Rigg tauschen/kaufen: So wird ein neuer Mast bestellt

Ein Beitrag von

Sören Matthiessen

Sören Matthiessen startete seine Segel-Laufbahn mit 6 Jahren im Opti. Erste Langfahrt-Erfahrung sammelte er mit seinen Eltern in Schweden und Norwegen. Im Alter von 23 segelte er 1992 die erste Atlantikrunde in einem 34 Fuß Schiff, die zweite Langfahrt folgte 2004. Auch beruflich ist er als Experte für Seldén Masten bei der Hermann Gotthardt GmbH dem Wasser und Segelsport verbunden.

Das Rigg ist wesentlicher Bestandteil einer Segelyacht

Das Rigg ist einer der fundamentalen Bestandteile einer Segelyacht. Nur wenn Mast, Baum und stehendes Gut richtig auf die Yacht abgestimmt sind, kann das Boot die bestmögliche Performance liefern. Mehr noch, ein Riggverlust kann weitreichende Folgen für Schiff und Crew haben. Demzufolge muss das Rigg so konstruiert und dimensioniert werden, dass es auch Extrembelastungen sicher und zuverlässig standhalten kann. Daher sollte ein regelmäßiger Rigg-Check zur Bordroutine gehören, um Schäden rechtzeitig zu erkennen oder (noch besser) vorzubeugen.

Ein Mastbruch auf See ist ein unschönes Ereignis! ©Ralf Uka

Die Gründe für einen Riggkauf können sehr unterschiedlich sein

Ist ein Mast beschädigt, führt in der Regel kein Weg an einem kompletten Tausch des Riggs vorbei. Ein anderer Grund für einen Riggtausch kann ein neuer Verwendungszweck der Yacht sein. Die Yacht soll beispielsweise für eine Blauwasserreise mit einem robusteren Rigg ausgestattet werden oder umgekehrt eine Fahrtenyacht wird zum Regattasegeln mit einem Rigg umgerüstet, bei dem die Gewichtsersparnis höchste Priorität hat.

Beim Regattasegeln zählt jedes Gramm Gewicht. In der Folge sind leichte Riggs gefragt. Hier ein Kohlefaser-Rigg. ©Sönke Roever

Bei einem Riggwechsel der Yacht sind neben dem Verwendungszweck einige weitere wichtige Vorüberlegungen nötig. So vielseitig wie die Konstruktionen von Yachten sind, so unterschiedlich sind auch die Details, die bei der Bestellung eines neuen Riggs berücksichtigt werden müssen.

Riggs von Yachten unterscheiden sich in Design und Ausstattung. ©Sönke Roever

Ein neues Rigg gibt es folglich nicht „von der Stange“. Vielmehr muss es sorgsam, unter Berücksichtigung verschiedener Maßangaben und weiterer Informationen wie beispielsweise der gewünschten Ausrüstung mit Spibäumen oder Navigationsinstrumenten geplant werden. Am besten erledigt die Planung ein professioneller Riggbauer. Der Eigner kann jedoch einige Vorarbeiten leisten, damit der Riggbauer mit der Planung der Konstruktion und der Kalkulation der Kosten eines neuen Riggs zügig beginnen kann.

ANZEIGE

Die Riggs auf Segelyachten sind individuelle Bauten

Leider ist es nicht wie bei vielen anderen Ausrüstungsgegenständen einer Yacht möglich, die Maße für ein neues Rigg über den Yachttyp zu bestimmen. Der Grund: Yachtwerften bieten oft verschiedene Ausführungen der Riggs an oder gehen bei der Planung des Riggs auf individuelle Kundenwünsche ein.

Das Rigg ist also selbst bei Yachten aus derselben Serie mit dem gleichen Baujahr nicht zwangsläufig gleich. Der Yachttyp dient dem Riggbauer nur zur groben Orientierung, er braucht die genauen Maßangaben der Yacht, für die das Rigg konstruiert werden soll.

Variante 1: Die Daten für ein neues Rigg anhand der Mastnummer bestimmen

Hilfreich ist es, den Hersteller des Mastes zu kennen, noch hilfreicher ist es, wenn der Hersteller den Mast mit einer Identifikationsnummer versehen hat. Beispielsweise versieht Seldén seine Masten seit den neunziger Jahren serienmäßig mit einer solchen Baunummer. Die Nummerierung ist am Mast eingraviert.

