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Die Faszination Seefahrt umtreibt den pensionierten Lehrer schon seit seiner Kindheit. Mit 16 heuerte er auf einem Frachter an, später fuhr er als Navigator bei der Marine. Sein erstes Segelboot war ein Folkeboot, dann überquerte er mit Frau und Kind auf einer Fahrtenyacht den Atlantik. Heute segelt Peter eine Wauquiez Pilot Saloon 40, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Anett ist er seit sechs Jahren im Mittelmeer, dem Atlantik und der Karibik unterwegs.
Titelfoto: ©Peter Osenberg
Kreta liegt weit im Süden der Ägäis und wird nur von wenigen Seglern besucht
Kreta begrüßt uns mit einem Paukenschlag. Normalerweise wird die Lagune von Balos als Highlight von Kreta gehandelt und gerne mit der Südsee verglichen. Doch davon ist im Moment nichts zu sehen, stürmisches Regenwetter und die einsetzende Dämmerung machen die ganze Pracht zunichte. Auch am nächsten Tag nehmen wir bei anhaltend schlechtem Wetter die Kulisse des Hafenortes Chania nur schemenhaft wahr: den alten Leuchtturm, das orientalisch anmutende Stadtbild und die mit Schnee bedeckten Zweitausender dahinter.
Es ist Anfang Mai und wir wollen nach drei ägäischen Segelsommern jetzt auch Kreta in unsere Insel-Sammlung aufnehmen. Die Reiseplanung sieht vor, sich auf die Nordküste zu beschränken und den Inselbesuch mit Ausflügen an Land zu bereichern. Wegen der berüchtigten Fallwinde und Kapeffekte wollen wir auf die Südküste lieber verzichten. Am Ende kommt es anders, aber davon später.
Für den Kreta-Einstieg ist das multikulturelle Chania bestens geeignet. Das von mittelalterlichen Mauern umgebene Gassengewirr beginnt gleich hinter dem Liegeplatz. In einem eleganten Bogen zieht sich die Altstadt um den Hafen herum und lässt die Einflüsse von venezianischen, ägyptischen und osmanischen Besatzungsmächten erkennen. Und das Hafenamt ist in einer Moschee aus dem 17. Jahrhundert untergebracht. Spiros, der freundliche Hafenmeister, kassiert täglich akribisch genau das Hafengeld und erzählt, dass winterliche Nordstürme den Hafen und die Uferpromenade regelmäßig überspülen.
Tagelang schlendern wir durch die Stadt und erkunden auch die nahe gelegene Halbinsel Akrotiri. Dann plötzlich steht die Coast Guard an der Pier und verlangt die sofortige Kontrolle unserer Papiere im Hafenamt. Das Gute an diesem Vorgang ist, dass uns der Kommandant höchstpersönlich darüber aufklärt, dass das Befahren der Südküste jetzt im Frühjahr unbedenklich sei. „Ihr müsst nur die Windschneise bei Plakias beachten.“ Diese Information kommt uns sehr gelegen, da wir bei unseren Ausflügen gemerkt haben, dass die Nordküste für Segler längst nicht so attraktiv ist wie erwartet. Nach einem kurzen Abstecher im sehenswerten Rethimnon machen wir uns nun auf, Kreta gegen den Uhrzeigersinn zu umrunden und auch die Südküste zu entdecken.
Balos ist der griechische Südseetraum
Zehn Tage nach unserem ersten Landfall erreichen wir erneut die Bucht von Balos. Wir nähern uns der vorgelagerten Insel Gramvousa mit ihrer venezianischen Festung, dann fällt der Anker neben einem verrosteten Wrack. Jetzt entpuppt sich die Bucht tatsächlich als das angepriesene Highlight, die Wasserfarben strahlen türkisblau wie in der Südsee.
„Das Wrack ist der Frachter Dimitros P.“, erzählt uns Michalis, der zusammen mit seinem Hund der einzige Bewohner der Insel ist. „Im Januar 1968 ist er hier bei schwerem Wetter gestrandet.“ Wir erfahren auch, dass seit 1579 die gesamte Nordwestküste Kretas von der Festung auf der Insel aus kontrolliert wurde. Michalis ist für die Sauberkeit der unter Naturschutz stehenden Insel zuständig, „jeden Tag bringt das Ausflugsschiff Hunderte von Tagesbesuchern vom Festland.“
In Begleitung des Hundes machen wir uns auf zum 137 Metern hoch gelegenen Kastell, vorbei an einer an Afrika erinnernden Kakteen-Landschaft. Der Ausblick auf die Lagune von Balos ist grandios, mit Schrecken beobachten wir allerding die Ankunft des Ausflugsschiffes und die Ankunft der Massen, die im Sturmschritt die Insel erobern. Als die Ersten am Gipfel ankommen, machen wir uns auf den Rückweg. Bei unserem Abschied hören wir noch von Michalis, dass der Ausflugsdampfer mit 1.200 Fahrgästen komplett ausgebucht ist.
