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Michael ist seit über 20 Jahren als Journalist und Fotograf auf dem Wasser tätig. Der studierte Geograf hat weltweit Reisereportagen in mehr als 100 Charter- und Blauwasserrevieren produziert. Zudem haben den Hamburger viele Segelreisen und seine frühere Tätigkeit als Charter- und Überführungsskipper rund um den Globus geführt. Zusammen mit Sönke Roever ist er die treibende Kraft von BLAUWASSER.DE und ein beliebter Referent auf Bootsmessen und diversen Seminaren (siehe Termine).
Schöne Buchten und viel einsame Natur prägen Menorca
Wie eine Zahnwurzel schneidet sich die Cala Coves in die hohen, schroffen Felsen. Durchlöcherte Klippen ragen in den milchigen Himmel und werfen das Echo zurück: das laute Rasseln der Ankerkette und das gleichmäßige Tuckern des Motors. Dann kehrt Ruhe ein. Die Sonne wirft ihre letzten blassen Strahlen über das glasklare Wasser. Ein paar Sturmtaucher kreischen. Auf dem Herd dampft ein großer Topf Spaghetti. Und mit Einbruch der Dunkelheit lassen die Bordlautsprecher Jack Johnsons ruhige Folk-Stimme über die Bucht summen.
Cala Coves
Segelurlaub wie aus dem Bilderbuch. Erst am Vormittag hatte wir unsere Charteryacht übernommen, Einkäufe und einen Stadtbummel unternommen. Und dann waren wir mit einer leichten Nordbrise um den schwarz-weiß geringelten Leuchtturm der Isla del Aire gesegelt, um anschließend in diese ehemals von Hippies bewohnte Höhlenbucht einzulaufen.
In den Felshöhlen rund um die Bucht Cala Coves hausen im Sommer die Hippies.
„Genauso habe ich mir das vorgestellt“, freut sich Martin, Architekt aus Köln, beim Abendessen im Cockpit. Anfang Mai für eine Woche Sommer im Süden tanken, in einem überschaubaren Revier mit kurzen Distanzen und gutem Wetter. Doch was an Tag eins der Reise so verheißungsvoll beginnt, soll schon bald sein jähes, unerwartetes Ende finden.
Schöner Segelwind treibt unser Charterschiff zunächst die Südküste entlang.
Die Saison auf Menorca ist kurz, die Nebensaison ruhig
Doch davor treffen wir ein deutsches Seglerpaar, das ebenfalls auf der Insel gechartert hat und vor vier Jahren schon einmal rund Menorca gesegelt ist. „Wir schätzen die Ruhe und Abgeschiedenheit von Menorca sehr“, erklärt der pensionierte ehemalige Geschäftsführer die Besonderheit der Insel. „Außerdem bietet die Insel alles, was wir mögen: kurze Entfernungen, historische Städte und viele wunderschöne und einsame Ankerbuchten“, ergänzt seine Frau.
Ausgangs- und Zielpunkt für Charterreisen ab Menorca ist meist die Hauptstadt Mahón.
In der Tat hat die kleine Baleareninsel, die nur ein Fünftel so groß wie Mallorca ist, alles, was man für einen Kurztrip benötigt: eine Handvoll Hafenstädte, unzählige Sandstrände, Küstenwanderwege, dazu 70 beschriebene Ankerbuchten. Alles zu erreichen auf einer Rundreise von gerade einmal 70 Seemeilen. „Zugegeben, eine nautische Herausforderung ist die Inselumrundung nicht“, hatte ich meine Crew vor der Reise auf eine entspannte Woche eingestimmt.
Menorca: 70 Seemeilen misst der Törn um die Insel. Karte: Webapp Navionics
Über die Höhlenbucht hat sich im Laufe der Nacht eine dichte graue Wolkenschicht geschoben, die Lufttemperatur hat plötzlich Ostseeniveau erreicht. „Ich gehe trotzdem baden“, entscheidet Martin und auch Crewmitglied Sureen springt hinterher.
In der Nebensaison muss auch im Mittelmeer mit einem Wetterumschwung gerechnet werden.