Praktisch! Bei diesem Mast lassen sich die erforderlichen Daten zum Rigg über die Mastnummer ermitteln. ©Herman Gotthardt GmbH

In den meisten Fällen haben die Hersteller die Angaben zu den von ihnen konstruierten Riggs gespeichert und können sie anhand der Mastnummer heraussuchen. Damit stehen die Riggabmessungen ohne erneutes Ausmessen auf Knopfdruck zur Verfügung. Falls keine Änderungen am Rigg vorgenommen werden sollen, kann sofort ein Angebot für ein neues Rigg erstellt werden.

Variante 2: Die Yacht für ein neues Rigg vermessen

Ist das alte Rigg in keiner Datenbank gespeichert, führt kein Weg an einem erneuten Ausmessen vorbei. Die Anzahl der erforderlichen Maßangaben ist überschaubar und die Messungen müssen nicht auf den Millimeter genau erfolgen. Ein Zentimeter zu viel oder zu wenig fällt insgesamt kaum ins Gewicht. Kurzum: Das kann auch der Laie leisten. Wer sich trotzdem unsicher fühlt, kann alternativ einen Fachbetrieb mit der Messung beauftragen.

Hier wird ein Rigg vermessen. ©Sönke Roever

Tipp: Es ist leichter, bei gelegtem Mast die Yacht zu vermessen. Dann sind Anschlagspunkte am Mast gut erreichbar und es muss niemand für das Ausmessen den Mast hinaufklettern. Ein weiterer Vorteil: Bei gelegten Masten sind beim Ausmessen keine Riggdrähte im Weg.

Die gängigen Bezeichnungen zum Ausmessen des Riggs. ©Seldén/BLAUWASSER.DE

Typische Maßangaben zu Mast und Baum, die beim Vermessen der Yacht/des Riggs ermittelt werden müssen

Am Mast sind verschiedene Maßangaben wichtig, die mit den folgenden Buchstaben angegeben werden:

  • P beschreibt die maximale Länge des Vorlieks des Großsegels. Gemessen wird von der Oberkante des Baumes bis zur Unterkante der Messmarke im Masttopp. Der Baum muss beim Messen 90 Grad zum Mast ausgerichtet werden.
  • E ist die maximale Unterlieklänge des Großsegels. Gemessen wird vom Mast bis zur Vorderkante der hinteren Messmarke am Baum.
  • FH ist die Höhe des Vorstags, gemessen von der Auflage des Mastfußes (Durchgang Mast, bei durchgestecktem Mast) bis zur Krafteinlaufslinie (nicht zum Pin) des Vorstags.
  • CSH (falls vorhanden) ist die Höhe des Kutterstags.
  • BH bemisst den Abstand zwischen Deck und der Oberkante des Baumes. Der Baum muss beim Messen 90 Grad zum Mast ausgerichtet werden.
  • Q (bei durchgestecktem Mast) beschreibt den Abstand zwischen der Oberkante des Decks und der Standfläche des Masts unter Deck (auf dem Kiel)
  • S ist der Abstand der Großschotbefestigung zum Mast.
FH und CSH müssen bis zur Höhe der Krafteinlaufslinie und nicht bis zum Pin gemessen werden. ©Seldén/BLAUWASSER.DE

Typische Maßangaben zu Wanten, Stagen und Rüsteisen/Püttingen, die beim Vermessen der Yacht/des Riggs ermittelt werden müssen

Die Positionen der Rüsteisen/Püttinge an Deck bestimmen die Länge der Wanten und Stagen. Auch hier kommt es auf den Millimeter nicht an, da leichte Ungenauigkeiten mit den Wantenspannern korrigiert werden können. Bei den Rüsteisen ist das Verhältnis zum Mastfuß zu messen. Daraus ergibt sich nicht nur die Länge der Drähte, sondern auch der Winkel der Salinge.

