Ozean-Segeln: Die Winde und Strömungen im Nordatlantik

Ein Beitrag von

Jimmy Cornell

Jimmy Cornell ist Buchautor und einer der erfahrensten Segler weltweit mit über 200.000 Seemeilen im Kielwasser. Seine unzähligen Reisen führten ihn über alle Ozeane der Welt einschließlich dreier Weltumseglungen sowie Reisen in die Antarktis, nach Patagonien, Alaska, Grönland oder durch die Nordwest-Passage. Jimmy ist zudem Organisator zahlreicher populärer Blauwasser-Rallyes.

Der Nordatlantische Ozean ist eine Wetterküche

Große Teile der Nordhalbkugel unserer Erde werden von Wasser bedeckt – maßgeblich vom Atlantischen und Pazifischen Ozean. Segler, die an den europäischen Küsten starten, um auf eine Blauwasserreise zu gehen, kommen unweigerlich mit dem Atlantischen Ozean in Berührung.

Der Nordatlantische Ozean hat viele Gesichter – beispielsweise gibt es verschiedene Windzonen wie die Passatwindzone, die Rossbreiten, die Kalmen, die Innertropische Konvergenzzone oder die Westwindzone. Hinzu kommen Strömungen wie die Nordäquatorialströmung, die Golfströmung oder die Labradorströmung. Die Winde und Strömungen sind ein Teil des Wetters, das wir auf hoher See antreffen, wenn wir über den Nordatlantischen Ozean segeln. Umso wichtiger ist es, die verschiedenen Winde und Strömungen zu kennen, da dies die Törnplanung erheblich vereinfacht und in der Folge die Sicherheit an Bord erhöht. Daher schauen wir uns die vorherrschenden Winde und Strömungen einmal genauer an.

Sind die Passatsegel gesetzt, weht für gewöhnlich der Passatwind. ©Sönke Roever

Der Passatwind auf dem Nordatlantik

Der bekannteste Wind im Nordatlantik dürfte bei Seglern wohl der Passatwind sein. Er erstreckt sich in einem breiten Gürtel nördlich des Äquators von der afrikanischen Westküste bis hin zur Karibik. Er weht fast das ganze Jahr über beständig auf der Südseite des Azorenhochs, das bei ungefähr 30 Grad Nord liegt. Die nördliche Begrenzung der Passatwinde liegt bei ungefähr 25 Grad Nord im Winter und 30 Grad Nord im Sommer, wobei man sich dort nicht auf die Beständigkeit des Passats verlassen kann. Da der Passatwind auf der Nordhalbkugel in der Regel aus Nordosten kommt, wird er Nordostpassat genannt.

Die Konstanz wie auch die Verlässlichkeit des Nordostpassats ist für diejenigen von besonderem Interesse, die eine Atlantiküberquerung entlang der klassischen Route von den Kanaren in die Karibik planen. Obgleich der Nordostpassat in den Wintermonaten am gleichmäßigsten sein soll, gibt es Jahre, in denen er in tieferen Breiten als normal auftritt. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Boote, die auf direktem Kurs in die Karibik segeln, nahezu die halbe Distanz zur Karibik zurücklegen müssen, bevor sie auf den Nordostpassatwind treffen. Es ist daher ratsam, am Anfang nach Südsüdwest zu segeln und erst dann nach Westen abzudrehen, wenn sichergestellt ist, dass die Passatwindzone erreicht wurde.

Dieses Wolkenbild ist typisch für den Passatwind. ©Sönke Roever

In den Wintermonaten ist der Passatwind konstanter und er legt an Stärke zu. Obgleich die durchschnittliche Windstärke drei bis vier Beaufort beträgt, sind von Januar bis März Windstärken von sechs und sogar sieben Beaufort nicht ungewöhnlich. Im Sommer zur Hurrikansaison ist der Passatwind schwächer und weniger beständig. Im östlichen Teil des Nordatlantischen Ozeans hat er eine eher nördliche Komponente und Richtung Karibik fällt der Passatwind immer östlicher ein.

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Die Winde der Innertropischen Konvergenzzone (ITKZ) auf dem Nordatlantik

Die Ausdehnung der Passatwindzone wird das ganze Jahr über von der Lage der Innertropischen Konvergenzzone (ITKZ) beeinflusst. Die ITKZ bleibt das ganze Jahr über nördlich des Äquators, verändert ihre Position aber in Abhängigkeit vom jahreszeitlich bedingten Sonnenstand und es kommt zu täglichen Verschiebungen.

