwa 100 berichteten Angriffen gegen Yachten auf.
Ich möchte daher an dieser Stelle einen faktenbasierten Überblick über die Situation vor Ort und einen für BLAUWASSER.DE exklusiven Auszug aus der Studie „Cruising Yacht Securtiy“ und dem Buch „The Complete Yacht Security Handbook“ geben. Auf Basis von über 370 untersuchten Angriffen auf Yachten weltweit werden wirkungsvolle Taktiken zur Vermeidung und Abwehr von Aktivitäten wie Diebstahl, Einbruch und Raubüberfall im Folgenden vermittelt.
Sehnsuchtsziel Karibik
Die gute Nachricht zuerst: Die Karibik ist ein weitgehend sicheres Revier. Die Anzahl der gemeldeten Überfälle hält sich in den letzten Jahren relativ stabil. In den allermeisten Fällen handelt es sich um Diebstahl und Einbruch. Vereinzelt werden Raubüberfälle gemeldet. Piraterie (Überfälle auf Schiffe in internationalen Gewässern) kommen nur vereinzelt und in dafür bereits bekannten Seegebieten vor.
Skipper und Crews sollten sich also nicht verunsichern lassen. Denn mit wenigen einfachen Regeln und einigen sinnvollen Ausrüstungsgegenständen kann man ohne Sorge auch die einsamsten Küsten entdecken und entspannt die wahre Karibik genießen.
Die aktuellen Hotspots der Karibik
Ein Blick auf die berichteten Angriffe der Jahre 2017 und 2018 zeigt, wo Yachten die höchsten Risiken drohen. Festgehalten wurden Angriffe im Zeitraum Januar 2017 bis Oktober 2018 in der Studie „Yacht Security 2018“. Die folgende Grafik zeigt die Ergebnisse:
Fahrtgebiete und Angriffe beim Landgang – Quelle: Studie Yacht Security 2018.
Skipper sollten berücksichtigen, dass sich die Qualität der Angriffe (etwa Diebstahl vom Wasser aus, Enterung oder Raub mit Gewaltandrohung) regional stark unterscheidet. So werden aus San Blas (Kuna Yala) in Panama des Öfteren Diebstähle gemeldet, aber in allen Fällen handelt es sich um Ausrüstung, die vom Wasser aus von Deck oder der Reling erbeutet wurde, ohne dass es zum Borden (Entern) oder gar zu einer Konfrontation kam.
Auf der Insel St. Vincent in den Windward Islands hingegen wird dagegen oft das Deck betreten. Damit steigt für die Crew die Wahrscheinlichkeit einer Konfrontation.
St. Lucia ist eine Problemregion.
St. Lucia ist weiterhin eine Problemregion: Die Insel führt die Statistik fast jedes Jahr bei Diebstählen an, gleichzeitig kommt es vergleichsweise oft zu Einbrüchen und auch Raubüberfällen. St. Vincent folgt an zweiter Stelle. Aus Honduras, Kolumbien, Guatemala und der Dominikanischen Republik wurde ebenfalls ein hoher Anteil von Raubüberfällen gemeldet. Berücksichtigt man Häufigkeit und Schweregrad sind St. Lucia, St. Vincent und die letztgenannte Gruppe im Verhältnis zu anderen Karibikregionen die problematischsten.
Mitgeführte Waffen, exkl. Angriffe an Land – Quelle: Studie Yacht Security 2018.
Aus den aktuellen Daten, der aktuellen Gesamtsituation in den Ländern und den eigenen Erfahrungen ist meine Empfehlung, in der kommenden Saison einen Besuch der Küsten von Guatemala und Honduras sehr genau abzuwägen. Kolumbien ist in den Marinas sicher – insbesondere die Hafenstadt Cartagena ist ein beliebtes Ziel bei den Blauwasserseglern. An einsamen Ankerplätzen hingegen sollte man Vorsicht walten lassen.
Die Hafenstadt Cartagena ist ein beliebtes Ziel bei Blauwasserseglern.
Ein Besuch von Venezuela ist zurzeit besser zu vermeiden, die Bevölkerung leidet erheblich unter der wirtschaftlichen Lage. Selbst in besseren Zeiten ist es immer wieder zu sehr gewaltsamen Übergriffen auch mit Todesfolge gekommen.