Typische Riggbezeichnungen für die Wanten und Stage sind:

  • FS Vorstag
  • CS Kutterstag
  • PS Achterstag
  • BS Babystag
  • V1 Oberwant
  • D1A Unterwant achtern
  • D1F Unterwant vorn
  • D2 weitere Unterwanten von der Saling
Die typischen Bezeichnungen für Wanten und Stagen. ©Seldén

Um den Abstand zwischen den Rüsteisen und der Höhe des Mastfußes zu bestimmen, eignet sich am besten ein Baulaser. Wer keinen Laser zur Hand hat, kann auch eine Latte (darf sich nicht durchbiegen) oder ein Richtscheit/eine Richtlatte verwenden. Die Latte wird auf dem Decksaufbau am Mastfuß aufgelegt und zum Rüsteisen geführt.

Entscheidend ist der Abstand zwischen der Höhe des Mastfußes und der Rüsteisen an Deck. ©Seldén

Dann wird der Abstand zur Mitte des Lochs im Rüsteisen gemessen. Auch der Lochdurchmesser muss ausgemessen werden.

Gemessen wird zur Mitte des Lochs im Rüsteisen, in dem später der Toggle steckt. ©Sönke Roever

Im nächsten Schritt müssen die Abstände der Rüsteisen zum Mittelpunkt des Mastes gemessen werden. Dazu kann beispielsweise ein Garn in der Längs- und eines in der Querachse der Yacht gespannt werden, die sich in der Mitte des Mastes kreuzen. Von dort wird dann in der Längs- und Querrichtung zum Rüsteisen gemessen.

Gemessen wird vom Rüsteisen zum „geometrischen Zentrum“, der Mitte des Mastes. ©Seldén/BLAUWASSER.DE

Alle Daten werden am besten in eine Tabelle eingetragen. Mit diesen Angaben kann ein Riggkonstrukteur die Länge der Wanten und Stagen bestimmen.

Vorstag, Babystag und Kutterstag liegen auf der Längsachse, der Lat-Wert muss daher nicht ausgemessen werden. ©Seldén/BLAUWASSER.DE

Sonderfall: Deck mit Tipcups. Hier müssen zusätzlich diese typischen Maßangaben beim Vermessen der Yacht/des Riggs ermittelt werden

Ist die Yacht nicht mit konventionellen Püttingen, sondern mit Deck-Tipcups ausgerüstet, müssen auch diese ausgemessen werden. Hier sind folgende Maßangaben wichtig:

  • H1 Abstand vom Deck, auf dem Tipcup montiert ist, bis zur Oberkante des Gewindes.
  • H2 Höhe der Tipcup-Basisplatte.
  • H3 Länge des Gewindes
Tipcups müssen ebenfalls ausgemessen werden. ©Seldén/BLAUWASSER.DE

Übrigens: Im Zuge eines Riggtauschs empfiehlt es sich, auch die Rüsteisen und deren Verankerung unter Deck zu kontrollieren. Auch diese können über die Zeit beschädigt werden. Im schlimmsten Fall bricht das neue Rigg dann wegen eines defekten Unterzugs!

Für den Riggkauf das aufrichtende Moment der Yacht ermitteln

Das aufrichtende Moment beschreibt die Fähigkeit einer Yacht, sich aus eigener Kraft wieder aufzurichten. Es entsteht durch die Bauform der Yacht, die Beladung und den Ballast im Kiel. Das aufrichtende Moment wirkt der Krängung der Yacht entgegen. Durch die Krängung einer Yacht wird das Rigg weniger Winddruck ausgesetzt. Folglich muss eine Yacht, die weniger krängt, also ein stärkeres aufrichtendes Moment hat, mit einem Rigg ausgestattet werden, das mehr Winddruck aushält.

Ein Krängungstest ist aufwendig, aber das beste Mittel, um das aufrichtende Moment eines Schiffes festzustellen. ©Herman Gotthardt GmbH

Das aufrichtende Moment wird als Righting Moment (RM) angegeben und beschreibt die Kraft gemessen in Kilonewtonmeter, mit der eine Yacht bei einem Krängungswinkel von 30 Grad versucht, sich wieder aufzurichten. Sind keine Daten zum aufrichtenden Moment der Yacht vorhanden, gibt es verschiedene Herangehensweisen, um das RM zu ermitteln.

Ist neben Tiefgang, Breite und Verdrängung der Yacht auch der Ballast im Kiel bekannt, gibt es hier einen einfachen Rechner. Ist der Ballast nicht bekannt, muss ein Krängungstest (Heel Test) gemacht werden. Dazu wird die Yacht mechanisch gekrängt und die benötigte Kraft gemessen.