Beim Frühstück klingelt das Handy: „Heute Nacht zieht ein Sturm auf“, meldet sich der Stützpunktleiter, „mit viel Regen und Wind bis zu 40 Knoten aus westlicher Richtung.“ Beim Blick auf die Seekarte zeigt sich das Dilemma: Außer bei Nordwind bieten die zahlreichen, meist sandigen und vielfach unverbauten Buchten der Südküste nur unzureichend Schutz. „Puh“, stöhne ich, „die Buchten sind alle viel zu offen, da rollt bestimmt überall die Welle rein.“
Mahón ist das Zentrum der Insel
Zum Glück hat die Insel auch ein paar sichere Häfen zu bieten. Mahón, die Hauptstadt mit Charterbasis, ist nach Sydney der zweitgrößte Naturhafen der Welt. Dieser drei Seemeilen tiefe, fjordähnliche Einschnitt an der Ostküste ist nicht nur sicher, er kann auch bei fast jeder Wetterlage angelaufen werden. Hier machen die Kreuzfahrer, Fähren und Frachter fest, hier gibt es die meisten Yachtliegeplätze und hier kann man durch die schmalen Gassen eines dichtgedrängten Häusermeers schlendern. Aber auch die drei anderen Hafenorte liegen alle in sicheren, schluchtartigen und tiefen Einschnitten. Fornells und Addaia an der rauen, wilden und abgelegenen Nordküste, Ciutadella ganz im Westen.
Alte Häuser und schöne Geschäfte wie hier in Ciutadella sorgen auch beim Landgang für Abwechslung.
Ciutadella ist die Perle der Insel
Mit 28 000 Einwohnern ist Ciutadella der zweitgrößte Ort der Insel und unser Fluchthafen für die Nacht. Das Liegeplatzangebot für Besucheryachten ist in dem schmalen Fjord begrenzt, im Sommer ist der Hafen stets chronisch überlastet. Weil der Ort attraktiv ist und wegen seiner Nähe zu Mallorca, zieht er viele Yachten an. Etwas Abhilfe hat der Bau eines Fährhafens gleich südlich der schluchtartigen Hafeneinfahrt geschaffen.
Direkt an der Promenade von Ciutadella befinden sich die schönsten Liegeplätze.
Auch das deutsche Ehepaar hat mit ihrer kleinen Charteryacht den Hafen als Unterschlupf gewählt und neben dem Clubgebäude vom Club Nautico festgemacht. Wir ergattern einen der schönen Gastliegeplätze direkt an der Promenade. „Tenga otro“, sagt der freundliche Marinero beim Anlegen, zeigt hoch in den grauen Himmel und zupft eine zweite Sorgeleine aus dem Wasser. Soll heißen: Vertäut euch lieber mit zwei Muringleinen, da ist einiges im Anmarsch. Kassiert wird auch direkt an der Kaimauer, „für das, was man hier an Serviceleistungen bekommt, ist der Hafen zu teuer“, schreibt der Autor des an Bord befindlichen nautischen Handbuchs. Wir aber sind froh über einen sicheren Platz.
Der Törn zum Sommeranfang beschert blühende Landschaften.
Shoppen und Sightseeing in Ciutadella
Segelneuling Sureen ist darüber hinaus begeistert über den Platz vor der von Restaurants gesäumten Promenade. „Als Landtourist gehe ich sonst immer an den Stadthäfen spazieren und beneide die Leute auf ihren Booten“.
Der historische Ort selbst lockt mit prächtigen Patrizierpalästen, engen Altstadtgassen und vielen Einkaufsmöglichkeiten. Im Delikatessenladen „El Paladar“ hängen luftgetrocknete Schinkenkeulen an der Wand, und es gibt das Wahrzeichen der Insel zu kaufen, den aus Kuhmilch hergestellten Mahón-Käse. Das andere Wahrzeichen gibt es gleich nebenan: Die Avarca-Sandale ist ein ehemaliger Bauernschuh, der sich heute in den Kollektionen führender Designer findet.
Eine der zahlreichen Inselspezialitäten von Menorca
Am späten Abend kündigt sich der Sturm durch sintflutartige Regenfälle an. Zu diesem Zeitpunkt gab es auf der Nachbarinsel Mallorca bereits Erdrutsche, Straßensperren, Stromausfälle und vollgelaufene Schiffe.