Die Passagen über die Gorda Banks (Honduras/Nicaragua – etwa 14° 45′ N und 082° 30′ W) sollte in der nächsten Zeit besser vermieden oder zumindest im Konvoy und nachts unternommen werden. Hier hat es in den letzten Jahren wiederholt Fälle von echter Piraterie gegeben.
Vor einer Passage zwischen Grenada und Trinidad/Tobago sollte man die Küstenwache von Trinidad/Tobago über die Pläne und Route informieren. Am besten sendet man nachstehendes PDF ausgefüllt als Reiseplan an ttcgops@gmail.com
Reiseplan für die Passage nach Trinidad/Tobago (Float Plan)
Honduras
Gut vorbereitet kann man St. Vincent, St. Lucia, Panama (vor allem die Karibik-Küste, mehr Vorsicht ist an der Pazifikküste geboten) und Grenada besuchen. Skipper sollten kurzfristig prüfen, wie sich die Lage im Fahrtgebiet entwickelt hat. Gute Quellen hierfür findet man hier – insbesondere Noonsite und das CSSN sind diesbezüglich zu empfehlen.
Nicht jede Häufung von Diebstählen muss vor einem Besuch abschrecken. Wenn es im Zielgebiet aber kurzfristig zu Raubüberfällen und Schusswaffeneinsatz ohne spätere Festnahme der Täter gekommen ist, sollte man sich eine Änderung des Törnplans ernsthaft überlegen.
Wer eine eher schwierige Region trotz mäßiger Ausrüstung und Vorbereitung trotzdem besuchen möchte, hat immer noch die Möglichkeit, die Nächte in einer Marina zu verbringen. Während mehr als drei Viertel aller Übergriffe in der Karibik vor Anker und an Bojen stattfanden, waren Marinas in allen Gebieten der Karibik fast so sicher wie in der Ostsee.
Yachtsituation während des Angriffs – Quelle: Studie Yacht Security 2018.
Alle anderen Gebiete der Karibik sind im Grunde so sicher wie eine europäische Großstadt: Mit gesundem Menschenverstand und einem entsprechenden Maß an Umsicht kann man das Blauwasser-Leben hier unbeschwert genießen.
Auch für die weitgehend unproblematischen Gebiete gilt ein Mindestmaß an Vorsicht: Das Deck wird am Abend klar gemacht, Luken und Niedergänge werden verschlossen und das Dingi wird jede Nacht an Bord geholt und mit Kette sowie gutem Vorhängeschloss gesichert.
Hilfreiche Routinen in schwierigeren Gewässern
Mit drei einfachen Regeln, einigen wirkungsvollen Ausrüstungsgegenständen und einer guten Taktik zur Vermeidung und Abwehr von Angriffen ist ein Besuch auch der schwierigeren Küsten der Karibik ein kalkulierbares Risiko. Erwarten uns Segler doch gerade hier die authentischsten Begegnungen und weitgehend unverfälschter Karibik-Vibe.
Der beste Weg, nicht angegriffen zu werden, ist es, ein unattraktives Ziel abzugeben. Drei einfache Regeln helfen, Angriffe zu vermeiden und eine erfolgreiche Abwehr zu unterstützen. Wenn sie jede Nacht befolgt werden, ist die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs fast auf null reduziert.
Regel 1: klares Deck, klare Bordwand
Die Crew entfernt alle Gegenstände von Deck und von der Reling. Man sollte beachten, dass für uns scheinbar wenig attraktive Gegenstände wie Taue, T-Shirts und Shorts in der Karibik als wertvolle Beute betrachtet werden. Von der Reling hängende Wäsche oder Fender sind eine Einladung zum Gelegenheitsdiebstahl.
Unklare Reling und unklares Deck laden zum Diebstahl ein.
Die komplette Ausrüstung sollte entweder gesichert oder unter Deck beziehungsweise in Backskisten unter Verschluss liegen. Ein klares Deck verbirgt Werte und verringert schon dadurch die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs. Zur gleichen Zeit werden nachts Geräusche vermieden und die Crew wird ruhiger schlafen.
Regel 2: Dingi aus dem Wasser und sichern
In fast der Hälfte aller Angriffe in der Karibik waren Dingi und Außenbordmotor das Ziel der Kriminellen. Wegen des hohen Wertes und der Wichtigkeit des Beiboots für Ankerlieger sollte die Crew an dieser Stelle keine Kompromisse machen.
