Segeln Dänemark: Die Strömungen im Großen Belt

Ein Beitrag von

Sönke Roever

Sönke hat 100.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und von 2007 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Judith die Welt umsegelt. Er veranstaltet diverse Seminare auf Bootsmessen (siehe unter Termine) und ist Autor der Bücher "Blauwassersegeln kompakt", "1200 Tage Samstag" und "Auszeit unter Segeln". Sönke ist zudem der Gründer von BLAUWASSER.DE und regelmäßig mit seiner Frau Judith und seinen Kindern auf der Gib'Sea 106 - HIPPOPOTAMUS - unterwegs.

Das Segeln im Großen Belt kann anspruchsvoll sein

Dänemark bietet ein abwechslungsreiches und faszinierendes Segelrevier mit unzähligen Häfen, Ankerbuchten und Segelmöglichkeiten. Viele deutsche Segler verbringen im Nachbarland den Sommerurlaub an Bord und kommen dabei für gewöhnlich durch den Kleinen Belt, den Großen Belt oder den Sund – wenn man von Törns nach Bornholm einmal absieht.

Wer auf die Seekarte schaut, sieht, dass im Sund bei Kopenhagen oder im Kleinen Belt die Ufer recht dicht beieinanderliegen und die Wasserfläche von Inseln durchzogen ist. Im Großen Belt hingegen sehen wir eine vergleichsweise weite, offene Wasserfläche, die in der Mitte auffällig durch die Großer-Belt-Brücke in zwei Hälften geteilt wird – die Nord- und die Südseite des Großen Belts.

Die Großer-Belt-Brücke ist das Wahrzeichen des Großen Belts. Sie teilt ihn in Nord- und Südhälfte. ©Fineblick/stock.adobe.com

Vor diesem geografischen Hintergrund gilt der 60 Seemeilen lange Große Belt zwischen Fünen (dänisch Fyn) im Westen und Seeland (dänisch Sjælland) im Osten als die anspruchsvollste der drei Meerengen und es lohnt sich, sich näher mit den Oberflächenströmungen im Großen Belt zu beschäftigen, damit der Segelspaß nicht durch Unwissenheit getrübt wird.

Die Strömungen im Großen Belt: geographische und topographische Effekte

Um die Strömungen im Großen Belt zu verstehen, lohnt es, einen übergeordneten Blick auf die Ostsee zu werfen. Sie ist ein Nebenmeer des Atlantiks und mit einer mittleren Tiefe von etwa 50 Metern vergleichsweise flach. Zudem ist die Ostsee zwischen Skagen und Haparanda rund 900 Seemeilen lang. Gespeist wird diese gigantische Wasserfläche von zahlreichen Nebenflüssen, die bei Sankt Petersburg mündende Newa ist dabei der größte von ihnen.

Der Große Belt liegt am „Eingang“ der Ostsee (roter Punkt). ©AntonBalazh/stock.adobe.com

Wir haben also auf der einen Seite des Großen Belts global gesehen den Atlantik mit seinen nicht unerheblichen Gezeiten (Strömungen) und auf der anderen Seite eine gigantische Wasserfläche, die von diversen Flüssen gespeist wird. Kurzum: Salzwasser vom Atlantik drückt im Takt der Gezeiten in die Ostsee und Süßwasser möchte aus der Ostsee in den Atlantik abfließen.

Der Wasseraustausch zwischen Ostsee und Atlantik wird durch die großen Inseln Fyn und Seeland gehemmt. Genau genommen versperren sie dem Wasseraustausch den Weg. Mehr noch: Sie schotten die Ostsee vom Atlantik ab, was dazu führt, dass es in der Ostsee praktisch keine Gezeiten gibt.

In den dänischen Meerengen entsteht verstärkt Strömung (rötliche Färbung). ©Windy.com/BLAUWASSER.DE

An den Flanken von Fünen und Seeland liegen der Sund, der Kleine und der Große Belt. Durch die drei Meerengen muss sich das Wasser hindurchzwängen. Dabei ist die jährlich abfließende Süßwassermenge mit rund 1,2 Millionen Kubikmetern deutlich größer als die 0,7 Millionen Kubikmeter messende zufließende Salzwassermenge. Unterm Strich führt dies zu einer generell nordwärts setzenden Strömung im Kleinen und Großen Belt sowie dem Sund, da mehr Ostseewasser abfließt, als Atlantikwasser zufließt.

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Die Strömungen im Großen Belt: Einfluss der Großwetterlage und des Windes

Die geografischen und topographischen Einflüsse sind eher gering und für das Grundrauschen zuständig. Einen weitaus größeren Effekt haben die Großwetterlage und der damit einhergehende Wind. Er ist maßgeblich für das Strömungsgeschehen. Da der Wind in Nordeuropa jedoch sehr veränderlich ist, ist in der Folge auch die Strömung im Großen Belt sehr veränderlich.