Richtig brenzlig wird es nachts um halb vier. Schwere Sturmböen fegen über den Hafen hinweg, an Land wirbeln Caféhausschirme durch die Luft, und auf dem Wasser zerren die Schiffe an ihren Leinen. Mit jeder Bö fangen die Schiffe erneut an zu tanzen, auf den Decks der Schiffe herrscht Hochbetrieb in Unterhose. Angescheuerte Heckleinen werden gedoppelt und Muringleinen neu durchgesetzt. Einige Boote scheppern gegen die Kaimauer, bei anderen drohen sich die rollenden Riggs zu verhaken. Der Windmesser zeigt Geschwindigkeiten bis 49 Knoten an, an Schlaf ist nicht mehr zu denken.
Das Unwetter mit Sturmböen und starken Regenfällen kommt in der Nacht.
Menorca ist klein, die Optionen aber sind groß
Der Sturm wirbelt nicht nur Schiffe, sondern auch Törnpläne durcheinander. „Wir bleiben heute im Hafen“, entscheidet das deutsche Seglerpaar auf ihrer Bavaria 32, „der Wetterbericht spricht von 3,50 Meter hohen Wellen.“
Doch als der Wind am Nachmittag vollständig eingeschlafen ist, werden wir unruhig und laufen dennoch aus. Schon in der Ausfahrt von Ciutadella steht eine chaotische See, hinter dem Cabo de Banjos rollen dann riesige Wellenberge heran. Die Crew bekommt grüne Gesichter und ich sorge mich um die Sicherheit. Die schroffe Nordseite der Insel ist bis zum nächsten sicheren Unterschlupf eine 20 Seemeilen lange Leeküste. „Kommt, wir vergessen das für heute“, sage ich mehr zu mir selbst und drehe den Bug zurück Richtung Ciutadella.
Die exponierte Nordküste bietet nur wenige Schutzmöglichkeiten.
Wieder gibt es zwei Muringleinen, wieder wird das Hafengeld fällig, wieder macht sich die Crew auf zu einem Stadtbummel. „So kühles und raues Wetter ist um diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich“, entschuldigt sich die Dame von der Tourismusinformation im Ort. Im April kann das Wetter durchaus noch recht wechselhaft sein. „Im Mai sollte es mit schweren Stürmen aber vorläufig vorbei sein“, schreibt Paul Kinzelmann in seinem Revierhandbuch ‚Menorca für Sportschiffer’. Starkwind in den Sommermonaten ist dagegen fast immer die Folge einer Mistral- oder Sciroccolage.
Auffrischender Nordwind und anrollende Wellenberge treiben unsere Segelyacht an Tag vier der Reise zurück an die Südküste. „Nicht zu fassen“, stöhne ich über die fehlgeschlagene Umrundung der Mini-Insel. Die Crew nimmt es gelassen und freut sich auf die Cala Turqueta. Eine der vielen einsam gelegenen Bilderbuchbuchten mit Sandstrand, türkisen Wasserfarben und felsigen Ufern. „Mit Sonne ist das hier bestimmt karibisch schön“, meint Sureen, springt ins Meer und schwimmt an den Strand. Dem anhaltenden Schmuddelwetter mit Nieselregen zum Trotz.
Im Süden der Insel sind viele schöne Buchten mit Sandstrand wie hier die Cala Turqueta.
Ankern bei der Isla del Llatzeret
Am Nachmittag geht es zurück bis vor die Einfahrt von Mahón. Dort, hinter der Halbinsel La Mola, befindet sich ein durch die Isla del Llatzeret rundum geschützter Ankerplatz. „Lieber keine Experimente mehr“, sage ich zu meiner Crew, denn für die Nacht ist eine Winddrehung auf Ostsüdost vorhergesagt.
Ankern bei der Isla del Llatzeret
Beim Abendspaziergang zur monumentalen Festungsanlage von La Mola scheint plötzlich die Sonne. Die zerklüftete Insel- und Küstenlandschaft und die mit sattem Grün bewachsenen Klippenhänge erstrahlen in einem warmen Licht. „Sieht aus wie in Schottland hier“, findet Martin.
