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Michael ist seit über 20 Jahren als Journalist und Fotograf auf dem Wasser tätig. Der studierte Geograf hat weltweit Reisereportagen in mehr als 100 Charter- und Blauwasserrevieren produziert. Zudem haben den Hamburger viele Segelreisen und seine frühere Tätigkeit als Charter- und Überführungsskipper rund um den Globus geführt. Zusammen mit Sönke Roever ist er die treibende Kraft von BLAUWASSER.DE und ein beliebter Referent auf Bootsmessen und diversen Seminaren (siehe Termine).
Kabinencharter ist die vermutlich komfortabelste Möglichkeit, auf einer Yacht ohne Segelkenntnisse segeln zu gehen
Auf den Steganlagen der Marina Alimos herrscht Hochbetrieb. Der Yachthafen im Zentrum von Athen ist der größte der Stadt und das Epizentrum des maritimen Tourismus Griechenlands. Heute ist Samstag und damit Crewwechsel auf vielen hundert Charteryachten. Handwerker, Reinigungspersonal, Proviantlieferanten und Segler mit Koffern und Taschen wuseln über die Stege und Hafenanlagen.
Auch auf der MARMAR, einem Katamaran mit vier Doppelkabinen für Gäste, wird mit Hochdruck an den letzten Vorbereitungen für den Empfang der neuen Gäste gearbeitet. Skipper Jack aus England schnallt das gelieferte SUP an die Reling, Hostess Emma aus Frankreich verstaut eine Kleinbusladung an Verpflegung in Schränke und Schubladen. Während ein Taucher eine Reparatur an der Schraube überprüft, erreichen die Gäste den Liegeplatz auf Steg Nummer neun. Ruth (51) und Craig (48) aus Schottland, Laurence (60) und Christophe (56) aus Frankreich, dazu Valeria (45) und Luca (43) aus Italien.
Kabinencharter ist im Trend, das Publikum stets international
Die Reise auf dem Katamaran vom Typ Lagoon 450 wird veranstaltet von GlobeSailor. Der europaweit agierende Vermittler von Charteryachten mit Sitz in Frankreich bietet seit 2018 auch eigene Kabinencharterreisen an. „Auf diesen Reisen kommen unsere Gäste aus ganz Europa und manchmal sogar aus der ganzen Welt, die Buchungen aus dem D-A-CH-Raum machten 2022 etwa 13 Prozent aus – Tendenz steigend“, sagt Kirsten Richarz, Managerin von GlobeSailor für den deutschsprachigen Raum.
Das Produkt Kabinencharter ist weltweit ein Erfolgsmodell, kein anderes Segment hat im Yachtcharterbereich derartige Zuwachsraten. Das Prinzip ist schnell erklärt: Ein Skipper und eine Hostess bilden die Crew der Segelyacht, fast immer übrigens ein Katamaran zwischen 14 und 19 Meter Länge (mit Platz für vier bis sechs Doppelkabinen). Im Preis inklusive sind neben der Kabine und dem Bordpersonal auch alle Nebenkosten wie Treibstoff, Hafengebühren und alle im Programm enthaltenden Mahlzeiten. Oft wird aber noch eine Bordkasse vor Ort fällig, die insbesondere separat abzuführende Steuern und Abgaben abdeckt.
Mittlerweile gibt es dutzende Firmen, die in allen bekannten Segelrevieren der Welt derartige Reisen veranstalten. Die einzelnen Kabinen werden über Vermittler wie Reisebüros oder Charteragenturen angeboten und die internationalen Gäste sind zum größten Teil Paare. „Neben unserem eigenen Produkt in Griechenland bieten wir unseren Kunden auch die Reisen unserer Partner an“, sagt Kirsten Richarz, „sehr beliebt sind Ziele wie die Seychellen und Malediven, die Karibik, Kroatien und Sardinen.“
Einsteigen, kennenlernen, ablegen – beim Kabinencharter ist der Gast König
An Bord der MARMAR beginnen gleich nach dem Boarding die Vorbereitungen für die Abfahrt. Jedes Gästepaar bezieht seine Kabine mit Doppelbett, zu der auch eine eigene Nasszelle mit Toilette und Dusche gehört. Für Yachtverhältnisse sind das auf einem Katamaran sehr großzügige Räumlichkeiten, trotzdem aber kein Vergleich zu Hotelzimmern oder Kabinen auf Kreuzfahrtschiffen. „Die Kabine ist viel größer, als ich erwartet hatte, und sehr gemütlich“, sagt Laurence aus der Nähe von Dijon, nachdem sie alles verstaut hat.
