Segeln rund um den Golf von Fethiye: Buchtenbummeln in der Südtürkei

Ein Beitrag von

Michael Amme

Michael ist seit über 20 Jahren als Journalist und Fotograf auf dem Wasser tätig. Der studierte Geograf hat weltweit Reisereportagen in mehr als 100 Charter- und Blauwasserrevieren produziert. Zudem haben den Hamburger viele Segelreisen und seine frühere Tätigkeit als Charter- und Überführungsskipper rund um den Globus geführt. Zusammen mit Sönke Roever ist er die treibende Kraft von BLAUWASSER.DE und ein beliebter Referent auf Bootsmessen und diversen Seminaren (siehe Termine).

Titelfoto: ©Michael Amme

Fethiye und Göcek sind maritime Zentren der Südtürkei. Die Küste rund um den Golf von Fethiye bieten Törnziele der Extraklasse

Der Himmel ist milchig-grau, der Wind schwach, an der Kreuz segelt ANJAMIA Richtung Süden. Leise gurgelt das Wasser die Bordwand entlang, wir überlassen dem Autopiloten das Ruder, auf dem Cockpittisch stehen frische Kirschen und kalte Cola. Erst in der schmalen Durchfahrt zur Ankerbucht schalten wir uns wieder ein, drehen mithilfe der elektrischen Winsch das Rollgroß zurück in den Mast und zünden den Diesel. An Backbord ziehen ein Dutzend zackiger Tuffsteinfelsen vorüber, an Steuerbord das mit Olivenbäumen und grüner Macchia bewachsene Festlandufer.

Mit einer modernen Charteryacht unterwegs zum Buchtenbummeln. ©Michael Amme

Auf einem hölzernen Motorboot prescht ein junger Türke heran, „Willkommen in Karacaören! Ihr könnt gerne eine Muring nehmen und später zum Essen kommen“, schlägt er vor und bindet sogleich die Leine an der Boje fest. Der Diesel verstummt, der junge Mann fährt zurück ans Ufer und die hydraulische Badeplattform unserer Oceanis 45 senkt sich der Wasseroberfläche entgegen. In der Bucht liegen ein halbes Dutzend Yachten, die Crews dösen an Deck, angeln oder tummeln sich im Wasser, das jetzt in der Vorsaison Ende Mai bereits badefreundlich warm ist.

In der Restaurantbucht Karacaören liegt man statt am Steg an Murings. ©Michael Amme

Am Abend treffen sich alle auf der luftigen Terrasse des einzigen Gebäudes in der Bucht, dem Familiensitz des jungen Can. In einer Art Pizzaofen brennt ein offenes Feuer, daneben glüht ein Grill, und von der Decke hängen bunte Flaggen und Wimpel aus aller Herren Länder. Die Plastiktische sind mit Papiertischtüchern fertig eingedeckt, und am felsigen Ufer unterhalb der Terrasse werden die Fische ausgenommen. Zur Vorspeise gibt es für jeden Tisch scharfes Tomatengemüse, warmes Brot, Salat und Tsatsiki. Und die Auswahl der Hauptspeise beschränkt sich auf die Fischsorte und die Art und Weise der Zubereitung.

Für einsame Buchten mit Gastronomieangebot ist die Türkei unter Seglern bekannt. ©Michael Amme

Der 36-jährige Can betreibt das Lokal in dritter Generation, „mein Großvater war hier Ziegenhirte und hat früher die Fischer bewirtet, die wegen des guten Schutzes in die Bucht kamen.“ Zu Beginn der 80er Jahre hat sein Vater, ein Schwammtaucher, die ersten privaten Yachten bewirtet, inzwischen hat Can Ketten und Betonklötze auf dem Grund versenkt, „ich kann hier bis zu 60 Yachten in der Bucht unterbringen.“ Der junge Mann züchtet nebenbei Hühner und Wachteln, fährt als Fischer raus aufs Meer und bewirtschaftet rund 600 Olivenbäume. Er hat seine nur mit dem Boot erreichbare Bucht mit Sonnenkollektoren und 80 Gelbatterien ausgestattet, eine acht Kilometer lange Wasserleitung gebaut und ist zwölf Monate im Jahr für seine Gäste am Ort.