In der Innertropischen Konvergenzzone gibt es labiles Wetter. ©Sönke Roever

Die Passatwindzone wird zudem in ihrer Lage von einer Flautenzone beeinflusst, die sich Kalmen nennt. Die Breite der Kalmenzone variiert zwischen 200 und 300 Seemeilen. Auf der afrikanischen Seite ist die Kalmenzone breiter als auf der amerikanischen Atlantikseite. Damit einhergehend ist das Wetter im östlichen Teil des Kalmengürtels turbulenter. Im Osten der Kalmen gibt es häufiger Böen und Gewitter als im westlichen Teil der Kalmen.

Der Südwestmonsun vor der Küste Afrikas

Die von der afrikanischen Landmasse im Sommer erzeugte Wärme lässt den Luftdruck über diesem Gebiet fallen und sorgt dafür, dass sich die ITKZ nach Norden verlagert. Der Südostpassat des Südatlantiks wird dann über den Äquator gezogen und kommt vor der Küste Afrikas als Südwestmonsun an. Er weht von Juni bis Oktober zwischen dem Äquator bis auf eine Breite von 15 Grad Nord. Im Golf von Guinea wiederum herrschen das ganze Jahr über leichte Südwestwinde vor.

Wenn über dem afrikanischen Kontinent warme Luft aufsteigt, wandert die ITKZ nach Norden. ©Martin Finkbeiner

Die Zone der wechselnden Winde auf dem Nordatlantik

Ein Band mit wechselnden Winden erstreckt sich nördlich des Nordostpassats über den Atlantik. In dieser Zone, die zu beiden Seiten von 30 Grad Nord verläuft, herrscht hoher Luftdruck. Die Zone der wechselnden Winde wandert ebenfalls. Im Sommer verschiebt sie sich nach Norden und im Winter nach Süden. Die Winde in ihrer östlichen Hälfte kommen meist aus Nord und können als Vorstufe des Passats angesehen werden. Im Westteil des Ozeans sind die Winde meist sehr schwach und lange Flautenperioden sind üblich. In dieser Zone liegen die berüchtigten subtropischen Rossbreiten und die Sargassosee.

Lange Flautenperioden kennzeichnen die Rossbreiten. ©Sönke Roever

Die Zone der westlichen Winde auf dem Nordatlantik

Nördlich der Rossbreiten und der Sargassosee herrschen westliche Winde vor. Hier ist das Wetter häufig unbeständig, was an einem immerwährenden Durchzug von Tiefdruckgebieten liegt, die in östlicher Richtung über den Ozean rasen. In diesen höheren Breiten sind die Winde in ihrer Richtung weniger konstant als in den auf gleicher Höhe liegenden „Roaring Forties“ auf der Südhalbkugel, deren vorherrschende Windrichtung West ist.

Regionale Winde auf dem Nordatlantik

Die kanarischen Mosquitos

Auf den Kanaren kommt es immer wieder mal zu plötzlichen Windböen, hervorgerufen durch die hohen Inseln. In den Sunden zwischen den Inseln wird der Wind stark beschleunigt. Diese Böen werden von einheimischen Seglern „Mosquitos“ genannt, da man sie erst hört, wenn sie schon beißen. Die Windstärke kann um zehn bis zwanzig Knoten zulegen und die einzige Vorwarnung ist ein dunkler gekräuselter Schatten auf der Wasseroberfläche, der sich aus der vorherrschenden Windrichtung nähert.

Heftige Böen kann es auf den Kanaren zwischen den hohen Inseln geben. ©Sönke Roever

Der Portugalpassat und der Harmattan

Zu den Passatwinden gehört auch der Portugalpassat, der von April bis September oder Oktober vor der Westküste der Iberischen Halbinsel aus Nordost und Nordwest kommt.

Zudem ist der Harmattan eine weitere lokale Variante des Nordostpassats. Dieser heiße und trockene Wind entsteht durch den Nordostpassat, der über die Wüsten Afrikas hinwegweht. Der Harmattan ist daher mit Staub beladen, wenn er bei circa 20 Grad Nord die atlantische See erreicht. Normalerweise tritt dieser östliche Wind zwischen November und Februar auf.

Der Staubwind Harmattan entsteht über der Sahara und reicht bis auf den Atlantik. ©Yerbolat/stock.adobe.com

Die kalten Norder auf dem Nordatlantik

Ein anderes lokales Phänomen im westlichen Nordatlantik, der eigentlich unter dem Einfluss des vorherrschenden Nordostwindes steht, sind starke nördliche Winde, gemeinhin als Norder bekannt. In den Wintermonaten entwickeln sich über dem nordamerikanischen Kontinent gewaltige Hochdruckgebiete, die gelegentlich den Golf von Mexiko erreichen.

