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Michael ist seit über 20 Jahren als Journalist und Fotograf auf dem Wasser tätig. Der studierte Geograf hat weltweit Reisereportagen in mehr als 100 Charter- und Blauwasserrevieren produziert. Zudem haben den Hamburger viele Segelreisen und seine frühere Tätigkeit als Charter- und Überführungsskipper rund um den Globus geführt. Zusammen mit Sönke Roever ist er die treibende Kraft von BLAUWASSER.DE und ein beliebter Referent auf Bootsmessen und diversen Seminaren (siehe Termine).
Los geht’s ab Pula – die Marina Veruda ist das nautische Zentrum der Halbinsel Istrien
Meine Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Die Brise ist nahezu perfekt, vier Beaufort aus Nordost, und das bei Kurs Nordwest, „das ist gut“, sage ich, und reibe mein Kinn. Ein schneller Blick hinauf in die Segel, sie stehen, dann noch ein Blick voraus. Ich prüfe die Entfernungen zu zwei, drei anderen Yachten und lasse meine Augen einmal über den Horizont wandern. Noch eine kleine Kurskorrektur, dann übernimmt der Autopilot surrend seinen Job. Zeit, sich genauer umzuschauen.
An Steuerbord erhebt sich Istrien aus der blauen Adria, grüne Hügel, von Macchia und Pinien überzogen. In kleinen Wölkchen schwebt würzige Luft vom Land herüber. Lavendel. Thymian. Myrte.
Voraus liegt Fazana, ein kleiner Fischerort, der nur ein paar Seemeilen nördlich der Marina Veruda von Pula liegt. Doch uns zieht es nach Westen, auf die Brijuni-Inseln, einst Lieblingseiland des jugoslawischen Präsidenten Tito und heute ein Nationalpark.
Istriens Halbinsel bietet mehr als genug Ziele für eine eigene Segelreise
Dabei lässt die Mehrheit der Chartersegler Istrien links liegen, „die wenigsten segeln diese wunderschöne Küste ab“, bestätigte auch der Stützpunktleiter bei der Schiffsübergabe. „Die Mehrheit setzt von Pula aus Kurs Südost Richtung norddalmatinische Gewässer.“ Sie steuern die Kvarner-Bucht mit den vielen kleinen und größeren Inseln an, Krk und Rab, Cres und Susak.
Doch unter widrigen Umständen – wenn zum Beispiel die berüchtigte Bora weht – kann der Törn über den Kvarner Golf ein Höllenritt sein. Die Region gilt als echte Bora-Schneise, hier fegen die aus dem Küstengebirge herabstürzenden Fallwinde besonders stark übers Meer.
Warum also nicht in Istrien bleiben, wo postkartenschöne Orte aneinandergereiht liegen wie Perlen auf einer Kette, und wo der Wind für gewöhnlich deutlich sanfter mit den segelnden Touristen umgeht?
Denn sollte die Bora tatsächlich einmal wehen, ist sie hier ein abgeschwächter und ablandiger Segelwind, der dicht unter der Küste auch keinen Seegang verursacht. Zugegeben, schöne und einsame Ankerbuchten sollen rar sein (aber es gibt sie!), dafür gibt es ein dichtes Netz an modernen Marinas und hübschen, alten Stadthäfen.
Die Brijuni-Inseln sind schön, charmant, ruhig – und teuer
Es sind die ersten Seemeilen auf unserer Charteryacht LE PACHA, einer Dufour 382. In der Entfernung blinzelt Fazana an Steuerbord über den Horizont, voraus aber liegt Veli Brijuni, die größte der insgesamt 14 Brijuni-Inseln, ein Nationalparkgebiet.
Der Hafen ist nahezu leer, eine Fähre durchpflügt das Wasser und macht fest, man sieht aus der Ferne ein paar Urlauber über die Pier schlendern und in den zwei Inselhotels verschwinden. „Viel mehr Möglichkeiten, sich auf Brijuni einzuquartieren, gibt es auch nicht“, sagt der Hafenmeister, der einen dreistelligen Eurobetrag für eine Nacht verlangt. Ob sich das lohnt?
Wir marschieren los, rasten an dem kleinen Kiosk, der sich unter die steinalten Eichen duckt, kosten die Schokoladentorte, die dort angeboten wird und den Cappuccino, dann wandern wir um das Hafenbecken herum, an der Kirche St. German vorbei und den Hotels, weiter ins Grüne, über den Golfplatz und an den Wiesen vorüber, auf denen Zebras grasen und somalische Schafe, indische Rinder, Lamas und Pfauen.