Can und seine Leute landen täglich frischen Fisch für ihre Gäste an. ©Michael Amme

Einsame Restaurantbuchten wie die von Can sind das Markenzeichen des Segelreviers Südtürkei, überall entlang der Küste haben umtriebige Restaurantbetreiber mit viel Liebe und Geld in die Infrastruktur ihrer einsam gelegenen Anlagen investiert. Sie haben Steganlagen, Murings, Terrassen und Sanitäranlagen gebaut und damit das Bummeln von einer Restaurantbucht zur anderen etabliert. Stets dürfen die Anlegestellen kostenlos genutzt werden, doch im Gegenzug gilt es als verabredet, dass die Crew am Abend beim Wirt zum Essen geht. Man kann sagen: Die Türkei ist so etwas wie die Mutter aller Buchtenbummel-Destinationen.

Viele der Restaurantbuchten wie hier Kapi Koyu sind nur mit dem Boot zu erreichen. ©Michael Amme

Viele Crews bleiben einfach im Mikrorevier des Golfs von Göcek

Wir sind gekommen, um eine Woche lang das Revier der Südtürkei mit einer Charteryacht zu erkunden. Gestern hatten wir in Göcek in einer der sechs (!) Marinas unsere Yacht übernommen und über der Karte das Revier studiert. „Viele bleiben bei einer Woche einfach nur im Golf von Fethiye“, hatte uns der Basismitarbeiter erklärt, „schon hier findet ihr mehr als zwei Dutzend Anker- und Restaurantbuchten.“ Der Golf hat einen Durchmesser von etwa zehn Seemeilen, „ein bisschen mehr segeln wäre auch ok“, hatte Crewmitglied Jan aus Bayern gesagt.

Zum Beispiel Richtung Osten, vorbei an Fethiye, dem größten und am meisten einheimisch geprägten Zentrum der Umgebung. Bis nach Finike sind es 85 Seemeilen, mit Stopps in den kleinen Hafenorten Kas oder Kalkan, in den vielen Buchten oder vor spannenden archäologischen Stätten fehlt es auf diesem Törn an nichts.

Genauso gut könnte man auch die 50 Seemeilen Richtung Westen bis nach Marmaris segeln, dem Touristen- und Yachtzentrum der Region, in dem der Bootsfahrer auf den Pauschaltourist trifft. Und von hier aus weiter die Küste Richtung Bodrum, aber das wäre ein anderer Törn (siehe auch Törnbericht ab Marmaris).

Die Netsel Marina in Marmaris ist das maritime Epizentrum der Südtürkei. ©Michael Amme

Wir entscheiden uns an Tag zwei der Reise zunächst für Kalkan, 25 Seemeilen Richtung Südosten. Ein kleiner türkischer Küstenort, der sich ganz ohne Bettenburgen von einem ehemaligen Fischerdorf zu einem charmanten Urlaubsort gewandelt hat. Ein quirliger Ort am Hang, mit Liegeplätzen an der Promenade des kleinen Stadthafens, dessen eine Hälfte mit hölzernen Ausflugsbooten zugeparkt ist. Rings um den Hafen werden Wassersportaktivitäten angeboten, es gibt einen langen Strand gleich neben der Hafeneinfahrt, dazu Boutiquen, Souvenirläden, vier Nachtclubs und unzählige Bars und Restaurants.

Der mediterran-maritime Flair von Kalkan überzeugt. ©Michael Amme

Das Städtchen besticht nicht durch uralte architektonische Bauten, ist aber ein herrlich entspannter und auch jetzt in der Vorsaison lebendiger Urlaubsort. Der Ort scheint eine Hochburg der Engländer zu sein, die am Abend in Scharen durch die Gassen flanieren. Auch die Preise auf den Speisekarten sind in Pfund angegeben und am Kiosk sind fast ein Dutzend britische Tageszeitungen erhältlich.

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Die Liegegebühren sind günstig, das Manöver heißt römisch-katholisch

Die Quittung für den städtischen Liegeplatz bringt der Hafenmeister am nächsten Morgen, umgerechnet 21 Euro für 45 Fuß. Dafür gibt es aber, wie in vielen anderen kleinen Hafenorten auch, keine Murings. In der Türkei muss außerhalb der Marinas fast überall mit dem eigenen Anker im Hafenbecken und zwei Heckleinen zur Pier festgemacht werden, im deutschen Sprachgebrauch auch römisch-katholisch genannt.