Nachts gilt: Nur ein Dingi, das nicht im Wasser liegt, ist ein sicheres Dingi. Auch wenn es nach dem Sundowner mit leichtem Kopf und müden Händen schwerfällt – die Arbeit lohnt sich. Um die letzten Risiken auszuschließen ist das Beiboot zudem mit einer Kette und einem hochwertigen Vorhängeschloss an Bord zu sichern. Der Motor wird entweder mit einem Knebelschloss fixiert oder mit einer Kette am Dingi befestigt. Jede andere Konfiguration bedeutet eine deutliche Erhöhung der Verlustwahrscheinlichkeit.
Dieses Dingi wurde aus dem Wasser genommen.
Ein Beiboot, das über Nacht ungesichert im Wasser gelassen wird, ist so gut wie verschenkt. Die häufig verwendeten Stahlkabel reichen heute nicht mehr aus. Eine Vielzahl von Opfern berichtet, dass Edelstahlkabel – auch solche von Markenherstellern – in Regionen wie St. Lucia und den französischen Antillen durchtrennt wurden. Halbwegs organisierte Diebe führen dazu Bolzenschneider mit. Wenn das Dingi im Wasser bleiben muss, sollte es mit einer Edelstahlkette und Vorhängeschloss an der Yacht fixiert werden. Diese sind mit herkömmlichem Werkzeug aus einem Boot heraus schwierig zu trennen.
Neben der Erreichbarkeit für mögliche Kriminelle hat das Dingi im Wasser einen weiteren Nachteil. In vielen Wetter- und Strömungssituationen schlägt das Beiboot nachts gegen die Yacht. Solche Geräusche stören die schlafende Crew und verschleiern die Laute von möglicherweise bordenden Kriminellen.
Regel 3: Luken, Niedergang und Salontür verschlossen oder gesichert
Die Versuchung, durch offene Luken eine kühle Brise in die von tropischer Sonne aufgeheizte Yacht zu lassen, ist groß. Aber Luken und Niedergang sollten gesichert sein. Die meisten gemeldeten Einbrüche und Raubüberfälle waren nur erfolgreich, weil die Crews den Angreifern sprichwörtlich Tür und Tor geöffnet hatten.
Einbrechern gelingt es auf diesem Weg, lautlos ins Boot einzudringen und Wertgegenstände zu erbeuten. Die Crew bemerkte in solchen Fällen den Verlust erst am nächsten Morgen. Nicht wenige Opfer von Raubüberfällen sind mit dem Messer an der Kehle in ihrer Koje aufgewacht – ohne Chance, Hilfe zu rufen oder sich zu wehren.
Sind Luken und Eingänge verschlossen, kann die Crew nicht überrascht werden.
Sind Luken und Eingänge dagegen verschlossen, kann die Crew nicht überrascht werden. Sie hat alle Möglichkeiten, in Ruhe zu entscheiden: Hilfe per Funk rufen, mit Licht und Sirene auf sich aufmerksam machen oder zur Not die Täter zu konfrontieren.
Um trotzdem eine kühle Nacht zu haben, bieten sich zwei Möglichkeiten an: Zum einen kann durch Ventilatoren oder gar eine Klimaanlage (sicherlich ist das eine Frage des Energiemanagements am Ankerplatz) bei geschlossenen Luken gekühlt werden. Zum anderen kann man viele moderne Luken in Kippstellung verriegeln, einstiegssichere Dorade-Lüfter zum Einsatz bringen oder die Öffnungen mit Gitterstäben versperren. Letztere sind besonders hilfreich, da die Luken weit offengelassen werden können, ohne dass sich ein ungebetener Gast unbemerkt Zutritt verschaffen kann. Die Crew sollte beim Einsatz beachten, dass die Barrieren im Brandfall oder bei Wassereinbruch einfach von innen geöffnet werden können.
Dorade-Lüfter sind einstiegssicher.
Bewährte Sicherheitsausrüstung
Eine Investition in wenige wirkungsvolle Ausrüstungsgegenstände können in der Karibik wertvolle Dienste leisten. Im Vordergrund steht Equipment, das Diebstahl oder Angriffe möglichst verhindert, bevor es ernst wird. Die folgende Liste gibt einen kurzen Überblick über die nützlichste Ausrüstung für die Karibik.
