Providencia – Ein Juwel für Segler in der Westkaribik

Ein Beitrag von

Claudia Clawien

Die Diplom-Pädagogin ist zusammen mit ihrem Mann Jonathan von 2013 bis 2019 auf der 35-Fuß-Stahlyacht INTI von Deutschland bis zu den Marshallinseln im Pazifik gesegelt – eine Reise über 21.000 Seemeilen. Claudia liebt das Leben über Wasser ebenso wie das unter Wasser, das nächtliche Segeln unter dem unendlichen Firmament, die Kunst der Improvisation und die Begegnungen mit Menschen jeglicher Couleur.

Die Karibikinsel liegt fernab von ihrem Mutterland Kolumbien

Voraus liegen die berüchtigten Bänke des „Nicaraguan Rise“. Wir kämpfen uns auf unserem Weg von den Cayman Inseln Richtung Panama bei sechs bis sieben Windstärken hart am Wind durch eine wilde See. Vier Meter hohe Wellen lassen uns wild umherschaukeln, Gischt fegt über das Deck. Und als wäre es nicht schon anstrengend genug, drückt uns auch noch der Strom aus Osten mit eineinhalb Knoten auf die Bänke! Der Karibiktraum sieht anders aus, aber nach drei stürmischen Tagen auf See kommt endlich Land in Sicht: Providencia, auf Deutsch: Vorsehung. Wir sind gespannt.

Soviel vorweg: Providencia ist eine extrem entspannte Insel. ©Erik/stock.adobe.com

Auf vielen Routen Richtung Panama ein idealer Zwischenstopp

Wer die oft rauen 600 Seemeilen von den Cayman Islands Richtung Panama vor sich hat, trifft auf halbem Weg auf diese traumhafte Karibikinsel fernab ihres Mutterlandes. Nicht nur in dieser Richtung ist Providencia ein komfortabler Zwischenstopp: Nach Honduras sind es nur 200 Seemeilen, nach Kuba 450, Jamaica ist 400 Seemeilen entfernt und zum Rio Dulce in Guatemala sind es 500. Providencia und ihre Schwester San Andres gehören zu Kolumbien, liegen jedoch ganze 500 Seemeilen von der kolumbianischen Küste entfernt. Und dafür nur 120 Seemeilen vor der Küste von Nicaragua. Mit gerade mal acht Kilometer Länge ist die Insel Providencia ein echtes Kleinod der Westkaribik.

Klares Wasser und farbenfrohes Küstenleben empfangen uns. ©radiopelicano

„Stimmt was nicht mit dem Motor?“, grübelt Jonathan, als wir uns durch die gut betonnte Einfahrt, den Morgans Channel, dem Ankerplatz Santa Catalina nähern. Doch nicht unsere alte Dame, der Motor, macht seltsame Geräusche, nein, die dumpfen Schläge kommen von Land. Denn dort wird gerade eine Fiesta mit Trommelwirbel und heißen Rhythmen gefeiert.

Unser Anker hält auf etwa fünf Meter Wassertiefe und wir sind nach diesem Ritt reif für einen guten Schluck Rum! Ok, die Belohnung muss noch etwas warten, zuerst müssen wir einklarieren. Auf UKW antwortet niemand, also bewegen wir unsere ziemlich wackeligen Seebeine an Land. Hier tobt die Fiesta Folclorico, wir widerstehen der Versuchung einfach mitzutanzen und fragen uns stattdessen durch zum Einklarierungsagenten, Mr. Bush.

ANZEIGE

Einklarieren in Providencia

Bei den Einheimischen ist Mr. Bush gut bekannt, zumal die Insel gerade mal 5.500 Einwohner hat. Vom Dingidock im Hafen laufen wir erst nach rechts, an der nächsten Kreuzung nach links und dann etwa 400 Meter die Straße hinauf. Ein kleines Schild weist auf die Agentur von Mr. Bush hin und schon sitzen wir in einem chaotischen Büro mit vielen Papieren und Akten. Mr. Bush und eine Frau von der Immigration empfangen uns, natürlich hatte der Buschfunk die Ankunft unserer INTI bereits angekündigt.

Die Fiesta muss warten, wir müssen erst zum Einklarieren laufen. ©radiopelicano

Die Dame stempelt unseren Pass und Mr. Bush entpuppt sich als sprudelnde Informationsquelle. Für eine notwendige Reparatur unseres Außenbordmotors verweist er uns an Mr. Bing, dazu bekommen wir einen kostenlosen Almanach, einen kompletten Revierführer für Kolumbien, geschenkt. Klar, für seine Leistungen als Agent wird Mr. Bush auch ordentlich entlohnt von uns, anders geht es hier nicht.

