Revierbericht Tonga: Das Südsee-Kleinod Niuatoputapu

Ein Beitrag von

Claudia Clawien

Die Diplom-Pädagogin ist zusammen mit ihrem Mann Jonathan von 2013 bis 2019 auf der 35-Fuß-Stahlyacht INTI von Deutschland bis zu den Marshallinseln im Pazifik gesegelt – eine Reise über 21.000 Seemeilen. Claudia liebt das Leben über Wasser ebenso wie das unter Wasser, das nächtliche Segeln unter dem unendlichen Firmament, die Kunst der Improvisation und die Begegnungen mit Menschen jeglicher Couleur.

Von Suwarrow nach Tonga

Es ist Ende Mai und wir machen uns von Suwarrow auf nach Tonga. Das ist nicht so leicht für uns, da wir in Suwarrow keine Wettermeldungen zu Verfügung haben, unser Kurzwellenfunkgerät funktioniert nicht mehr und in Suwarrow gibt es kein Internet. Wir brauchen eine Weile, um aus dem kabbeligen Wasser um das Atoll herum zurück ins tiefe, ruhigere Ozeanwasser zu gelangen. Doch nun erwartet uns allzu ruhiges Wetter, kaum Wind oder mal ein Squall mit heftig Wind. Kein konstantes Segelwetter für die 700 Meilen.

Interessant an diesem Törn ist, dass wir die Datumsgrenze überqueren und mit einem Mal 24 Stunden, also einen Tag, verlieren. Auch unsere Navionics-Karte muss hier neu mit unserer Route gefüttert werden, man kann nicht einfach über die Datumsgrenze segeln.

Land in Sicht: Tonga begrüßt uns spektakulär.

Niuatoputapu liegt ganz im Norden von Tonga

Unser Ziel ist Niuatoputapu, von Englischsprechenden gern „New Potatoe“ genannt, eine der nördlichsten und eher seltener angelaufene Insel des Königreichs Tonga. Schon nachts sehen wir sie am Horizont, drehen aber erst einmal bei, da wir Niuatoputapu lieber am Tage ansteuern wollen.

Und siehe da: Die Einfahrt ist auch recht anspruchsvoll: die Tonnen halb verrostet, nur mit guter Augapfel-Navigation sind die Untiefen und Korallenköpfe sichtbar. Doch wir schaffen es gut in die Lagune durch den Pass in der Nordostecke des Atolls und machen erstmal an einer ziemlich heruntergekommenen Betonpier vor dem Dorf Falehau fest.

Wir rufen die Offiziellen über Funk an, haben aber keinen Erfolg. Daher machen wir uns in der Mittagshitze auf den Weg, um sie zu finden. Immerhin: Der Buschfunk funktioniert! Obwohl wir mit einem Freund zusammen die einzigen Boote in der Bucht sind, kommt schon bald ein Auto vorbei und gibt uns eine Uhrzeit bekannt, wann die Offiziellen an Bord kommen werden.

Der Seefahrt verbunden: ankernde Yachten auf einem lokalen Geldschein

Wir haben noch Zeit und laufen erstmal zur recht einfachen Bank, um Geld zu tauschen, da Einklarieren hier etwas kostet. Die Bank befindet sich zwei Kilometer westlich vom Ankerplatz im Nachbarort Vaipoa neben der Highschool. Einen Geldautomaten gibt es auf der ganzen Insel nicht und Kreditkarten werden nicht akzeptiert. Immerhin können wir in der Post US-Dollar und Euro gegen die lokale Währung Pa'anga tauschen.

Entspanntes Dorfleben in Niuatoputapu

Direkt neben der Bank ist das Büro der Immigrationsbeamtin. Sie heißt Mrs. O, nimmt uns in ihrem Auto mit und lässt uns unterwegs sogar noch einmal aussteigen, um eine Simkarte für den Zugang zum Internet zu kaufen. Dann geht’s zurück zu den Booten und drei verschiedene Behörden besuchen uns. Zoll, Immigration und Health Inspection. Das ganze Einreiseprozedere verläuft in angenehmer Atmosphäre.

