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Michael ist seit über 20 Jahren als Journalist und Fotograf auf dem Wasser tätig. Der studierte Geograf hat weltweit Reisereportagen in mehr als 100 Charter- und Blauwasserrevieren produziert. Zudem haben den Hamburger viele Segelreisen und seine frühere Tätigkeit als Charter- und Überführungsskipper rund um den Globus geführt. Zusammen mit Sönke Roever ist er die treibende Kraft von BLAUWASSER.DE und ein beliebter Referent auf Bootsmessen und diversen Seminaren (siehe Termine).
Der französische Yachthersteller NEEL hat aus dem Trimaran-Konzept eine fahrtentaugliche Yacht konzipiert, die auch im Chartermarkt verfügbar ist.
Es ist ein früher Vormittag in der Vorsaison, als wir den Charterstützpunkt von Trend Travel Yachting in der Marina Veruda auf der Halbinsel Istrien erreichen. Ganz außen am vollgepackten Chartersteg liegen sie: die beiden Trimarane des französischen Herstellers NEEL, von denen die österreichische Charterfirma insgesamt vier in ihrem Programm hat.
Wer so einen Trimaran sieht, stellt sich unweigerlich viele Fragen: Was gibt es für Gründe, ausgerechnet einen Trimaran segeln zu wollen? Wo genau liegen die Unterschiede zu einem Katamaran? Vielleicht fragt man sich auch, ob man besondere Erfahrungen braucht, um so ein Boot segeln zu können? Und nicht zuletzt: Wie fühlt es sich an, mit einem Trimaran zu segeln und für wen und welche Bedingungen ist so ein Bootstyp geeignet? Alles Fragen, denen wir im Rahmen eines einwöchigen Chartertörns auf einer NEEL 45 auf den Grund gehen wollen.
Mit der Handkarre voller Gepäck erreichen wir – drei erfahrene Segler aus Hamburg – die Gangway unserer MIZAR. Der erste Eindruck beim Blick auf das Cockpit dieser auffallend extravaganten Yacht: „Erinnert schon stark an die Konzepte von Katamaranen“, findet Fiete, der früher viele Jahre als Skipper auf Katamaranen gearbeitet hat. Zwei gegenüberliegende Tische und Sitzecken bieten Platz auch für größere Crews, und die große Schiebetür als Eingang zum Innenraum erinnert ebenfalls an das Layout eines Katamarans.
Der NEEL-Trimaran von innen: erste Eindrücke
Wir wuchten unsere Taschen an Deck und machen eine erste Begehung des Mittelrumpfes. Auch hier stellen wir zunächst einmal eine große Ähnlichkeit mit dem Salonbereich eines Katamarans fest. Hinter der meterlangen Fensterfront gibt es viel freien Platz, hier befinden sich auch die Navigation, die Sitzecke sowie der Niedergang zu einer Vorschiffskabine. Die hintere Hälfte des Salonbereichs ist dagegen nur ein breiter Gang, an dessen Seiten die Küche ist.
Diese Aufteilung ist notwendig, weil in dem Mittelrumpf Platz für zwei geräumige Kabinen und zwei Dusch- und Toilettenräume benötigt wird. Denn die beiden Seitenrümpfe des Trimarans sind – anders als bei einem Katamaran – mehr Schwimmer als Wohnrümpfe. Wir verstauen unser Gepäck in den drei komfortablen Doppelkabinen des Mittelrumpfes und sind neugierig, was genau sich in den beiden Seitenrümpfen befindet.
Die Seitenrümpfe sind nicht wie bei Katamaranen über den Salon erreichbar, sondern nur über eine große Luke an Deck. Drei Leiterstufen weiter unten gibt es einen knappen Quadratmeter Platz zum Stehen, dazu vorne und achtern jeweils eine schmale Einzelkoje. Keine Schränke, keine Ablagen, kein WC, keine Technik. „Naja“, sagt Andreas, der schon viele Hochseeregatten gesegelt ist, „als reiner Schlafplatz doch völlig ok“.
Unser erster Gesamteindruck: Die NEEL 45 ist eine moderne Fahrtenyacht mit allen Merkmalen einer technisch ausgereiften Serienproduktion. Dazu erinnert das Gesamtkonzept mit den breiten Decksflächen, dem großen Cockpit und dem geräumigen Salon stark an das eines Katamarans. Eines aber ist klar: Ein moderner, 45 Fuß großer Katamaran bietet mit seinen vier großzügigen Doppelkabinen in den Seitenrümpfen und dem sich dazwischen befindlichen riesigen Salon nochmal mehr Lebensraum.