In Stadthäfen wie Kalkan muss römisch-katholisch festgemacht werden. ©Michael Amme

Etwas weiter im Osten, keine zwei Seemeilen vor der Küste von Kas, liegt die winzige griechische Insel Kastellorizo. „Weit und breit die einzige hier im Süden“, hatte uns der Basismitarbeiter bei der Bootsübergabe erzählt, „deshalb hatten wir hier im Süden auch noch nie ein Thema mit Flüchtlingen.“ Tatsächlich ist diese Problematik auf einem Törn ab Marmaris oder Bodrum viel präsenter, denn erst hier liegen die großen griechischen Inseln wie Kos, Samos oder Lesbos mitunter nur eine Seemeile von der türkischen Küste entfernt.

Vor dieser Küste im Süden der Türkei liegen keine griechischen Inseln. ©Michael Amme

Kas, 15 Seemeilen weiter Richtung Osten, wäre der nächste städtische Hafen. Inklusive Touristenatmosphäre mit Teppich- und Ledergeschäften, kleinen Boutiquen und vielen Restaurants. Wir aber entscheiden uns für den Tipp des Basisleiters, segeln zurück Richtung Golf von Fethiye und stoppen davor auf den Ankerplätzen der Gemiler Reede.

Schnell wird hier eine Besonderheit deutlich, die fast überall im Revier gilt: Beim Landfall bleibt das Wasser in den Buchten überall tief, brauchbare Ankertiefen zwischen zehn und 15 Metern finden sich nur nahe am Ufer – mit der Folge, dass überall im Revier dicht unter Land geankert und mit Landleinen festgemacht werden muss. Sehr praktisch, aber nicht auf allen Charteryachten vorhanden: eine auf einer Rolle am Heck aufgewickelte Heckleine, die einfach und ohne Verknotungen mit dem Beiboot zum Land gerudert werden kann.

Wegen der schnell abfallenden Tiefen wird fast immer mit Landleine geankert. ©Michael Amme

Ankerplätze und eine antike Stätte rund um die Gemiler Reede

Alle drei im Handbuch beschriebenen Restaurantbuchten rund um die Gemiler Reede sind auch jetzt zu Beginn der Saison geöffnet, auch der Eintritt für die Besichtigung der antiken Ruinen auf der Insel Gemiler wird kassiert. Während am Ufer die Crews der lärmenden Ausflugsschiffe ihre Tagesgäste bespaßen, genießen wir die Wanderung zum Inselgipfel und den herrlichen Ausblick über die Insel, die schmale Durchfahrt und die umliegenden Buchten. Später, nach dem Baden im klaren und salzigen Mittelmeer, ist auch das Abendessen in der einsamen Restaurantbucht Kalevezj Koyu ein kulinarischer Genuss aus gebackenem Fisch, Kartoffelecken und Salat.

Die Ruinenreste auf Gemiler Island sind ein beliebtes Ausflugsziel. ©Michael Amme

Am nächsten Tag fällt der Anker vor der türkischen Vorzeigelagune Ölüdeniz, die Landzunge mit dem weißen Strand ist das vermutlich meistgedruckte Werbemotiv für Badeurlaub in der Türkei. „Wirklich ganz hübsch hier“, findet auch Jan, nachdem wir den kurzen Weg vom Ankerplatz (wieder mit Landleinen zum Ufer!) zum Strand geschwommen sind. Mit nassen Lirascheinen bezahlen wir unseren warmen Toast und den heißen Cay, der schwarze und sehr süße Tee in den kleinen und henkellosen Gläsern ist so etwas wie das Nationalgetränk des Landes.

Die Lagune hinter der Landzunge von Ölüdeniz ist für Yachten gesperrt. ©Tarik GOK/stock.adobe.com

Spätestens im Golf von Fethiye wird klar, dass das Nahrevier rund um die am Golf liegenden Hafenorte Fethiye und Göcek tatsächlich eine Wundertüte ist: mit einer Handvoll Inseln und zwei Dutzend Buchten, mit Restaurants und Steganlagen. In der Bucht Kapi Koyu hat auch eine Familiencrew aus München festgemacht, die ihre Pfingstferien auf einer Charteryacht verbringt. „Für mich gibt es hier im Revier nur Vorteile. Diese wunderschönen und nahe beieinanderliegenden Restaurantbuchten sind einfach nur bequem, urig und entspannt. Auch weil die Leute super freundlich sind und beim Ankommen immer jemand da ist, um beim Festmachen zu helfen“, schwärmt der Familienvater.