Entspannte Atmosphäre beim Einklarieren

Seit 2019 ist es Pflicht, seine Ankunft mindestens 24 Stunden vorher per E-Mail mit einer sogenannten „advanced notice of arrival“ anzukündigen. Nähere Informationen dazu gibt es über die E-Mail-Adresse: info@customs.gov.to

Wer nicht an der Pier festmacht, muss die Offiziellen mit dem Dingi zu seinem Boot befördern. Das ersparen wir uns, aber nach einer Nacht an der Pier ziehen wir es vor lieber vor Anker zu gehen. Der Ankerplatz ist geschützt. Das Riff vor der rund eine Seemeile großen Lagune schirmt bei Winden aus Ost über Nord und West ab. Nach Süden hin schützt die Insel selbst.

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Die Gastfreundschaft auf Niuatoputapu ist überwältigend

Wir erfahren seitens der Offiziellen auf Niuatoputapu eine solche Herzlichkeit, dass die nächsten Tage schnell mit Einladungen verplant sind. Wir nehmen an einem Gottesdienst teil, der zwar viel steifer und förmlicher verläuft als in Französisch-Polynesien, doch die Gesänge übertrefen alles! Ohne Notenblatt in der Hand stimmt die gesamte Gemeinde vierstimmige Gesänge ohne einen Fehlton an, so dass eine Gänsehaut die nächste jagt.

Sonntag auf Tonga: Der Tag wird mit der Familie verbracht.

In Tonga ist der Sonntag komplett der Familie vorbehalten. Jegliche Form von Arbeit ist untersagt, es darf weder gebadet werden noch Fisch gefangen werden. Nach der Kirche wird mit der Familie gegessen, die Männer gehen anschließend in speziellen Hütten Kava trinken. Als Tourist wird man oft eingeladen, an dieser Zeremonie teilzunehmen. Es ist nicht jedermanns Sache, und jeder sollte selbst bestimmen, ob oder wieviel er davon probieren möchte.

Eine Kava-Zeremonie

Kava wird aus einer Wurzel gewonnen. Diese wird in einem speziellen Mörser zu feinem Pulver zerstoßen, welches in ein feines Tuch gegeben wird. Dieses kommt in kaltes Wasser und wird dann ausgedrückt. Der Effekt ist hauptsächlich, dass sich der Körper entspannt, das Zahnfleisch taub wird. Viele mögen allerdings den erdigen Geschmack nicht so gerne und man sollte natürlich auch darauf achten, mit was für einer Wasserqualität das Kava-Getränk zubereitet wird.

Ein Schwein wird für ein Pig-Roast vorbereitet.

Einladung zu einem Pig-Roast

Außerdem werden wir zu einem speziellen Ereignis eingeladen, auf einem vorgelagerten kleinen Motu (Insel) wird ein sogenanntes „Pig-Roast“ mit und für uns zelebriert. Dafür werden sogar kleine Ferkelchen lebend in Dingis auf die Insel rüber transportiert und dort fachmännisch geschlachtet. Sicherlich nicht jedermanns Sache, doch für uns, nach einer langen Zeit ohne Fleisch, eine absolute Delikatesse.

Über der Glut werden die Schweine gegart.

Mittlerweile sind auch andere Boote angekommen und so wird allerhand aus den Bilgen gezaubert. Wir Segler bringen Salate und alkoholische Getränke mit und am Ende werden lustige Tänze aufgeführt. Nebenbei lernen wir viel über das Leben auf dieser abgelegenen Insel im Königreich Tonga. Interessant: Alkohol gibt es auf Niuatoputapu sonst nirgendwo.