Der erste Programmpunkt vor der Abfahrt nennt sich Creweinweisung, eine Mischung aus Sicherheitsinformation und Ablaufplan für den Bordalltag. Skipper Jack (30) aus London versammelt alle Gäste rund um den Cockpittisch, auf dem Emma (31) frische Kirschen, Gläser und selbstgemachte Limonade bereitgestellt hat. Mit viel Charme, Witz und Sachverstand versucht der braungebrannte Skipper trockene Themen wie das Verhalten bei Feuer, Mann über Bord oder Wassereinbruch zu transportieren. Verunsichert ist davon niemand an Bord. „In einem Flugzeug gibt es doch vor jedem Abflug auch eine Sicherheitseinweisung“, meint Ruth aus Edinburgh später.
Entscheidend für die Gäste sind die Themen rund um den Bordalltag: Essenszeiten, im Reisepreis inkludierte alkoholische Getränke, Toilettennutzung, Wasserverbrauch oder die Verfügbarkeit von Strom. Jack mahnt zur Sparsamkeit beim Duschen, „der Wasservorrat auf einer Yacht ist endlich und Warmwasser ist nur in kleinen Mengen und nur bei Landstrom oder laufendem Motor verfügbar.“ Auch die Funktionsweise einer Bordtoilette muss erklärt werden, „und bitte kein Papier in die Toilette werfen, dafür gibt es in jedem Bad einen kleinen Mülleimer.“
Valeria aus Mailand möchte wissen, ob es im Bad auch einen Fön gibt. „Nein“, sagt Jack und scheint etwas zu schmunzeln, „dafür haben wir die meiste Zeit auch gar nicht die notwendige Stromversorgung.“ Er ergänzt, dass 230-Volt-Steckdosenstrom nur in Häfen mit Landstrom verfügbar ist oder wenn der Generator läuft, mit dessen Hilfe er am Abend für zwei Stunden die Klimaanlage startet, um die Kabinen für die Nacht zu kühlen. „Am ersten Tag hatte ich etwas Sorge, dass ich irgendetwas falsch mache“, wird Ruth am Törnende sagen, „am Ende aber war alles ganz einfach und es hat an nichts gefehlt.“
Der Trumpf beim Kabinencharter ist das individuelle Reiseerlebnis unter Segeln
Ein für diese Jahreszeit ungewöhnliches Gewitter verzögert die Abfahrt, dafür hat jeder an Bord Verständnis. Zeit zum Kennenlernen. Ruth ist Krankenschwester und zusammen mit ihrem Mann Craig unterwegs, der als Vertriebsleiter bei Amazon arbeitet. Beide haben schon mal Tagestrips auf der Yacht eines Freundes unternommen und Craig war schon mal in Thailand fünf Tage auf einem Katamaran. „Wir lieben den Frieden auf dem Wasser und reisen gerne zu Plätzen, wo keine Touristenströme sind“, erzählt Ruth, „ein Kreuzfahrtschiff ist da für uns keine Option.“
Nach langen Internetrecherchen haben die beiden Schotten das Angebot von GlobeSailor gefunden. Die Nähe zu fremden Mitreisenden stört sie überhaupt nicht: „Wir haben Freunde, die haben sich auf einer Segelreise richtig zerstritten – das kann uns hier nicht passieren“, erzählt Craig und lacht. Tatsächlich passiert beim Kabinencharter meist genau das Gegenteil, wie Skipper Jack erzählt. „80 Prozent der Gäste verlassen das Boot als eine befreundete Gruppe. Auf zehn Prozent der Reisen findet nur das halbe Boot zusammen, was meist mit Sprachbarrieren zu tun hat. Ganz selten nur bleiben die Paare einfach nur unter sich.“
Segeln de luxe: Kochen, abwaschen, putzen und Decksarbeit erledigt die Crew
Nach vielen Blitzen, Donner und Regen sind ab jetzt Jack und Emma dafür verantwortlich, dass sich die Erwartungen der Gäste erfüllen. Seit vier Jahren ist das Paar für GlobeSailor an Bord der MARMAR im Einsatz, jetzt zirkelt Jack den Katamaran zentimetergenau aus dem engen Liegeplatz. Emma holt die Leinen ein und klariert die Fender, hinter der Hafenausfahrt geht die zierliche Spanierin, die in Frankreich aufgewachsen ist, zu ihrem Hauptarbeitsplatz: in die Bordküche. „Heute essen wir auf der Überfahrt nach Poros auf See“, erklärt sie den Gästen auf Englisch und Französisch, „es gibt Moussaka und griechischen Salat, zwei Klassiker aus der lokalen Küche.“