Vor dieser Hochdruckzone bildet sich eine starke nördliche, kalte Luftströmung. Aus ihr wird der heftige Norder, der manchmal bis in die Karibik zu spüren ist. Die Annäherung eines Norders kündigt sich normalerweise mit einer schweren Wolkenbank über der Nord- oder Nordwest-Kimm an.

Ein dickes Wolkenband liegt über der atlantischen See. ©Sönke Roever

Die Höhe der aus dem Wasser aufragenden Karibikinseln Hispaniola und Kuba bremst den Norder meist aus. Aber im Norden dieser Inseln kann es besonders gefährlich werden, wegen des hohen Seegangs, der durch das Aufeinandertreffen des Norders mit dem nordsetzenden Golfstrom entstehen kann.

Gewitterfronten in den tropischen Breiten des Nordatlantiks

Gewitterfronten treten häufig in den Tropen auf, besonders südlich von 20 Grad Nord. Die linearen Störungen bewegen sich in der Regel im rechten Winkel zur Richtung des vorherrschenden Windes mit zwanzig bis fünfundzwanzig Knoten von Ost nach West. Sie gehen einher mit gewittrigem Wetter und böigem Wind. Das erste Anzeichen für eine Gewitterfront ist eine mächtige Cumulonimbus-Wolkenwand im Osten. Es herrscht gewöhnlich leichter oder gar kein Wind, die Luft ist drückend.

Eine heftige Front zieht über den Atlantik. ©Sönke Roever

Während die Wolkenwand sich nähert, wird sie dunkel und bedrohlich. Donner und Blitz folgen. Die Unterseite der Wolke sieht aus wie eine gerade Linie, verändert sich aber manchmal zu einem Bogen, wenn sie über den Betrachter hinwegzieht. Die Ankündigung erfolgt durch einen plötzlichen Windstoß aus Ost, der fünfundzwanzig bis dreißig Knoten erreicht, gelegentlich aber auch viel mehr. Kurz darauf beginnt es heftig zu regnen.

Gewitter erlebt auf hoher See kein Segler mit Freude. ©primopiano/stock.adobe.com

Derartige Gewitter dauern im Schnitt eine halbe Stunde, manchmal auch länger. Das Barometer zeigt die Annäherung nicht an, man kann sie nur optisch ausmachen. Die Gewitterfronten sind allerdings durch die mit ihnen einhergehenden Regenschauer gut auf dem Radar zu sehen. Da ihre Böen recht heimtückisch sind und ohne Vorwarnung einfallen, tut man in den entsprechenden Gegenden gut daran, bei Nacht, wenn die Wolken schlechter auszumachen sind, die Segelfläche zu verkleinern.

Auf dem Radar lassen sich Regenfronten bei einer Atlantikpassage gut ausmachen. ©Sönke Roever

Hurrikane – die gefährlichen Tropenstürme

Ein großes Gebiet des westlichen Nordatlantiks wird von tropischen Wirbelstürmen heimgesucht, die theoretisch jederzeit auftreten können. Die Wetteraufzeichnungen der letzten Jahrhunderte verzeichnen Hurrikane in jedem Monat. Im Winter sind sie allerdings sehr selten. Die offizielle Hurrikansaison geht von Anfang Juni bis Ende November, am häufigsten treten sie von August bis Oktober auf. In den Randmonaten kommen sie etwas seltener vor. In den letzten Jahren hat es manchmal auch schon Hurrikane im Mai gegeben.

Die Häufigkeit und die Stärke der Hurrikane variieren von Jahr zu Jahr in hohem Maße. Es wurden schon rekordverdächtige fünfzehn Hurrikane in einem Jahr aufgezeichnet, in anderen Jahren hingegen kamen kaum welche vor.

So mancher Hurrikan entsteht südlich der Kapverden in den Kalmen. ©Sönke Roever

Die meisten Hurrikane entstehen in der Kalmenzone südlich der Kapverden. Für gewöhnlich ziehen sie nach Westen in Richtung Karibik und ihre Zugbahnen verlaufen im Uhrzeigersinn um den Rand eines Hochdruckgebietes.

Typische Hurrikan-Zugbahnen zwischen 1985 und 2005. ©NASA/Nilfanion/Wikipedia

Das karibische Becken ist die Zone, die am meisten von Hurrikanen heimgesucht wird, insbesondere der nördliche Teil der Kleinen Antillen, die Jungferninseln, die Bahamas, die Bermudas, der Golf von Mexiko und Florida. Zu Beginn und am Ende der Hurrikansaison entwickeln sich diese Stürme manchmal in der westlichen Karibik, von wo sie in nördlicher Richtung weiterziehen und hauptsächlich die Südstaaten der USA verwüsten.