Inselrundfahrt mit dem Pick-up

Inselrundfahrt mit dem Pick-up

Spektakulär ist auch eine Fahrt über die Insel, zu der wir ebenfalls eingeladen werden. Wir quetschen uns mit etwa 15 Personen auf einen Pick-up und ab geht die Post über die Straßen der Insel! Wir baden in einem kleinen Süßwasserpool, bestaunen die kleine Piste des Flughafens, können den Frauen beim Bearbeiten der Pandanusblätter zusehen und verfolgen die Vorbereitungen für den Besuch des Königs, der hier zur Eröffnung einer Landwirtschaftsschau erwartet wird.

Der Süßwasserpool

Niuatoputapu ist ein übersichtliches Fleckchen Erde

Überall auf der etwa vier mal zwei Seemeilen großen Insel bekommen wir als augenscheinliche Gäste Papayas, Brotfrüchte und Kokosnüsse gereicht. Gut ist es, auch etwas im Austausch anbieten zu können, auch wenn dies von den Einheimischen absolut nicht erwartet wird. So kam am Morgen nach unserer Ankunft in Niuatoputapu die Dame, die uns tags zuvor die Simkarte für den Internetzugang verkauft hatte, mit etlichem Obst und Gemüse zum Boot. Viel hatten wir nicht zum Tauschen, doch war da noch die alte Nagellacksammlung und die Freude war entsprechend groß!

Tauschgeschäft

Nach ein paar Tagen auf Niuatoputapu haben wir das Gefühl, fast alles auf dieser Insel gesehen zu haben, die freilaufenden kleinen Ferkel, die einem munter zwischen den Beinen durchhopsen, die Mädchen und Frauen, die in mühsamer Arbeit die Pandanusmatten vorbereiten und flechten, die üppige Natur und vor allem die freundlichen Bewohner der Insel. Restaurants gibt es keine auf Niuatoputapu und wir finden nur zwei Läden, die mit dem Einfachsten ausgestattet sind – Konservenbüchsen, Chips und Softdrinks.

Unterwegs im Ort Falehau

Unser nächstes Ziel ist die Inselgruppe Vava'u – 160 Seemeilen weiter südlich. Vorerst müssen wir uns aber in Niuatoputapu bei den Behörden abmelden. Da alle Boote am gleichen Tag fahren wollen, haben sie es leicht. Die Offiziellen kommen an die Betonpier und ruckzuck sind die Formalitäten erledigt.

Niuatoputapu wurde 2009 schwer von einem Tsunami getroffen und die Schäden sind auch heute noch sichtbar. Die Betonpier ist nichts für schwache Nerven und viele Seezeichen haben auch dran glauben müssen. Deshalb auch der unbedingte Rat: bei gutem Licht und Hochwasser hinein- und aus der Lagune rausfahren.

Wir haben es leider selbst leidlich erfahren, als wir beim Auslaufen im fahlen Licht des frühen Morgens die Farben der verrosteten Tonnen nicht ausreichend erkennen konnten und es zudem vor lauter Müdigkeit versäumt haben, auf unseren GPS-Track zu schauen. Prompt steckten wir zwischen den Korallen fest. Nichts ging mehr, nur mit Hilfe unseres Kumpels und ein paar Fischern kamen wir mühsam frei …

Freilaufende Ferkel und Schweine im Ort

Fazit

Abschließend sind wir froh, dass wir diese so selten angesteuerte Insel im Norden von Tonga besucht haben. Die Inseln Tongas werden von ihren Bewohnern die „friendly islands“ genannt und genau das konnten wir hier erleben. Vom geselligen Einklarieren über die Großzügigkeit der Menschen und der fast naiven Freude der Einheimischen, uns etwas Gutes zu tun.

Auf Niuatoputapu ticken die Uhren sehr langsam und alles geht sehr gemächlich zu. Einzig die freilaufenden Ferkel springen quietschfidel über Wiesen und Straßen. Der Alltag auf der Insel ist geprägt durch traditionelle Arbeiten, sprich dem Fischen und der Herstellung der als Röcke getragenen Bastmatten.

Jedem, der auf der Suche nach dem einfachen, traditionellen Leben ist, möchten wir Niuatoputapu ans Herz legen. In unseren Herzen hat diese Insel einen großen Platz eingenommen.

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