Nach dem Einklarieren können alle Traumstrände der Insel besucht werden. ©taga84/stock.adobe.com

Auf dem Rückweg passieren wir die vielen für das Fest aufgebauten Essensstände mit ihren verlockenden Gerüchen, staunen über das bunte Leben auf den Straßen und lassen uns von den lebendigen Klängen durch den Ort treiben. Aber die anstrengende Überfahrt steckt uns noch in den Knochen, wir gehen zurück an Bord und schlafen uns aus, das Fest muss warten.

In Kolumbien spricht man Englisch

Keine Wellen und keine Wachen stören unseren Schlaf, nur ein paar Sonnenstrahlen kitzeln uns später aus der Koje und mahnen zum Landgang! Einer der besonderen Sorte, denn die Party tobt noch immer und nun sind auch wir fit, um uns unter die fröhliche Masse zu mischen. Die Menschen sind friedlich, offen und freundlich, immer wieder werden wir mit Fragen überhäuft.

Auch wir haben Fragen, zum Beispiel, warum hier hauptsächlich Englisch gesprochen wird? Die Antwort: Die ersten Eroberer waren englische Puritaner, die sich hier 1630 niederließen und die Insel damit zu einer der ersten englischen Kolonien in der Neuen Welt machten. Und weil die Insel komplett von Riffen umgeben ist, konnte Providencia hervorragend vor dem spanisch besetzten Festland verteidigt werden. Diese geographische Begebenheit nutzten Freibeuter auch für Überfälle auf das Festland.

Kanonen sind auf das offene Meer gerichtet. ©radiopelicano

Die Atmosphäre ist überall herzlich

Am nächsten Morgen gibt unser Außenborder komplett den Geist auf, Zeit für Mr. Bing. Unser inneres Auge zeichnet einen Chinesen, älter, mit weisem Gesicht und grauem Bart. Schüchtern stehen wir vor seinem großen Haus mit Garten, als Mr. Bing erscheint. Nein, ein Chinese ist er definitiv nicht, Mr. Bing ist eindeutig ein Abkömmling der Afrikaner, die währende der Sklaverei hierhin verschleppt wurden.

Im Nu sitzen wir, von zahlreichen Kindern und Enkelkindern umringt, in seinem Garten. Die Katze kuschelt mit den Küken, die Großfamilie schnattert wild durcheinander, Töpfe klappern und Salsa-Musik trällert aus dem Radio. Mr. Bing ist ganz begeistert von seiner neuen Aufgabe, mit glänzenden Augen nimmt er den Motor entgegen. Er verspricht uns, dass es seine christliche Pflicht sei, uns zu helfen und dieses Goldstück selbstverständlich zu reparieren.

Essen, spazieren, entdecken

Auf Empfehlung von Mr. Bing besuchen wir anschließend eines der unzähligen Restaurants. Unschlagbar günstig sind die kombinierten Mittagsmenüs, inklusive Suppe und Fruchtshake. Und das Hauptgericht umfasst Fisch oder Fleisch, etliche deftige Beilagen und Salat. Einfach köstlich!

Mama Colombia kocht gut. Die Portionen sind groß und lecker. ©radiopelicano

Auf zum Verdauungsspaziergang! Die Insel Santa Catalina ist mit einer 150 Meter langen Holzbrücke mit Providencia verbunden. Ein Pfad führt uns durch grünes Dickicht zum legendären Morgans Head. Einem Felsen im Meer, benannt nach Captain Morgan, der 1670 Piraten hierher abkommandierte, um die Insel in Beschlag zu nehmen. Providencia sollte die Basis für einen Überfall auf Panama sein.

Heute aber liegt die Insel friedvoll da, von der Vergangenheit zeugt lediglich das verfallene Fort Warwick mit seinen alten Kanonen, die auf die Hafeneinfahrt gerichtet sind. Auf unserem Rückweg machen wir Halt in einer kleinen gemütlichen Bar, genießen ein Bier zum Sonnenuntergang und machen Bekanntschaft mit den Besitzern, die es vom kolumbianischen Festland hierher verschlagen hat. „Mas tranquilo“, erklärt uns der Barbesitzer Luis mit einem verträumten Lächeln im Gesicht, „viel ruhiger hier.“

Eine Felsformation heißt „Morgans Head“ nach dem Freibeuter Captain Morgan. ©radiopelicano

Die Sache mit dem Außenbordmotor zieht sich. Mister Bing ist überzeugter Adventist und lässt von Freitag nach Sonnenuntergang bis einschließlich Sonntag das Werkzeug fallen – so will es seine Religion. Glücklicherweise ist sein Sohn Benjamin nicht ganz so streng und macht sich auf unseren Wunsch hin am Samstagnachmittag an die Reparatur. Da kann dann auch Vater Bing seinen Ehrgeiz nicht unterdrücken. Ganz im Einklang mit seiner Religion setzt er sich einfach daneben und gibt Anweisungen. Am Ende schnurrt der Außenborder wie ein kleines Kätzchen und beide haben ein stolzes Lächeln im Gesicht. Die Verzögerung ist Mr. Bing unangenehm und er besteht auf einer sehr geringen Vergütung.