Dingi-Sicherung
Eine effektive Dingi-Sicherung besteht aus einer Edelstahl-Kette und einem Vorhängeschloss. Die Kette sollte eine Stärke von mindestens 5 Millimeter haben, so kann sie auch am Steg kaum mit einem kleinen Bolzenschneider durchtrennt werden. Sie sollte mindestens vier Meter lang sein, damit man sie um größere Pfähle legen kann und trotzdem genug Länge zum Verschieben des Tenders im Wasser bleibt. So können auch andere Boote am Steg festmachen. Wenn man auch den Motor mit der Kette sicher will, muss die notwendige Zusatzlänge einkalkuliert werden.
An der Pier gesichertes Dingi
Ketten mit einem quadratischen Querschnitt sind etwas schwerer zu durchtrennen als die üblichen mit rundem Profil. Damit die lange, schwere Kette in Fahrt durch Wellengang nicht unkontrolliert im Dingi umherrutscht, haben viele Langfahrer einen Plastikkorb an Bord, um sie während der Fahrt dort zu lagern.
Das optimale Vorhängeschloss schützt seinen Bügel durch ein hochgezogenes Gehäuse vor Angriffen mit dem Bolzenschneider. Es ist rostfest und im besten Falle wasserdicht.
Außenborder-Sicherung
Eine der besten Außenborder-Fixierungen sind sog. Knebelschlösser. Sie werden über die Knebel der Schrauben, mit denen der Motor am Rumpf des Dingis befestigt wird, geschoben und durch ein Zylinderschloss gesperrt.
Knebelschloss für den Außenborder. Foto: Hersteller Osculati.
Alternativ kann man den Außenborder auch mit einer Kette am Rumpf des Beiboots befestigen. Hierzu nutzt man die Sicherungsöse am Motor und das stärkste Vorhängeschloss, das in die Öse passt. Die beiden Knebel mit einem Vorhängeschloss zusammenzuschließen, ist keine sichere Lösung: Die Knebel sind bei vielen Motoren aus Kunststoff. Daher kann das Schloss leicht aus den Knebeln geschlagen werden.
Niedergangsicherung
Ein offener Niedergang ist, neben offenen Luken, der am häufigsten genannte Grund, warum Räuber eine Crew im Schlaf überraschen konnten. Eine einfache Sicherung mit einem Edelstahlgitter lässt Luft ins Boot und hält ungebetene Besucher draußen.
Improvisierte Niedergangsicherung. Foto: www.atomvoyages.com.
Ausrüstung zur Alarmierung
Da es sich bei den meisten Angriffen in der Karibik um Diebstahl und Einbruch handelt, ist die Alarmierung eine wirksame Gegenmaßnahme. Denn sowohl Diebe wie auch Einbrecher wollen unerkannt bleiben. Konfrontationen gehen sie aus dem Weg. Für alle Beteiligten ein wünschenswerter Ausgang eines Angriffs.
Kleine Kompaktalarmanlagen mit Funkfernbedienung leisten hier gute Arbeit. Es gibt sie im Elektronikversand. Je nach Yacht-Layout stellt man sie ins Cockpit oder an das Salonfenster, um die Zugänge zum Niedergang oder Salon zu sichern. Bei Bewegungen im Überwachungsbereich weckt eine laute Sirene selbst die Tiefschläfer der Crew und vertreibt die meisten Einbrecher und Diebe.
Exemplarische Anordnung von Alarmanlagen mit Bewegungssensor.
Signalhörner am Mast, Presslufthörner oder einfache, mit der Atemluft betriebene Signalhörner sind ebenfalls sehr effektiv: Diese Geräte verschrecken Angreifer und lenken die Aufmerksamkeit der Küstengemeinde und Ankernachbarn auf das eigene Boot.
In einigen Fällen gelang es Crews, Border mit vertikalen Schüssen roter Signalraketen durch eine kurz geöffnete Luke zu vertreiben. Vorsicht: Einige Modelle stoßen beim Auslösen heiße Gase und Plastikteile am unteren Ende aus. Hiermit kann man sich in der Hitze der Situation selbst verletzen und im schlimmsten Fall seine Koje in Brand setzen. Ein Blick auf das Etikett der Raketen bringt Klarheit über deren Funktionsweise.