„Das sind alles Geschenke von Titos Staatsgästen“, hatte der Hafenmeister nach dem Anlegen erzählt. Über 30 Jahre hatte Josip Broz Tito auf Brijuni das Zepter in der Hand, er empfing Staatsgäste und Hollywoodstars. Die Präsidenten Nehru und Nasser waren da, Gaddafi, Willy Brandt und Jassir Arafat, Fidel Castro, Indira Gandhi, Sophia Loren und Richard Burton, wie die Fotodokumentation in dem kleinen Museum im 70er-Jahre-Style bezeugt.
Auf Brijuni könnte man ein paar Tage bleiben. Mit dem Golfcart über die Insel schaukeln, die Strauße mit trockenen Gräsern füttern, noch ein paar bewundernde Blicke über Titos grünen Cadillac streichen lassen. Doch die Liegegebühr ist hoch (Stand 2024: 170 Euro für Yachten bis 35 Fuß Länge, inkl. Eintrittsgebühr für bis zu fünf Crewmitglieder) und wir wollen weiter, also: Kurs abstecken, Leinen los, Segel setzen.
Rovinji – die Perle des Reviers mit neuer Marina
Nächstes Ziel: Rovinj. Knapp zwölf Seemeilen sind es bis dorthin, besagt die Seekarte. Die Adria liegt glatt wie ein Laken da, kein Windhauch ist zu spüren, so tuckern wir unter Motor Richtung Norden. Irgendwann springen Delfine aus dem Meer, erst zwei, dann vier, dann fünf, sie spielen mit der Bugwelle, durchteilen mit ihren Rückenflossen das Wasser, bis sie abtauchen und wieder in der Adria verschwinden.
Kurz vor Rovinj zeigt sich an Steuerbord ein kleiner Ankerplatz, die Bucht Lon, an deren Ufer Aleppokiefern, Zedern und Pinien stehen. Doch uns zieht es weiter bis ins Stadtzentrum.
Rovinj gilt als eine der schönsten Städte weit und breit. Alte Fassaden ragen aus dem Meer, mal bräunlich, mal gelb, mal rot, mal rosa, im Hintergrund der Glockenturm der Euphemia-Kirche, der dem Markusturm in Venedig zum Verwechseln ähnlich sieht. Wir treiben an Rovinj vorbei, an der Halbinsel, die rund in die blaue Adria ragt. Möwen kreischen. „Wir machen da hinten fest!“, sage ich irgendwann und deutet auf die Stadtpier nördlich der Altstadt direkt unterhalb des kleinen Marktplatzes.
Steinalt und pittoresk ist der Ort, schmale Gassen winden sich durch die Altstadt, man kann an kleinen Boutiquen und Galerien vorbeischlendern und landet ein paar Minuten später im zweiten Hafenbecken, im malerischen Katarina, in dem Hunderte Fischerboote schaukeln und das für Yachten gesperrt ist.
Alte Männer sitzen in den Cafés und spielen Karten, Fischer flicken in der Abendsonne ihre zitronengelben Netze, Einheimische und Touristen flanieren auf und ab, kaufen hier ein Armband und dort ein duftendes Lavendelsäckchen und kehren später am Abend in einem der vielen Lokale ein.
Wer sucht, der findet auch entlang der Küste Istriens schöne Ankerbuchten
An Istriens Küste ist das nächste Ziel nie fern. Kleine zauberhafte Städtchen, Häfen vor alten Fassaden, nur Buchten sind rar. Ich brüte eine kleine Weile über der Seekarte und finde, was ich suche: Eine kleine Einbuchtung hinter dem Kap Križ am Eingang des Limski-Kanals, „hier können wir unseren Anker werfen“, sagt ich. Nach einer Stunde Fahrt rauscht die Kette aus dem Ankerkasten, der Haken taucht gurgelnd ein in türkis schimmerndes Wasser.
Ringsherum Hügel, von Kiefern und Pinien überzogen, die ihre Wurzeln in den kargen Boden krallen. Man sieht bis zum Grund, sieht die Seegrashalme, die bei jeder Bewegung des Wassers erzittern, den feinen Sand in wellenförmigem Muster. Man hört, wie das dumpfe Stampfen des Schiffsdiesels verstummt und spürt, wie die gleichförmigen Vibrationen in sanftes Schaukeln übergehen.
Jetzt, im Mai, ist die Bucht nahezu leer, auch in Stadthäfen und Marinas findet sich immer ein schönes, freies Plätzchen. Ohnehin bieten Frühjahr und Herbst tolle Segelbedingungen: Da weht an Istriens Küste meist eine angenehme Segelbrise und die Temperaturen sind zwar schon sommerlich, aber noch nicht heiß. In den Sommermonaten muss man dagegen auch mit Hitze und Flaute rechnen.