Jedes Jahr ziehen heftige Hurrikane über die Karibik hinweg. ©Met/stock.adobe.com

Später in der Hurrikansaison ist es für Segler in der Karibik besonders gefährlich, da sich im September und Oktober die Hurrikane vor Ort ausbilden und die Vorwarnzeit entsprechend kürzer ist, als wenn sie über den Atlantischen Ozean allmählich angezogen kommen. Wenn man also die Absicht hat, während der Hurrikansaison in der Karibik zu segeln, besonders im Gebiet der Kleinen Antillen, ist es sicherer und besser, dies zu Beginn der Saison (Juni) zu tun als gegen Ende November.

Wichtig: Das Wetter ist im Wandel. In den letzten Jahren hat nicht nur die Häufigkeit von Tropenstürmen im Nordatlantik stark zugenommen, es sind auch größere Gebiete betroffen.

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Die Strömungen im Nordatlantik

Neben den unterschiedlichen Winden sind die Strömungen im Nordatlantik ein wichtiger Bestandteil des Segelalltags. Die verschiedenen Strömungen sind Teil eines riesigen Systems, das sich im Uhrzeigersinn dreht und sich südlich von 40 Grad Nord über den gesamten Ozean spannt.

Der Nordostpassat erzeugt die Nordäquatorialströmung, die von den Kapverden nach Westen Richtung Karibik setzt. Ein Teil der Nordäquatorialströmung fließt ins Karibische Meer, während ein anderer Zweig in Richtung Norden an den Kleinen Antillen entlangfließt. Er wird Antillenströmung genannt.

Vor der Ostküste der USA ist der verästelte Golfstrom gut zu erkennen. ©Windy.com

Die treibende Kraft im Nordatlantik ist die Golfströmung, die trotz ihres Namens nicht im Golf von Mexiko entsteht, sondern eine Fortsetzung der Nordäquatorialströmung ist. Das warme Wasser fließt in einem breiten Band um die Ostseite Nordamerikas, bis es auf die kalte Labradorströmung trifft, die es dazu zwingt, nach Osten abzudrehen. Ab ungefähr 45 Grad West nimmt die Stärke der Golfströmung ab und sie setzt sich als Nordatlantikströmung nach Osten fort.

Im östlichen Teil des Atlantischen Ozeans sind die Strömungen weniger definiert. Dort fächert sich die Nordatlantikströmung in verschiedene Richtungen auf und bildet unter anderem die südsetzende Azorenströmung und weiter östlich die Portugalströmung. Letztere setzt entlang der Iberischen Halbinsel nach Süden.

Vor der Iberischen Halbinsel setzt die Portugalströmung südwärts. ©Sönke Roever

Ein Arm der Portugalströmung wird durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer abgelenkt, während ein anderer Arm entlang der afrikanischen Küste nach Südwesten setzt und zur Kanarenströmung wird. Schließlich dreht die Kanarenströmung nach Westen ab und vereint sich wieder mit der Nordäquatorialströmung. So schließt sich dann das im Uhrzeigersinn drehende System der Nordatlantikströmungen.

Südlich von 10 Grad Nord ist das Strömungsmuster komplizierter. Zwischen den beiden westsetzenden Äquatorialströmungen auf der Nordhalbkugel und der Südhalbkugel agiert der Äquatoriale Gegenstrom. Im Winter ist dieser ostsetzende Gegenstrom entlang 06 Grad Nord und östlich von circa 45 Grad West am stärksten zu spüren. Je näher er dem südamerikanischen Kontinent kommt, desto schwächer wird er, bis er gänzlich verschwindet. Der Südäquatorialstrom verbindet sich in diesem Gebiet mit dem Nordäquatorialstrom und bildet einen starken westsetzenden Strom, der entlang der südamerikanischen Küste bis zu den Kleinen Antillen nach Nord abgelenkt wird.

Blick auf den Atlantischen Ozean aus einem Flugzeug. ©Sönke Roever

Fazit

Die Winde und Strömungen im Nordatlantik sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus unterschiedlichsten Wetterfaktoren. Sie zu verstehen, zu interpretieren und die richtigen Schlüsse für die Törnplanung daraus zu ziehen, erfordert viel Erfahrung. Egal, ob Anfänger oder Profi – es ist für jeden Segler auf dem Nordatlantik wichtig zu wissen, welche typischen Windmuster und Strömungsfelder es gibt. Es würde mich freuen, wenn die von mir zusammengetragenen Infos dabei helfen und die Törnplanung erleichtern.

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