Restaurantbuchten wie Kapi Koyu sind das Markenzeichen des Reviers. ©Michael Amme

Jede Restaurantbucht ist anders, Manastir Koyu ist die exklusivste

Rahsan Düren liebt die Schönheit der Natur und die Kultur. Die junge Ärztin aus Istanbul ist eine gebildete Frau, sie hat in Deutschland studiert und spricht die Sprache akzentfrei. Zusammen mit ihrem Mann hat sie die Restaurantbucht Manastir Koyu übernommen. Sie hat ein edles Restaurant, eine verglaste Bibliothek und ein Sanitärgebäude im Stil eines Luxushotels gebaut, einen ökologischen Garten angelegt, Bananenbäume gepflanzt und eine Hühnerzucht aufgebaut.

Restaurantbucht mit Lesesaal und Bibliothek: Manastir Koyu. ©Michael Amme

Hier soll auch ein Kulturdorf mit Platz für Musikveranstaltungen, Ausstellungen, Gesprächsrunden und Symposien entstehen. Bis es soweit ist, bleibt der Platz auf jeden Fall eines: eine exklusive Restaurantbucht in herrlicher Lage. Für Düren ist die Bucht kein Investment, sondern Berufung. „Wir lieben diese Buchten der Südtürkei, sie sind der schönste Teil des ganzen Landes“, sagt die zarte Frau, die weiterhin als Ärztin arbeitet und jedes freie Wochenende in der Bucht verbringt.

Vor der anderen Seite der Restaurantterrasse gibt es noch einen richtigen kleinen Hafen. ©Michael Amme

Die letzten zwei Tage bleiben wir im Golf von Fethiye, ankern und baden in der Bucht Yassica Adalari und machen am Abend wieder an einer Restaurantbucht fest, in Bedri Rami, auch Quellenbucht genannt. In der Abendsonne decken die jungen Mitarbeiter die Tische auf der Terrasse ein und an den einfachen Holzstegen ruckeln zwei Dutzend Yachten an ihren Festmacherleinen. Überall wird gebadet und gelacht, mit der Decksdusche spülen wir uns das Salz von der Haut und im letzten Licht der hinter einem Bergkamm untergehenden Sonne genießen wir ein Efes Pilsen, das bekannteste türkische Bier.

Die Badeschaukel in der Bucht Bedri Rami ist ein Riesenspaß. ©Michael Amme

Absolut entspannend: Bummeln von Restaurantbucht zu Restaurantbucht

Am Abend treffen wir auch auf Bernd Watermann, der zusammen mit seinen fünf Geschwistern auf Chartertörn ist. „Für mich ist die Südtürkei das beste Revier, das ich kenne“, sagt der Ostwestfale. „Was die Wetterstabilität, den Service, die Preise und die Freundlichkeit angeht, ist die Türkei einfach konkurrenzlos.“ Schmunzelnd ergänzt er, dass er das Revier trotzdem nicht empfehlen möchte, „weil ich mir wünsche, dass es hier auch in Zukunft weiterhin so schön entspannt zugeht.“

Das Geheimnis eines gelungenen Türkeitörns sind die abgelegenen Restaurantbuchten. ©Michael Amme

Charter

Die Türkei genießt auf dem internationalen Chartermarkt einen guten Ruf. Dazu gehören moderne Flotten im guten technischen Zustand, Sauberkeit und ein sehr freundlicher Service. Insgesamt ist auch das Preisniveau etwas günstiger (ebenso an Land). Das Charterangebot in der Südtürkei ist riesig, schon rund um den Golf von Fethiye (hier liegt auch unser Ausgangshafen Göcek) gibt es bereits über ein Dutzend Anbieter. Darunter sind große internationale Flottenbetreiber genauso wie alteingesessene lokale Anbieter. Göcek ist mit 20 Kilometer Entfernung der am dichtesten zum internationalen Flughafen Dalaman gelegene Charterhafen.

Die D-Marin Göcek ist nur einer der Charterhäfen rund um die Bucht von Fethiye. ©Michael Amme

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