Ein Beispiel: Weht tagelang ein Wind aus West passieren zwei Dinge: Zum einen wird Atlantikwasser vom Wind in das Skagerrak und das Kattegat gedrückt. Auf der Nordseite des Großen Belts entsteht also im übertragenen Sinne ein Wasserberg. Zum anderen wird im südwestlichen Teil der Ostsee das Wasser vom Westwind nach Osten in Richtung Rügen, Bornholm und Baltikum gedrückt. Folglich entsteht hier auf der Südseite des Großen Belts ein sinnbildliches Wassertal. Eine kräftige Südströmung durch den Großen Belt ist die Folge, weil das Wasser vom Berg zum Tal fließt.

Die Großwetterlage hat Einfluss auf die Strömung im Großen Belt. ©Sönke Roever

Nach Süden setzende Strömung im Großen Belt

Über die Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass Winde aus West über Nordwest und Nord bis Nordnordost vornehmlich eine südlich setzende Strömung ergeben. Am schnellsten reagiert die Strömung dabei auf nordwestliche Winde.

Die engste Stelle des Großen Belts liegt bei der Großer-Belt-Brücke, hier wird die Oberflächenströmung entsprechend beschleunigt. Dazu trägt auch bei, dass mit der Insel Sprogø ein Hindernis im Weg liegt, um das das Wasser herum fließen muss, wodurch die ohnehin nur neun Seemeilen breite Engstelle noch enger wird.

Auf Höhe der Großer-Belt-Brücke sind die Strömungen mitunter sehr stark. ©LarsMeinel/stock.adobe.com

An der Engstelle bei Sprogø kann die Strömung bis zu drei (!) Knoten erreichen. Bei nach Süden setzender Strömung ist sie im Fahrwasser östlich der Insel Sprogø in der Østerrenden am stärksten – also da, wo der Teil der Großer-Belt-Brücke mit 65 Metern Durchfahrtshöhe und den 250 Metern hohen Pylonen weithin sichtbar ist. Hier verläuft sie im Hauptfahrwasser von Nordwest nach Südost.

Im Hintergrund der Ansteuerungstonne liegt die Insel Sprogø. Hier ist stets mit viel Strömung zu rechnen. ©Sönke Roever

Weiter südlich verläuft die stärkste Strömung in etwa mittig zwischen den Inseln Langeland und Lolland durch den sogenannten Langeland Belt, während häufig zeitgleich zwischen der Südspitze von Langeland Dovs Klingt und dem weiter nördlich gelegenen Hafen von Spodsbjerg ein Neerstrom nach Norden setzt. Neerströmung ist eine zur Hauptrichtung gegenläufige Strömung.

Diese Vorhersage zeigt südwärts setzende Strömung. ©Danmarks Meteorologiske Institut

Besonders schwer abzuschätzen sind die Strömungsverhältnisse im Seegebiet westlich von Langeland. Bekannt ist allerdings, dass nach Süden setzende Strömung im Großen Belt einen Nebenarm ausbildet, der kräftig und weit in die Meerenge zwischen Fünen und Langeland hineinreicht.

Nach Norden setzende Strömung im Großen Belt

Alle anderen Winde sorgen im Großen Belt für eine Strömung, die nach Norden fließt. Konkret also Winde aus Nordost über Ost und Südost sowie Süd bis Südwest. Bei Westsüdwest kippt die Strömung schließlich wieder. Der Windwinkelbereich für nordwärts fließende Strömung ist somit größer als der für südwärts setzende Strömung.

Diese Vorhersage zeigt nordwärts setzende Strömung rund um Sprogø. ©Danmarks Meteorologiske Institut

Die nordwärts fließende Strömung ist dicht unter der Küste von Langeland stärker als vor der Küste von Lolland. An der Engstelle bei Sprogø verzeichnet die Ostseite (Østerrenden) mit der Tiefwasserrinne etwas stärkere Strömungen als die Westseite (Westerrenden). In der Spitze erreicht die nordwärts fließende Strömung eine Geschwindigkeit von bis zu zwei Knoten. Nördlich der Brücken zwischen Nyborg und Korsør verteilt sich die Strömung gleichmäßig über den Großen Belt.

Lokale Strömungseffekte im Großen Belt

Neben dem globalen Strömungsgeschehen kommt es immer wieder zu lokalen Abweichungen. Leider sind Echtzeitdaten schwer bis gar nicht zu bekommen und somit müssen wir uns als Hobbysegler mit einigen Faustregeln behelfen.

Eine dieser Faustregeln besagt, dass die Strömung meistens auf der einen Seite des Großen Belts deutlich stärker ist als auf der anderen Seite. Nicht selten fließt sie dort sogar in die Gegenrichtung, weil sich besagte Neerströmungen bilden.