Nächstes Ziel mit Traumkulisse: Porec
Keine zehn Seemeilen weiter nördlich liegt Porec. Der Wetterbericht lässt erahnen, dass die Bora das Wasser in der Kvarner Bucht gerade in eine Wellenwüste verwandelt, hier hingegen weht nur eine schöne und ablandige Brise von gut vier, fünf Beaufort. So werfen wir die Leinen los, segeln gen Norden und zurren die Leinen bereits rund eineinhalb Stunden später an zwei alten, in der Uferpromenade eingelassenen Eisenringen fest.
Unsere Charteryacht liegt in erster Reihe, rundherum alte Palazzi. Hier und da ragen Glockentürme aus dem Häusermeer, und die berühmte dreischiffige Euphrasius-Basilika ist nur wenige Gehminuten entfernt. Doch bevor wir Porec erkunden, ordern wir im Café Epoca gleich gegenüber des Liegeplatzes Cappuccino und Kuchen. „Wir bringen es gleich rüber an Bord“, sagt die Bedienung und nickt in Richtung des Cockpits.
Auch Porec verzaubert. In den schattigen Gassen, genauso wie auf dem Decumanus, der herausgeputzten Einkaufsstraße. Auf den Plätzen mit ihren blanken Pflastersteinen und in der Basilika, die seit 1997 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Eine alte Dame ganz in Schwarz legt einer vorbeigehenden Touristin besonders die Apsis ans Herz, „schauen Sie sich unbedingt die Wandmosaike an!“, sagt sie bestimmt, „und auch die thronende Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoß.“
Istriens Wasserqualität lobte schon Jacques Cousteau
Die Basilika von Porec ist nur ein weiterer von vielen guten Gründen, an Istriens Westküste zu segeln. Und neben den vielen zauberhaften Orten und dem dichten Netz von Marinas und Stadthäfen gibt es noch ein weiteres Plus: die Badewasserqualität. Schon Jacques Yves Cousteau lobte das blitzsaubere und kristallklare Wasser der Adria, und daran hat sich nichts geändert: Überall an der istrischen Westküste weht die blaue Flagge, die die gute Wasserqualität und sensiblen Tourismus bescheinigt.
Die Perlenkette nimmt kein Ende: Umag und Novigrad
Nördlich von Porec liegen nur noch zwei Städtchen auf dem Weg: Novigrad und Umag. Wieder Orte wie aus einem Urlaubsprospekt, mit italienisch anmutenden Palazzi und marmorglänzenden Plätzen, dazwischen blaue Adria vor grüner Küste. Eine leichte Brise füllt die weißen Segel unserer Charteryacht und treibt uns voran. Eine Motoryacht rast vorbei. Die Sonne wirft glitzernde Sterne auf die Wasseroberfläche, es gurgelt und schäumt. Und irgendwann tauchen wieder Delfine auf, drei, vier, fünf, und springen und schwimmen in der Bugwelle.
Novigrad war einst griechische Kolonie, später römische Siedlung und irgendwann sogar einmal Bischofssitz. Historische Spuren, die man dem mittelalterlichen Städtchen noch ansieht, die man an den gewaltigen Festungsmauern ausmachen kann und auch an dem Campanile, der hier einmal mehr wie ein Zwilling des Markusturms im nahen Venedig aussieht.
Wir schlendern durch das 1.400 Jahre alte Seestädtchen, stöbern in kleinen Boutiquen, flanieren durch die autofreie Altstadt, am freistehenden Glockenturm vorbei und kehren später in die Konoba Cok ein, in der der Küchenchef frittierte Fischhaut, Tunfischtatar und Oktopus auf Kichererbsenmus serviert.
Bleibt noch Umag, das sich in die sichelförmige Bucht ganz im Norden Istriens schmiegt. Eine warme Brise pustet durch die Gassen, lässt die Blüten der Bougainvillen wippen. Gerade mal 150 Meter breit ist die Landzunge, ein paar Schritte nur, und man ist auf der anderen Seite, dort, wo Wellen an den Restauranttischen schmatzen und die Wirte vor ihren Fischvitrinen um Gäste buhlen.
Fazit: Istrien steht für sich selbst und ist eine eigene Reise wert
Auf dem Törn zurück gen Süden werden all die zauberhaften Orte noch einmal an uns vorbeihuschen wie eilige Reisende. Auf halber Strecke werden wir noch in Vrsar stoppen, in dem 1700 Seelen zählenden Fischerort, wir werden in der Marina festmachen oder an der Stadtpier und wahrscheinlich noch zum kleinen, steinigen Strand wandern, der einen halben Kilometer von der Altstadt entfernt liegt.