Ausrüstung zur Verteidigung
Vermeidet man in der Karibik die aktuellen Hotspots, in denen Segler wiederholt bewaffnet angegriffen wurden, benötigt man selbst keine Waffen. Wer dennoch darauf vorbereitet sein will, mögliche Diebe, Einbrecher oder Räuber von Bord zu jagen, kann sich entsprechend ausrüsten.
Das beste legale Mittel zur Verteidigung an Bord einer ankernden Yacht ist nach unserer Erfahrung eine gut dimensionierte Dose Pfefferspray. Die Varianten mit einem Strahl sind auch bei etwas Wind noch recht zielgenau und man vermeidet, vom eigenen Sprühnebel verletzt zu werden.
Varianten von Pfefferspray; der Strahl ist optimal auf Schiffen.
Dosen mit einem Fassungsvermögen von 100ml haben sich als guter Kompromiss zwischen Handlichkeit und Einsatzlänge erwiesen. Die Wirkung tritt beim Angreifer sofort ein. Die meisten Kriminellen werden unverzüglich kampfunfähig und können leicht über Bord gebracht werden. Durch die Reichweite von drei bis fünf Metern ist das Pfefferspray auch den meisten Knüppeln, Messern und Macheten überlegen, ohne dass man selbst nachhaltige Verletzungen oder gar den Tod herbeiführt.
Piraten an Bord: Verhalten bei ungebetenen Gästen
Die Auswertung von über 350 Angriffen auf Yachten führte zu einem überraschenden Ergebnis: Widerstand der Crew gegen Diebe, Einbrecher und Räuber hat die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges der Kriminellen dramatisch verringert. Zur gleichen Zeit steigt das Risiko der Crew verletzt zu werden nicht nennenswert an.
Einer der Gründe liegt darin, dass die meisten Angreifer Einbrecher und Diebe waren. Sie ergreifen mit großer Wahrscheinlichkeit bei Entdeckung und Konfrontation die Flucht. Weil sie Verstecke und Wertsachen erpressen wollten, verletzten Räuber dagegen in vielen Fällen auch Crews, die sich bereits ohne Widerstand ergeben hatten. Da in der Karibik, vor allem außerhalb der kriminellen Hotspots, ein Angriff von Räubern sehr selten ist, kann die Crew dort fast immer davon ausgehen, dass es sich bei ungebetenen Gästen um wenig gewaltbereite Vertreter handelt. Widerstand ist in solchen Situationen nicht zwecklos.
Die folgende Abfolge nach der Entdeckung von Bordern hat sich in vielen berichteten Fällen als erfolgreich erwiesen.
Ablauf von erfolgreicher Abwehr (Quelle: Studie Yacht Security 2018).
Der erste Schritt ist immer ein kurzes Auskundschaften aus sicherer Position. Die Crew muss herausfinden, wie viele Angreifer teilnehmen, ihre körperliche Stärke, wie sie bewaffnet sind und wo sie sich an Bord befinden. Mehr als zwei Angreifer sind ein starker Hinweis auf einen Raubüberfall – und damit potenziell routinierte und gewaltbereite Kriminelle. Einzeltäter und Zweierteams waren in der Vergangenheit fast ausschließlich leicht zu vertreibende Diebe oder Einbrecher. Sind die Kriminellen bewaffnet, muss die Crew entscheiden, ob sie das Risiko einer Konfrontation eingehen will, da die eigene Verletzungsgefahr unverhältnismäßig hoch werden kann.
In jedem Fall sollte nach der kurzen Beobachtung mit allen Mitteln Alarm gegeben werden. Hier gilt: kein falsches Zaudern. Die Crew muss mit allen Mitteln, die ihr unter Deck (oder durch eine kurzzeitig geöffnete Luke) zur Verfügung stehen, Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Im vielen Fällen wurden auf diese Weise Angreifer bereits vertrieben. Das galt besonders in Ankerfeldern mit Nachbarn, die näher als 50 Meter liegen und bei Ankerplätzen nahe einer bewohnten Küste. Optionen sind hier Signalhörner, Glockenschläge, ein DSC Mayday-Ruf, Flutlichter und Leuchtraketen.
Das DSC-Mayday-Ruf-Menü einer UKW-Seefunke
Entscheidet man sich für eine Konfrontation, sollte man darauf achten, dass man die Initiative hat und aus einer Situation agiert, in der man selbst Abfolge, Geschwindigkeit und Richtung des Geschehens steuern kann. Kann man die Eindringlinge überraschen, sind sie deutlich schlechter bewaffnet beziehungsweise in der Unterzahl, hat man eher die Initiative.