Das Trimaran-Versprechen ist Speed – auch in der komfortablen Fahrtenyacht-Variante?
Diesen vermeintlichen Nachteil begegnet das Trimaran-Konzept mit dem Versprechen, extrem schnell zu sein. Dieses Versprechen gab es auch bei Katamaranen, doch die modernen Ungetüme in den heutigen Charterflotten haben die Performance längst dem Komfort geopfert. Jetzt gibt es also das von NEEL entwickelte Trimaran-Konzept für komfortables Fahrtensegeln. Muss hier mit dem gleichen Schicksal gerechnet werden?
Erste Eindrücke dazu bekommen wir auf unserem Rundgang über Deck. Der Großbaum führt knapp über das niedrige Kabinendach hinweg und macht damit Platz für ein kompromissloses Großsegel. „Das sieht doch schon mal sehr gut aus“, sagt Andreas und öffnet den Lazybag. „Voll durchgelattet, leinengeführte Reffs und ein Squarehead“, murmelt er zufrieden und meint mit Squarehead den breiten Kopf des Großsegels, ein Merkmal moderner Hightech-Yachten.
Auf dem Vorschiff ist sowohl eine Rollfock als auch eine Rollgenua angeschlagen, dazu gibt es einen Beschlag für den Gennaker, den wir ebenfalls mit an Bord haben. „Am Segelkleid wird die Performance jedenfalls nicht scheitern“, meint Fiete, checkt die nach achtern geführte Leinenführung, zeigt auf die Winsch und grinst: „Elektrisch, genau richtig für unsere Altersklasse.“
Yachtübergabe eines NEEL-Trimarans: fast wie immer
Bevor es raus aufs Wasser geht, bietet die Yachtübergabe eine gute Gelegenheit, offene Fragen über die Handhabung loszuwerden. Zum Glück sind Stützpunktleiter Paolo und sein Mitarbeiter Alen absolut fit in ihrem Job und sind den Trimaran auch schon selbst gesegelt. „Im Gegensatz zu anderen Yachten gibt es beim Handling eigentlich nur einen wirklichen Unterschied“, erklärt Alen während der Übergabe und öffnet die große Bodenklappe, die auch zum Motorraum führt. „Hier ist die Mechanik und die Winsch für die Bedienung des Schwerts.“
Das Schwert erhöht den Tiefgang der „MIZAR“ von 1,20 Meter auf 2,40 Meter. „In manchen Häfen oder an Flachstellen müsst ihr das hochnehmen“, warnt Alen. Notwendig sei das Schwert vor allem auf Am-Wind-Kursen, „dann ist es ein Garant für gute Höhe und gegen Abdrift.“ Wir gucken uns an und denken alle das Gleiche: Gute Höhe mit so einem Ungetüm, was genau bedeutet das? „Ihr werdet sehen, das Schiff kreuzt hervorragend, besser als viele Einrumpfyachten“, sagt Alen und schließt die Bodenklappe zum Schwertkasten.
Der Rest der Bootsübergabe unterscheidet sich nicht von der einer normalen Charteryacht, nur ein Hinweis ist Alen noch wichtig: „Die nächsten Tage wird es auch Bora mit hohen Windgeschwindigkeiten geben“, sagt er und zeigt auf einen Aufkleber neben dem Steuerstand, „an diese Refftabelle müsst ihr euch dann unbedingt halten.“
Von den guten Segeleigenschaften der NEEL 45 hatte im Vorgespräch bereits Christoph Grassl von Trend Travel Yachting geschwärmt: „Mit so einem Schiff kann man auch bei wenig Wind noch sehr gut segeln, das ist gerade für Kroatien im Sommer wirklich ideal.“ Problem: Jetzt zu unserer Feuertaufe quer über den Kvarner muss der Trimaran statt Leichtwind- Starkwindfähigkeiten beweisen. 30 Knoten Wind sind angesagt, im berüchtigten Velebit-Kanal weiter im Osten sogar über 70 (!) Knoten.