Immer wieder ist auch Starkwind im Revier möglich
Nach dem gelungenen „Südsee“-Aufenthalt steuern wir mit herrlichem Wind aus Nordwest den Ort Paleochora an, der auf einer Art Sporn an der Südwestküste liegt. Bei der Annäherung erleben wir ein typisches Wetterphänomen: In kürzester Zeit nimmt der Wind auf beängstigende 50 Knoten zu und wir entscheiden, den Hafen bei so viel Wind nicht anzusteuern. Aber auch am Ankerplatz erleben wir eine ungemütliche Nacht mit Ankerwache und dem ständigen Einrucken der Kette. Ungläubig hören wir später von deutschen Freunden, dass es im Hafen ziemlich ruhig war.
Als wir am nächsten Morgen bei gleichbleibendem Wind in den abgelegenen, etwas verwahrlosten Hafen einlaufen, ist es dort tatsächlich viel ruhiger. Bei einem Spaziergang können wir aus erhöhter Position deutlich die Trennlinie zwischen Ruhe und Sturm erkennen.
Entgegen des ersten Eindrucks entpuppt sich Paleochora als ein charmanter Ort zum Verweilen und Verproviantieren. Auf dem gebirgigen Teilstück bis Sfakia gibt es keine Küstenstraße, sodass der Verkehr ausschließlich mit Fährschiffen abgewickelt wird: perfekt für Wanderer, die auf dem Wanderweg E-4 die beiden berühmten Schluchten Samaria und Aradena besuchen wollen.
Im Zick-Zack-Kurs besuchen wir auch die Kreta im Süden vorgelagerten Inseln
Wir dagegen wollen die ganze Südküste unter Segeln abfahren und im Zick-Zack-Kurs auch die vorgelagerten kleinen Inseln besuchen. Unter anderem den südlichsten Punkt Europas, der nur eine Tagesreise von Paleochora entfernt auf der Insel Gavdos liegt. Nach einem schnellen Ritt auf der ruhigen Seite der Wind-Trennlinie machen wir in Karave auf der Insel Gavdos fest, ein kleiner Hafen, der in unserem Handbuch noch gar nicht verzeichnet ist.
Am Fähranleger gibt es ein halbes Dutzend Häuser, dazu eine Taverne mit kleinem Supermarkt und oberhalb des Hafens thront die Coast-Guard und genießt die beste Aussicht des Ortes. Die Insel wird ein Highlight unserer Reise, in mehreren Tageswanderungen erkunden wir die Umgebung und haben dabei oft die mit Schnee bedeckten Berge Kretas im Visier.
Selbstverständlich machen wir uns auch auf zum südlichsten Punkt Europas. Ein herrlicher Wanderweg führt durch eine menschenleere Landschaft bis zur Traumbucht Aliki, wo eine am Strand zerschellte Dau die Nähe zur afrikanischen Küste belegt. Am Ziel angekommen lassen wir es uns nicht nehmen, den riesigen Stuhl zu erklimmen, der auf einer steilen Klippe die Antipode zum Nordkap darstellt. Ein ganz anderes Bild liefert der Norden der Insel: das liebliche Oleandertal und die phantastische Dünenlandschaft von Agiannis, wo sich ein paar Hippies unter Schatten spendenden Tamarisken niedergelassen haben. Kurzum: Gavdos ist eine Insel zum Verlieben!
Auf dem Rückweg nach Kreta herrschen beste Segelbedingungen, auf Kurs Nord steuern wir auf ein schneebedecktes Gebirge zu. 20 Seemeilen entfernt liegt Loutro, der einzige autofreie Küstenort Kretas. Wieder fällt unser Anker in einer Traumbucht mit türkisfarbenem Wasser, die Bucht ist umgeben von einem halbrunden Amphitheater aus steilen Berghängen mit weißen kubischen Häusern.
An Land lebt Coco, das Maskottchen vom Hotel Daskalogiannis. Coco ist ein Graupapagei und begrüßt Besucher gerne auch mehrsprachig. Andy, der Hotelmanager, erzählt uns bei einem Drink die Geschichte vom Freiheitskämpfer Ioannis Vlachos, genannt Daskalogiannis. Der Mann aus dem Dorf Anopoli hoch oben in den Bergen über Loutro hat 1770 mit 2.000 Mitstreitern einen Aufstand gegen das Osmanen-Regime gewagt. Lebhaft berichtet Andy von blutigen Kämpfen und kollektiven Selbstmordaktionen gegen die Türkenherrschaft. Und staunend nehmen wir zur Kenntnis, dass Kreta erst 1913 Teil des griechischen Staates wurde.
Wir haben etwa die Mitte der Südküste von Kreta erreicht und wollen es nun wagen, auch Plakias zu besuchen. Die Worte des Coast-Guard-Kommandanten im Ohr, segeln wir dicht unter Land ostwärts. Das aber scheint keine gute Idee zu sein: Zwei Seemeilen vor Plakias verdüstert sich der Himmel, hektisch bergen wir die Segel, dann fegen 50 Knoten Wind und ungeheure Wassermassen über unser Deck.