Während die Gäste die vielen Sitz- und Liegemöglichkeiten an Deck eines Katamarans erkunden, steuert Jack das Boot unter Maschine Richtung Poros, etwa vier Stunden Fahrt entfernt. „Durch die verspätete Abfahrt und den wenigen Wind reicht die Zeit nicht zum Segeln“, erklärt er. Später auf der Reise wird sich aber zeigen, dass Jack ein echter Segler ist, der keine Mühe scheut, unter Segeln zu reisen. „Damit wir auch bei weniger Wind trotzdem segeln können, ist die Route so gewählt, dass die Seestrecken nicht zu lang sind.“
Im Licht der frühen Dämmerung serviert Emma das Abendessen am großen Cockpittisch. Zeit zum Genießen, Zeit für noch mehr Gespräche. Laurence und Christophe können der englischen Konversation nicht immer folgen, doch Ruth hat ein Jahr in Paris gearbeitet und hilft beim Übersetzen. Die beiden sind genauso wie Valeria und Luca auf Hochzeitsreise, „wir wollten etwas Originelles machen“, sagt Laurence, die noch nie auf einer Yacht war. „Unser Reisebüro hat vier Monate gebraucht, bis sie dieses für uns passende Angebot gefunden hat.“ Passend vor allem deshalb, „weil wir auf einem kleinen Boot ohne große Menschenmassen unterwegs sein möchten.“
Oft werden beim Kabinencharter aus Fremden Freunde
Der Großteil der Gäste beim Kabinencharter sind Segelneulinge. „Bei uns an Bord haben etwa 60 Prozent überhaupt keine Segelerfahrung, die restlichen 40 Prozent waren vielleicht schon mal irgendwo auf einem Boot. Richtig erfahrene Segler hatten wir in all den Jahren noch nie“, erzählt Jack. Wer aber wie Christophe – der bereits einen Bootsführerschein hat – gerne mit Hand anlegen möchte, kann das tun. „Wir freuen uns, wenn Gäste mit anpacken und Jack ist sehr geduldig im Erklären“, sagt Emma. Die überwiegende Mehrzahl der Gäste aber hat daran kein Interesse, auch Ruth nicht. „Ich hatte ehrlich gesagt Sorge, dass wir beim Segeln mit eingespannt werden“, erzählt Ruth von ihren Bedenken, „zum Glück ist das hier aber überhaupt kein Thema.“
Beim Festmachen der letzten Heckleine in Poros ist es bereits stockdunkel, nicht einmal der Mond spendet etwas Licht. Der Motor verstummt und die hydraulische Gangway surrt Richtung Hafenpier. Die Promenade ist noch voller Leben, „wir machen noch einen Spaziergang“, sagt Luca. Auch die beiden anderen Paare machen sich landfein. „Das Schiff ist immer offen, ihr könnt kommen und gehen, wann ihr wollt“, erklärt Emma. Jack sammelt noch schnell alle Telefonnummern für eine WhatsApp-Gruppe ein, „so können wir uns jederzeit austauschen und ich kann euch informieren, falls etwas Wichtiges ist.“
In den kommenden Tagen steuert die MARMAR noch vier weitere Hafenorte an: Ermioni, Spetses, Hydra und Perdika auf Aegina. Jeder der griechischen Urlaubsorte hat seinen ganz eigenen Charme – der Ablauf nach dem Festmachen aber bleibt immer gleich. Abends bleibt die Bordküche kalt und die Gäste gehen individuell zum Essen. „Wir genießen nach dem gemeinsamen Bordleben am Tag auch die Zweisamkeit am Abend“, sagt Valeria am zweiten Abend, „das ist eine tolle Mischung.“ In Spetses aber möchten alle ins Restaurant Mourayo, an dem Jack an Tag drei der Reise die Heckleinen des Katamarans festgezurrt hat. Gemeinsam buchen sie eine lange Tafel direkt am Wasser und teilen sich am Abend Vorspeiseteller, Fischplatte und Wein.