Sehr geschützt, sehr idyllisch und dazu mit tollem Ausflugsziel: Ankerplatz bei der Festungsanlage La Mola.
Fornells ist das Topziel der Nordküste
Leider bleibt auch das Wetter schottisch, die schroffe Nordküste steht trotzdem auf dem Programm. „Fornells ist ein hübscher kleiner Fischerort, den man gesehen haben sollte“, zitiert Sureen den Reiseführer.
In der Bahia de Fornells, einem über zwei Seemeilen tiefen, seenartigen Einschnitt, trifft die Crew auch die Bavaria des deutschen Ehepaars wieder. „Sehr ruhig hier“, erzählt die Rentnerin, „nicht einmal zum Liegegeld kassieren ist jemand gekommen.“
In den kleinen Gassen und auf den Caféstühlen am Hafen sitzen nur vereinzelt ein paar Touristen. „Anders als auf Mallorca oder in anderen Mittelmeerrevieren ist unsere Saison hier nur zweieinhalb Monate lang“, hatte der Stützpunktleiter bei der Schiffsübergabe erklärt. Das sei auch ein Grund dafür, warum die Restaurants hier etwa 30 Prozent teurer sind. „Die müssen in dieser kurzen Zeit ihr ganzes Jahresgeschäft machen.“
Zeit auf den Terrassen von Cafés und Restaurants zu verbringen, ist eine beliebte Beschäftigung.
Das deutsche Ehepaar hatte am Abend zuvor im El Pescador Platz genommen und Seeteufel in Menorquiner Käsesoße und Calamaris mit grünen Bohnen bestellt. „Sehr gute Küche, sehr zu empfehlen“, schwärmen die Segler über das Fischrestaurant in erster Reihe. Überhaupt ist das Ehepaar, das erst nach der Pensionierung mit dem Segeln begonnen hat, mit dem Törn, der Insel und dem örtlichen Charterunternehmen sehr zufrieden. Und das, obwohl sie wegen des schlechten Wetters mehrere Ruhetage eingelegt und neben Mahón nur drei Ziele erreicht haben.
Der kleine Hafen des Ortes von Fornells bietet sichere Liegeplätze vor schöner Kulisse.
Es Grau erinnert an Griechenland
Unser letzter Ankerstopp liegt hinter der Isla Colom. Wieder ganz einsam, wieder ohne Bebauung, wieder mit Strand und felsigen Ufern. An der Küste gegenüber leuchten die ganz in weiß gestrichenen Häuser der kleinen Siedlung Es Grau. „Sieht aus wie ein griechisches Dorf“, findet Sureen.
Es Grau: Unser letzter Ankerstopp
Das Fazit lautet: wenig Trubel, viel Natur
Neben den lebendigen Altstädten, den unzähligen Sandstränden, der schroffen Felskulisse und den kurzen Distanzen sind es verträumte Plätze wie diese, die den Reiz der Insel ausmachen. „Auf Ibiza und Mallorca ist uns viel zu viel Trubel, wir lieben es, wenn wenig los ist und wir eine Bucht auch mal für uns alleine haben“, erzählt das deutsche Seglerpaar zum Abschluss der Reise. Wer so denkt, ist auf Menorca genau richtig.
Im Hafen von Mahon gibt es mehrere kleine Hafenanlagen mit Liegeplätzen für Yachten.
Charter
Das Angebot an Charteryachten ab Menorca ist sehr beschränkt, eine richtige Charterbasis mit einer Flotte von Segelyachten gibt es nicht. Deshalb wird Menorca überwiegend von Mallorca aus angesteuert, die Inseln trennen nur 20 Seemeilen.
Auf Mallorca gibt es zahlreiche Anbieter mit zusammen hunderten Schiffen, hier findet jeder ein passendes Angebot. Sehr praktisch gelegen ist der Charterstützpunkt in Port de Pollenca ganz im Norden Mallorcas, von hier aus sind es keine 30 Seemeilen bis nach Menorca. Diese kurze Anreise ermöglicht eine Inselumrundung von Menorca innerhalb einer Charterwoche.
Gleich neben dem Hafen und der Charterbasis von Pollenca liegt ein feinsandiger Strand
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