Dann geht’s weiter – an Rovinj vorbei, irgendwann schwimmen die Brijuni-Inseln an Steuerbord vorüber und Pula kommt in Sicht, die größte und älteste Stadt Istriens. Schon von Weitem werden wir das hoch über der Stadt thronende und berühmteste Bauwerk der gesamten Küste sehen: das 2000 Jahre alte römische Amphitheater, das ellipsenförmig und riesig da liegt. Dahinter ist Istrien dann fast zu Ende, dahinter breitet sich die Kvarner Bucht aus. Aber das ist eine andere Geschichte, eine andere Reise. Keine, die irgendjemand an Bord während der Woche in Istrien jemals vermisst hat.
Charter
Charter: Das größte Charterangebot Istriens gibt es in der Marina Veruda bei Pula. Aber auch in den nahen anderen Orten finden sich weitere Anbieter. Natürlich ist das Revier auch problemlos von den Charterstützpunkten im Kvarner rund um Rijeka zu erreichen, selbst auf einem einwöchigen Törn. Dazu kann jeder Venedig-Törn sehr gut mit Istrien verbunden werden. Das Angebot an verfügbaren Yachten ist wie überall in Kroatien groß und vielfältig.
In Kroatien finden sich neben den klassischen Charteryachten (meist zwischen zehn und 15 Meter Länge) auch Katamarane, Spezialanbieter und viele Firmen, die Kojen- und Kabinencharter, Ausbildungstörns oder Crewed Charter anbieten sowie Minikreuzfahrten auf Motorseglern. In Kroatien ist für das Chartern einer eigenen Yacht neben dem Sportbootführerschein auch eine Funklizenz notwendig, die man zur Not auch vor Ort erwerben kann.
Diese Charter-Agenturen helfen dir, eine Yacht zu finden
Für eine deutschsprachige Beratung und die zuverlässige Buchung von Charteryachten bewährter Anbieter können diese Firmen behilflich sein:
Charter-Stützpunkte, Mitsegelgelegenheiten und weitere Dienstleistungen (Anzeigen)
Diese Firmen betreiben vor Ort einen Charterstützpunkt und helfen dir die richtige Charteryacht zu finden. Andere haben ein attraktives Mitsegelangebot im Programm oder bieten interessante Dienstleistungen für Segler an.Weitere Infos zum Revier
Brijuni Inseln
Ja, der Besuch der Inseln ist teuer: Die erste Tarifstufe ist pauschal für Schiffe bis 14,99 Meter. Je nach Jahreszeit werden zwischen 100 und fast 200 Euro verlangt. Im Preis inbegriffen ist für alle Crewmitglieder der Eintritt in den Nationalpark, ins Museum und in den Safaripark. Nach dem Bezahlen im Hotel Neptun im Hafen von Veli Brijun (Festmachen mit Muringleinen an der Hafenpier) darf man auch die Ankerbucht Mikula auf der Nachbarinsel Mali Brijun anlaufen (Festmachen an Murings). Auf der heute unbewohnten Insel gibt es eine 175 Meter lange Festungsanlage aus dem 19. Jahrhundert, in der einst über 500 Soldaten Dienst hatten.
Wind und Wetter
Im Sommer weht in diesem Revier öfter ein aus Nordwest kommender Wind, der auch hier Mistral genannt wird. Er setzt meist vormittags ein und erreicht am Nachmittag 3 bis 4 Beaufort, am Abend schläft er üblicherweise wieder ein. An heißen Flautentagen kann man am Nachmittag mit einer Seebrise rechnen. Die berüchtigte Bora, ein ablandiger Nordostwind, kann Starkwind bringen, ebenfalls der Südwind Jugo. Jährliche Sonnenstunden in Istrien: 2380!
Häfen und Ankerplätze
Alle sechs größeren Küstenstädtchen bieten Marinas, dazu gibt es noch sechs weitere Yachthäfen und zahlreiche kleinere Anlegestellen. An städtischen Anlegern liegt man preiswerter als in den modernen Marinas. Die Anzahl an schön gelegenen, einsamen und sicheren Ankerbuchten ist beschränkt, Bojenfelder wie im Süden des Landes gibt es nur wenige.
Anreise
Mit dem Auto sind es ab München noch etwa 600 Kilometer, meist finden sich überall (kostenpflichtige) sichere Parkmöglichkeiten. Mit dem Flugzeug kann man ab etwa einem halben Dutzend deutscher Städte direkt nach Pula fliegen (je nach Stadt mit Eurowings, Lufthansa, Ryanair, Easyjet oder Croatia Airlines).
Literatur & Seekarten
• Küstenhandbuch Kroatien 1, Edition Maritim
• 888 Häfen und Buchten, Eigenverlag
• Kartensatz NV Atlas Croatia HR01, NV Verlag
• Kartensatz DEKL 7, Delius Klasing Verlag