Viel Abwechslung, null Stress – beim Kabinencharter sorgt eine erfahrene Crew für einen geschmeidigen Ablauf
Zwischen den Hafenstopps ist immer Zeit zum Segeln, Ankern und Baden. Meist geht es gleich nach dem Frühstück los zu einer nahe gelegenen Ankerbucht. Vor dem Einlaufen im Hafen von Spetses zum Beispiel stoppte die MARMAR in der Bucht Agia Marina. Hier strahlt das Wasser über dem sandigen Meeresboden türkis wie in der Karibik und Jack hatte erklärt: „Wenn ihr in dieser Richtung zum Strand schwimmt, findet ihr unter Wasser eine untergegangene Tempelanlage.“ Jack kramte Taucherbrillen, Schnorchel und Flossen für alle hervor und brachte auch das SUP zu Wasser. Völlig ungezwungen machte sich jeder in seinem Tempo auf Entdeckungstour. „Ist das toll“, fand Ruth beim Sonnenbad an Deck danach, „genau so habe ich mir das vorgestellt.“
Die Routine des Bordalltags wird nur an zwei Tagen der Reise unterbrochen. „Heute bleiben wir die Nacht in einer Ankerbucht“, sagt Emma an Tag vier, „deshalb gibt es heute alle drei Mahlzeiten an Bord.“ Dafür fällt am Folgetag das Mittagessen aus, „in Hydra sind wir bereits morgens ab acht Uhr im Hafen und ihr habt den ganzen Tag Zeit für die Insel.“ Hydra ist eine autofreie Insel mit einem zauberhaften Hafenort, der beim Jetset genauso wie bei Tagestouristen äußerst beliebt ist. Eigentlich bekommt man hier in der Saison keinen Hafenplatz an der Pier, „doch ich habe das in den vergangenen vier Jahren immer geschafft“, grinst Jack.
Erfahrenes und ortskundiges Bordpersonal bietet den Gästen beim Kabinencharter oft besondere Highlights und Einblicke, der Premiumplatz an der Pier von Hydra ist nur ein Beispiel dafür. Auch eine sehr private Bordatmosphäre mit nur wenigen Mitreisenden ist beim Kabinencharter sichergestellt. Vielleicht kann diese Privatheit aber auch zu Problemen führen? „Zwischen den Gästen untereinander gibt es nie Probleme“, versichert Emma, „wenn überhaupt, gibt es mal Beziehungsprobleme innerhalb eines Paars.“
Fazit an Bord der MARMAR: Das Konzept Kabinencharter hat alle an Bord überzeugt
Davon ist an Bord der MARMAR allerdings nichts zu spüren, alle sind mit der Wahl ihrer Urlaubsart sehr zufrieden und genießen auch den letzten Stopp in dem kleinen Fischerdorf Perdika auf Aegina. „Meine Erwartungen wurden sogar übertroffen“, sagt Ruth am Ende der Reise. „Die Tempelanlagen unter Wasser, der Ausflug mit dem Quad über die Insel Spetses, dazu die wirklich tollen Restaurantempfehlungen von Jack und Emma – alles Extraleistungen, die noch nicht einmal im Programm standen.“ Und auch das mit der Freundschaft hat auf der MARMAR gut geklappt: In der WhatsApp-Gruppe werden die Paare auch nach dem Ende des Törns Nachrichten und Bilder austauschen.
Weitere Infos zum Kabinenchartertörn an Bord der MARMAR
Der Preis für eine Person in einer Doppelkabine auf der MARMAR variiert je nach Saison zwischen 2.069 und 2.259 Euro für eine Woche, abzüglich Early-Booking- oder Last-Minute-Rabatt. Darin enthalten ist auch die Halbpension mit Frühstück und Mittagessen, Getränke (inkl. Wein und Bier zum Mittag) und Snacks. Zusätzlich müssen 200 Euro pro Person für die Bordkasse entrichtet werden und auch Trinkgeld für die Crew sollte mit einkalkuliert werden.