Eine Gegenwehr ohne Initiative ist eine sehr riskante Angelegenheit
Sucht die Crew die Konfrontation, gilt es, mit äußerster Offensive zügig und kontrolliert auf die Kriminellen zuzugehen. Schreien Sie bei der Annäherung ohne Unterlass aus voller Lunge, drohen Sie mit gegebenenfalls improvisierten Waffen und verlangen Sie, möglichst in einer von den Angreifern verstandenen Sprache, dass sie verschwinden sollen. Wenn Pfefferspray an Bord ist, wird es eingesetzt, sobald man in Reichweite ist. Die Situation sollte nicht für Diskussionen oder ähnliches genutzt werden. Das Ziel ist erst erreicht, wenn die Angreifer im Wasser sind.
Im Rahmen einer Konfrontation muss trotz aller Aufregung unbedingt maßvoll vorgegangen werden. Kriminelle dürfen nur in Notwehr verletzt werden. Der tatsächliche Einsatz von Waffen muss auch gegen Border im Verhältnis stehen. Wer einen unbewaffneten Einbrecher mit einer Machete schwer verletzt oder gar tötet, wird zukünftig weder vor dem Richter noch beim morgendlichen Blick in den Spiegel große Freude haben. Wenn der kriminelle Angriff abgebrochen wurde und die Täter die Flucht ergreifen, sind alle weiteren aggressiven Aktionen abzubrechen.
Fazit
Ich möchte hier keine Angst machen, sondern vielmehr für potentielle Gefahren sensibilisieren. Die Karibik ist ein wunderbares Revier und tausende Crews segeln dort Jahr für Jahr auf der Sonnenseite des Lebens. Auch wenn ich vorstehend einige unschöne Szenarien skizziert habe, sind dramatische Ausgänge glücklicherweise bei einem Karibikaufenthalt die große Ausnahme. Gut vorbereitete Crews mit klarem Deck, verschlossenen Luken und dem nachts gesicherten Dingi werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ganz ohne Kontakt zu Kriminellen ihren Törn genießen und nachhaltig positiv in Erinnerung behalten.
Weitere Infos auch unter: www.yacht-security.com
Buch-Tipp der Redaktion
Mehr zur erforderlichen Ausrüstung, den richtigen Taktiken und wertvollen Planungshilfen für die Sicherheit auf weltweiter Fahrt – auch durch Gewässer die von Piraten heimgesucht werden – hat der Auto im Buch „The Complete Yacht Security Handbook“ zusammengetragen. Es ist in englischer Sprache verfasst.
Splitternackt, laut schreiend und einen Baseballschläger oder eine Machete schwingend vertreibt die Einbrecher sehr wirkungsvoll 🙂
Hallo Rudy, das hängt natürlich sehr davon ab, was man so nackt so auf die Bühne bringt. Bewunderung oder süffisantes Lächeln: Jede Reaktion der Kriminellen ist möglich ;-). Wegen der üblicherweise nächtlich erfolgenden Angriffe und des warmen Klimas in vielen Segelrevieren gibt es tatsächlich Berichte von erfolgreicher, leichtbekleideter Gegenwehr. Den meisten Angegriffenen ist es in der Situation egal, wie sie gekleidet sind. Manche finden die Idee nackt überwältigt und gefesselt unter der Kontrolle von Räubern zu enden noch weniger charmant als während einer Konfrontation neben der Machete noch so manch anderes Körperteil zu schwingen :-). Wir hatten die von Dir… Mehr lesen »
Ich habe eine Frage zur Statistik Diebstahl “vor Anker” vs. “In der Marina”: Der überwiegende Teil aller Schiffe in der Karibik sind vor Anker und nicht in einer Marina. Wurde das berücksichtigt oder ist das einfach die Gesammtanzahl der gemeldeten Fälle? Damit wäre die Statistik nicht sehr aussagefähig?
Handbreit!
Ich habe eine blöde Frage… Wodurch ziehe ich beim Dingi denn das Schloss? Die Gummischlaufen (wie im Bild) können ja einfach durchgeschnitten werden, oder?
Viele Grüße
Christina
http://serenity-sailing.de