Zum Start muss sich der NEEL-Trimaran bei Starkwindbedingungen beweisen
Zum Glück sind die ersten Seemeilen hinter der Abdeckung der Halbinsel Istrien noch entspannt, ideal für ein erstes Kennenlernen. Die Bedienung der kompletten Schiffstechnik unterscheidet nicht von der einer herkömmlichen Yacht. Wegen des erwarteten Starkwinds entscheiden wir uns für das erste Reff und die Fock. Der Motor verstummt, die Segel füllen sich – nur das Aha-Erlebnis bleibt aus. „Naja“, meint Fiete und steuert Richtung Kvarner, „hier hinter der Abdeckung ist für diese Besegelung natürlich noch viel zu wenig Wind.“
Keine halbe Stunde später muss das Schiff richtig arbeiten. Unser Ziel Cres liegt auf Kreuzkurs, dazu wühlen sechs Windstärken die See mit kurzen und steilen Wellen auf. Regattasegler Andreas zerrt die Schoten dicht, ich suche nach dem idealen Kompromiss von Windeinfallswinkel und Geschwindigkeit. Kurz darauf knallen wir mit bis zu 35 Grad hoch am scheinbaren Wind durch die Wellen und die Logge zeigt erstmals zweistellige Ergebnisse: 10,3 Knoten. „Hammer“, findet Fiete, während die nächste Welle klatschend übers Deck fegt, „das ist für diese Bedingungen doch absolut top.“
Bei übermäßiger Besegelung können Trimarane auch kentern
Mit stoischem Gleichmut donnert das Schiff die nächsten zwei Stunden durch die aufgewühlte See. Während der Leeschwimmer in die Wellen abtaucht, hebt sich der Luvschwimmer leicht aus dem Wasser. Trotz 25 Knoten Wind und reichlich Spritzwasser hat keiner an Bord das Gefühl von Unsicherheit, nur der Warnhinweis auf der Refftabelle des Yachtherstellers stimmt nachdenklich: „Bei übermäßiger Besegelung kann das Schiff kentern.“ Mit einem Reff im Großsegel und der Fock sind wir allerdings vorschriftsmäßig unterwegs, außerdem hat der Warnhinweis eine beruhigende Zusatzbemerkung: „Im Falle einer Kenterung ist das Schiff so konstruiert, dass ein Sinken nicht möglich ist.“
Im Kielwasser bleiben zwei schäumende Gleise zurück. „Sehr cool“, findet Andreas, „das Schiff kann was, damit hätte ich nicht gerechnet.“ Das Verhalten des Trimarans in der See – die leichte Krängung und die ruckeligen Bewegungen – sind ziemlich ähnlich wie die auf einem Katamaran. Dicht unter der Küste von Cres bekommen wir es dann mit Böen von über 30 Knoten zu tun, „Zeit für das zweite Reff“, sage ich. Auch unter Minimalbesegelung macht das Schiff weiter guten Speed. „Sehr seetüchtig, wirklich überzeugend“, resümiert Fiete beim Einlaufen in die ACI-Marina von Cres.
Die Manövriereigenschaften von Trimaranen sind etwas kniffeliger als auf anderen Bootstypen
Damit kommen wir zu einem Thema, das ebenfalls Fragen aufwirft: die Manövriereigenschaften eines Trimarans. An Bord gibt es, anders als auf einem Katamaran, nur eine Maschine im Mittelrumpf. „Mit den großen Windangriffsflächen und der dadurch erhöhten Abdrift ist das Manövrieren tatsächlich etwas anspruchsvoller“, hatte Paolo bei der Einweisung erklärt. Wichtig sei, das Schwert unten zu haben, soweit es die Tiefen im Hafen zulassen, „ansonsten muss man einfach nur beherzter und mit etwas mehr Geschwindigkeit zur Sache gehen.“
Tatsächlich erweisen sich diese beiden Hinweise zusammen mit dem starken Bugstrahlruder auch jetzt bei den windigen Bedingungen als völlig ausreichend. Mit etwas Anlauf geht es rückwärts in die enge Steggasse zu der vom Hafenmeister zugeteilten Lücke. „Geht doch“, sage ich mehr zu mir selbst, nachdem die erste Heckleine fest ist. Anschließend bekommen wir für jeden der beiden Außenschwimmer eine Muringleine gereicht, ein erster Hinweis auf einen echten Nachteil dieses Schiffstyps: In den meisten Häfen zahlen Trimarane genauso wie Katamarane zwischen 50 und 100 Prozent mehr Liegegebühren!
Auch gut zu wissen: Wer mit einem Boot wie der NEEL 45 in einen Hafen einläuft, erzeugt Aufsehen. Gerade von vorne ist das Schiff in seiner spinnenartigen Erscheinung ein absoluter Hingucker. Fragen, Anmerkungen und Gespräche von und mit Passanten oder Stegnachbarn gehören stets mit zum Erlebnis Trimaran-Segeln.