Mister Bings Familie ist groß und seine Enkel pfiffig! ©radiopelicano

Mit dem Moped einmal um die Insel

„Lass uns einmal um die Insel fahren!“, schlägt Jonathan am nächsten Morgen vor. Im Ort mieten wir uns ein Moped, dann geht es über die einzige Straße der Insel. Die windet sich um die Insel und ist gerade mal 20 Kilometer lang, öffentlichen Nahverkehr gibt es keinen. Neben dem Geknatter der vielen Motorräder sind sehr viele Inselbewohner immer noch ganz traditionell unterwegs – mit dem Pferd.

Wir passieren kleine Hotelanlagen, preschen an der Bahia Aquadulce vorbei und halten in der idyllischen und fast menschenleeren Badebucht Bahia Manzanillo am südwestlichen Zipfel der Insel. Bob Marley und Peter Tosh grooven aus den Lautsprechern einer Reggae-Bar, wir bestellen Käsetoasts und Kaffee und genießen die entspannten Klänge und das Rauschen des Windes.

Nach dem Fest starten wir unseren Ausflug in Santa Isabel. ©radiopelicano

Die nächsten Tage vor unserer Abfahrt verbringen wir mit Baden und Schnorcheln in dem extrem klaren und warmen Wasser. Wir bestaunen die bunte Vielfalt der intakten Riffe und sehen auch Rochen, Haie und Schildkröten. Dann aber wird es Zeit, sich von diesem wundervollen Eiland, von Mr. Bing und Mr. Bush zu verabschieden. Unser Ziel Panama ruft nach uns und das Wetterfenster für die 250 Seemeilen ist gut. Schöner, exotischer und freundlicher aber hätten wir die Etappe nicht unterbrechen können.

Weiter geht die Reise nach Panama. ©radiopelicano

Allgemeine Infos

Ansteuerung Providencia

Die Zufahrt zum geschützten Ankerplatz von Providencia ist auf der Westseite der Insel. In einem Abstand von zwei Seemeilen um die Küste der Insel befinden sich Riffe und Riffausläufer. Nur nach Norden zieht sich das Riff noch acht Seemeilen weit in das Karibische Meer. Hier wird das gefährliche Riff, das nicht immer mit bloßem Auge ausgemacht werden kann, durch das Leuchtfeuer Low Cay markiert. Von Süden kommend, weist der Providencia Light Tower am südlichsten Zipfel von der Insel den Weg (Reichweite: 18 Seemeilen).

Ankerbuchten

Neben der großen Bucht von Santa Catalina im Nordwesten gibt es noch eine weitere Ankerbucht hinter dem Riff im Norden von Providencia. Die Crew eines Nachbarschiffes, passionierte Speerfischer, schwärmt von dem klaren Wasser. Uns sind die Windverhältnisse aber zu gefährlich, um dort zu ankern.

Die Rifflandschaften rund um die Insel sind ideale Schnorchelgründe. ©Artem Orlyanskiy/stock.adobe.com

In Santa Catalina sollen die Yachten nicht zu nah an den Tonnen zur Einfahrt ankern. Zumal hier durchaus Verkehr herrscht, kleine Frachter, Fischerboote, Ausflugs- und Tauchboote sind hier unterwegs. Am besten ist das Ankern hinter der Einfahrt auf der Backbordseite. Beim Anlanden mit dem Beiboot an der kleinen Pier empfiehlt es sich, einen zusätzlichen Anker auszubringen.

Fischer und Ausflugsboote düsen durch die Bucht. ©radiopelicano

Geld

Die Währung in Providencia ist der kolumbianische Peso (COP). Im Ort gibt es auch Geldautomaten.

Kommunikation

SIM-Karten für das Smartphone können beim Geschäft des Mobilfunkanbieters Movistar auf der Hauptstraße erworben werden.

Versorgung

In Providencia findet man drei gut sortierte Lebensmittelgeschäfte, in denen man sich gut verproviantieren kann. Diesel kann in Kanistern an der Tankstelle gekauft werden, Wasser ist dagegen schwer zu finden.

Wetterinformationen

Auf Kurzwelle bietet Chris Parker eine Funkrunde an, individuell können Wetterfenster für längere und kürzere Passagen erfragt werden.

Subscribe
Informiere mich bei
guest
0 Comments
Älteste
Aktuellste Likes
Inline Feedbacks
View all comments