Aus den Berechnungen entsteht eine Riggzeichnung. ©Gotthardt/Seldén

Die Planung der Ausrüstung und Ausstattung beim Riggkauf

Spätestens nach der Vermessung der Segelyacht sollte ein erfahrener Riggbauer hinzugezogen werden, um das Rigg fachmännisch zu planen, insbesondere auch hinsichtlich der Ausrüstung und Ausstattung. Hier gibt es etliche Auswahlmöglichkeiten und der Teufel steckt oft im Detail. Hier ein paar mögliche Gedankenansätze dazu:

  • Welche Beleuchtung soll am Mast geführt werden und wie erfolgt die Verkabelung?
  • Was ist an Navigationsgeräten vorgesehen?
  • Wird eine Spinnakerschiene benötigt?
  • Welche Rollsysteme für die Segel sollen gefahren werden?
  • Wie ist die Führung der Leinen?
Je nach Bedarf fällt die Rigg-Ausstattung sehr unterschiedlich aus. Hier beispielsweise mit zwei Spibäumen, Decksscheinwerfer und Maststufen. ©Sönke Roever

Tipp 1: Hilfreich zur Planung für den Riggbauer sind Fotos und Rechnung der Ausstattung des alten Riggs.

Tipp 2: Bei der Wahl des Riggbauers sollte auch auf die Garantieleistungen und das Servicenetz geachtet werden. Ein neues Rigg ist zudem eine gute Gelegenheit, ein Rigg mit Mastnummer anzuschaffen und erneutes Messen zu vermeiden. Nicht alle Riggbauer führen Datenbanken und Produktnummern.

ANZEIGE

Rigg ist nicht gleich Rigg – Einflussfaktoren auf den Preis beim Kauf eines Riggs

Typische Faktoren, die Einfluss auf den Preis des Riggs haben, sind:

  • Die Qualität des Materials. Beispielsweise gibt es Qualitätsunterschiede beim verwendeten Aluminium und dem verbauten rostfreien Stahl sowie der Eloxierung des Mastes und des Baums. Sie ist nicht immer gleich.
  • Die Optimierung der Ausstattung: Wurde bei der Erstausstattung der Beschläge am Rigg gespart, bietet der Kauf eines neuen Riggs eine gute Möglichkeit zur Optimierung.
  • Die Dimensionierung des Riggs: Langfahrtsegler neigen dazu, die Drähte des Riggs stärker als üblich zu dimensionieren, um mehr Bruchsicherheit zu bekommen.
  • Die Bauform der Riggdrähte: Rod und Dyform sind auf den ersten Blick zwar teurer als 1×19 Drähte, bieten dafür aber technische Vorteile.
Bei Blauwasserseglern stehen Sicherheit und Robustheit an erster Stelle und das Rigg wird entsprechend dimensioniert. ©Sönke Roever

Fazit

Unterm Strich dürfte klar geworden sein, dass ein neues Rigg vernünftig geplant werden muss. Es sollte nicht nur gut zur Yacht passen, sondern auch optimal auf die Bedürfnisse des Eigners abgestimmt werden. Nur so bietet ein Rigg maximale Sicherheit, Performance und folglich auch Freude am Segeln. Dabei sind einige Einflussfaktoren zu beachten. Die finale Planung sollte folglich vom Profi gemacht werden. Dennoch ergibt es Sinn, als Eigner möglichst klare Vorgaben zu sammeln und zu wissen, was man möchte. Das beschleunigt den Angebotsprozess und sorgt dafür, dass so schnell wie möglich mit dem neuen Rigg losgesegelt werden kann.

Beratung zum Thema

Seldén

Das schwedische Unternehmen Seldén gilt als weltgrößter Hersteller von kompletten Masten. Zur Produktpalette gehören auch Bäume, Beschläge, Blöcke, Furlex-Rollanlagen, Rodkicker, Rutschersysteme oder Winschen.

Furlex

Furlex bietet leicht zu installierende und hervorragend dokumentierte Komplettbausätze für Rollreffanlagen. Damit kann einfach eine hochwertige Rollreffanlage auf der Yacht installiert werden.