In den folgenden Tagen haben wir Gelegenheit, den Trimaran auch unter wechselnden Bedingungen kennenzulernen. Auf einem Raumwindkurs von der Nordspitze von Cres zum Hafen von Krk machen wir bei elf Knoten Wind ohne Gennaker acht Knoten Speed, später pflügen wir auf Halbwindkurs bei 18 Knoten Wind mit elf Knoten Geschwindigkeit durch die Adria. Klar gibt es sportliche Trimarane mit noch höherem Geschwindigkeitspotenzial, „den Kompromiss aus Komfort, Platzangebot, Seetüchtigkeit und Geschwindigkeit finde ich aber absolut überzeugend“, sagt Fiete, der mit großen Katamaranen schon über ein Dutzend Mal den Atlantik überquert hat.
Am Ankerplatz ist der Chill-Faktor eines Trimarans riesig
Auf Pag entscheiden wir uns für einen Ankerplatz statt für einen Hafen. Dabei sparen wir nicht nur doppelte Hafengebühren, hier kann der Trimaran auch so punkten. Der Lebenskomfort und das Platzangebot mit den großzügigen Cockpit- und Decksflächen sind vergleichbar mit einem Katamaran. Dazu gibt es gleich drei Badeplattformen, und auch das auf Einrumpfyachten oft nervende Problem mit dem Beiboot ist gelöst: Statt an Deck hängt es achtern in den Davits und ist zusammen mit dem Außenbordmotor immer sofort einsatzbereit.
Auf der vorletzten Etappe Richtung Mali Losinj bekommen wir dann auch noch die Möglichkeit, den Trimaran bei Schwachwindbedingungen zu testen. Unter Maschine steuern wir bei leichtem Südwind Kurs West. „Zeit für den Gennaker“, findet Andreas. Zehn Minuten Decksarbeit später geht der Bergeschlauch hoch und das rote Tuch bläht sich auf. Die Maschine verstummt, Andreas trimmt, dann passiert das wirklich Erstaunliche: Bei acht Knoten Wind haben wir 7,3 Knoten Speed – beinahe Windgeschwindigkeit!
In der letzten Nacht vor der Abgabe des Schiffs ankern wir in der Hafenbucht der kleinen Insel Susak. Die Abendsonne wärmt, die Polster für den Sonnenliegenplatz im Cockpit sind ausgebracht und im Gin-Tonic-Glas klirren die letzten verbliebenen Eiswürfel. Zeit für ein Fazit.
Fazit: Ein Trimaran als Fahrten- oder Charteryacht ist definitiv eine Option
Als erfahrene Segler sind wir alle drei bereits sehr viele Schiffstypen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen gesegelt. Keiner von uns hat damit gerechnet, dass diese Reise in unserer Segelvita ein richtiger Aha-Moment wird. „Das Schiff ist schnell, läuft eine enorme Höhe, ist hochseetauglich, komfortabel und leicht zu bedienen“, schwärmt Andreas. Uns allen ist unsere Spinne, wie wir den Trimaran getauft haben, richtig ans Herz gewachsen. „Die Mischung aus Performance, Komfort und Extravaganz ist unter den vielen Bootstypen echt einmalig“, findet auch Fiete.
Testsegeln: NEEL-Trimaran im Charterbetrieb
Der Trimaran NEEL 45 Evolution MIZAR ist 14,22 Meter lang und 8,50 Meter breit. Das Schwert mit dem variablen Tiefgang zwischen 1,20 Meter und 2,40 Meter ist eine Werftoption für dieses Modell und keine Standardausstattung für Trimarane von NEEL. Alle Infos zu „MIZAR“ findest du hier.
Der Trimaran NEEL 45 Evolution gehört mit zur Charterflotte von Trend Travel Yachting. Das österreichische Familienunternehmen der Familie Grassl hat sich seit mittlerweile 30 Jahren am Chartermarkt als Flottenbetreiber etabliert und betreibt in Kroatien zwei Stützpunkte (Pula und Split) mit insgesamt 50 Yachten. Vier davon sind Trimarane von NEEL zwischen 43 und 47 Fuß Länge.
Sehr schöner Bericht!
Wir waren im Sommer 2021 auch auf der Mizar in Kroatien unterwegs und dazu habe ich auch ein Video bei Youtube hochgeladen:
https://youtu.be/UXlohMPIKSE
Toll, auch noch andere Meinungen zu lesen!
Für mich ist die Neel 45 noch immer ein Traumboot!
Viele Grüße!