In diesem Beispiel unterscheidet sich die Strömung am Westufer deutlich von der am Ostufer. © Danmarks Meteorologiske Institut

Dicht unter dem Ufer tritt in allen Teilen des Großen Belts häufig Neerströmung auf – insbesondere an der Südostküste von Langeland und an der Westküste von Lolland. Für Neerströmung bekannt ist auch der Abschnitt nördlich von Knudshoved am Ostufer von Fünen bis hoch nach Kerteminde. Um die Neerströmung zu erwischen, muss man sich nördlich von Knudshoved dicht unter Land halten.

Sportliches Segeln im Großen Belt bei sechs Beaufort. Wind und Strömung gehen in dieselbe Richtung und die See ist flach. ©Sönke Roever

Ragt irgendwo ein Kap oder eine Huk in das Fahrwasser, wird die Neerströmung fast immer unterbrochen und die globale Oberflächenströmung im Großen Belt tritt stattdessen verstärkt auf. Bei Strömung, die nach Süden setzt, ist das beispielsweise bei Knudshoved zu beobachten. Ebenso treten starke Strömungen an den Seeland-Kaps von Asnæs und Røsnæs auf. Sie vorherzusagen ist jedoch äußerst schwierig.

Und nicht zuletzt führen abrupte Sprünge in der Wassertiefe zu Stromwirbeln und lokal begrenzten Abweichungen von der globalen Strömungsrichtung. Insbesondere auch in den Flachwasserbereichen nahe dem Ufer lässt die Strömung für gewöhnlich merklich nach oder zerfällt in Strömungswirbel. Das kann man sich zunutze machen, wenn der Gegenstrom zu stark sein sollte.

Hier springt die Wassertiefe und es entstehen auffällige kleine Wellen an der Wasseroberfläche. ©Sönke Roever

Der Form halber sei erwähnt, dass es bei der weit verbreiteten Wetter-App Windy zwar Strömungsdaten für den Großen Belt gibt, diese erfassen jedoch eher die globale Strömung und nicht Neerstrom und andere Effekte. Relativ gut sind die Vorhersagen vom Dänischen Wetterinstitut (Danmarks Meteorologiske Institut). Noch besser finde ich die Angaben vom Forsvarets Center for Operativ Oceanografi (FCOO), dem dänischen Verteidigungsministerium. Die Strömungsvorhersage gilt bis zu 48 Stunden im Voraus gilt. Am besten wählt man unter dem Menüpunkt „Short Range Forecasts“ die Parameter „current“, „current speed“ und „current direction“ aus.

Fazit

Die Strömungen im Großen Belt sind ein ernstzunehmendes Thema und sollten bei der Törnplanung bedacht werden. Einerseits können so Wind-gegen-Strom-Situationen besser vermieden werden, andererseits macht es einen Unterschied, wenn eine Yacht sechs Knoten fährt, ob zwei Knoten Strömung gegenan oder mitlaufen. Netto ergibt das einen Speed-over-Ground (SOG) von acht oder vier Knoten. Man ist also entweder doppelt oder halb so schnell.

Interessant ist, dass jede Veröffentlichung zu dem Thema explizit darauf hinweist, dass es immer wieder zu Abweichungen von der Logik kommt und es insbesondere an Kaps, Untiefen und Flachs Stromwirbel und Anomalien gibt.

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, bietet der Große Belt wunderbare Segelerlebnisse. ©Sönke Roever

Ich hoffe sehr, dass meine eigenen Beobachtungen bei zahlreichen Fahrten in diesem Seegebiet sowie die Analyse diverser Publikationen zu dem Thema helfen, die Situation richtig einzuordnen. Eine grobe Orientierung bieten die vorstehenden Informationen dabei allemal. Eine Garantie hingegen geben sie definitiv nicht – dafür beeinflussen zu viele Faktoren die Strömungen im Großen Belt.

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Fritz
Fritz
2 Jahren her

Danke schön, sehr feiner Bericht

Kay
Kay
2 Jahren her

Herzlichen Dank für die Mühe diesen Bericht zu verfassen, sehr hilfreich.

Dominic
Dominic
1 Jahr her

super zusammen gefasst und geschrieben – herzlichen Dank!

Ralf
Ralf
1 Jahr her

Moin Sönke und herzlichen Dank. Eine Ergänzung möchte ich hinzufügen: Salzwasser ist schwerer als Süßwasser und deshalb gibt es von Skagen südwärts, unabhängig von Gezeiten & Wind, nordsetzenden Strom, der durchaus einen Knoten betragen kann. Fairwinds. Ralf

Andreas
Andreas
1 Jahr her

Super hilfreich!
(Karten mit den erwähnten Ortsnamen wären noch einen Tick besser)
vielen Dank!!