Nass und kalt sind wir mittendrin in der berüchtigten Windschneise, vor der man uns in Chania gewarnt hatte. Nachdem der Spuk kaum 30 Minuten später vorbei ist, beschließen wir dankend, auf Plakias zu verzichten. Unter Motor setzen wir unsere Fahrt fort und machen abends erleichtert im sicheren Hafen von Agia Galini fest. In Gesellschaft eines italienisches Fischtrawlers und eines altersschwachen Coast-Guard-Schiffes, mehr Boote gibt es hier nicht.
Nur einen Steinwurf entfernt liegt Matala. Der Ort war in den 1970er Jahren ein beliebtes Hippieziel und wir sind neugierig, was davon übriggeblieben ist. Von unserem exklusiven Ankerplatz inmitten der halbrunden Bucht haben wir alles im Blick: die Höhlen, den Strand und den lebendigen Ort mit jeder Menge Bars und Tavernen. Und tatsächlich: Durch die Gassen weht immer noch ein Hauch der Hippiezeit und beim abendlichen Rundgang genießen wir die entspannte Atmosphäre. Die früher von den Hippies bewohnten prähistorischen Höhlen stehen heute allerdings unter Naturschutz, können aber besichtigt werden.
Die Südküste von Kreta ist definitiv sehenswert und eine Reise wert
Unserem Zick-Zack-Kurs bleiben wir treu und hangeln uns über die 50 Seemeilen weiter östlich gelegene Düneninsel Chrisi bis nach Ierapetra. Das ist die südlichste Stadt Europas und selbst Napoleon soll hier bereits Station gemacht haben. Die Insel Koufonisi ist dagegen unbewohnt, sie ist mit ihrer bizarren Felslandschaft und den guten Tauchplätzen das letzte Inseljuwel unserer Reise entlang der Südküste.
An der Südküste Kretas stoppen wir noch in der idyllischen Bucht von Porta Zakros. Hier beginnt der bekannte Wanderweg E-4, auch wir stapfen durch die blumenreiche Todesschlucht und gelangen nach stundenlanger Kletterei über Felsen und Wasserläufe zum Bergdorf Zakros. Nach zwei weiteren Stopps in den Ankerbuchten von Paleokastro und Vai und 250 Seemeilen von Balos an der Nordwestspitze von Kreta entfernt, verabschieden wir uns endgültig von der Südküste.
Das Revier liegt abseits der gängigen Routen, insgesamt haben wir auf der ganzen Strecke nur drei Yachten getroffen. Die Winde, die durch und über die 2.500 Meter hohen Gebirgszüge ziehen, sind ziemlich unberechenbar. Segler müssen hier die Wetterlage genau beobachten und besonders in Küstennähe immer auf der Hut vor einem plötzlichen Windanstieg um mehrere Beaufort sein. Ansonsten aber ist man hier, solange kein Südwind bläst, buchstäblich auf der sicheren Seite.
Durch unseren Zick-Zack-Kurs hatten wir mit Paleochora, Agia Galini, Gavdos und Ierapetra immer einen brauchbaren Hafen in passabler Reichweite, ergänzt durch die beiden guten Ankerplätze von Loutro und Matala. Wer möchte, kann bei entsprechender Wetterlage und strammer Törnplanung die Südküste auch in einer Woche besegeln.
Am Ende haben wir Kreta von Rethimnon bis Spinalonga gegen den Urzeigersinn fast komplett umrundet und dabei insgesamt 500 Seemeilen zurückgelegt. Dabei haben wir insbesondere die Südküste von Kreta als äußerst lohnendes Segelziel mit einer großen Facetten-Vielfalt schätzen gelernt. Die Entscheidung, unsere ägäische Insel-Sammlung um Kreta zu erweitern, war definitiv richtig.
Diese Charter-Agenturen helfen dir, einen Törn nach Kreta zu organisieren
Eine richtige Charterbasis gibt es auf Kreta nicht. Immer mal wieder gibt es dennoch kleinere Anbieter. Oder man beginnt seinen Törn auf der etwa 130 Seemeilen entfernten Charterbasis auf der Insel Rhodos. Für eine deutschsprachige Beratung und die zuverlässige Buchung können diese Firmen behilflich sein:
Hallo, guten Tag,
ich lande zufällig auf dieser Webseite und habe folgende Frage:
Gibt es auf Kreta Mitsegelmöglichkeiten? Wir Ehepaar (60+), topfit, sind vom 15.-22.10. auf Kreta schon in Hotelanlage gebucht und möchten aber schon 1 Woche früher Kreta erleben. Gibt es dann vielleicht Mit-Segelmöglichkeiten?
Danke für eine Antwort.
H. Große Hokamp
Hallo
Aus purer Neugier. Hattet Ihr nun etwas gefunden?
Hallo Heinrich ,
um auf Kreta zu segeln kannst du mal bluewaterlife.de kontaktieren. da konnte man früher zumindest mitsegeln.
Gruß
Lothar