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Die Diplom-Pädagogin ist zusammen mit ihrem Mann Jonathan von 2013 bis 2019 auf der 35-Fuß-Stahlyacht INTI von Deutschland bis zu den Marshallinseln im Pazifik gesegelt – eine Reise über 21.000 Seemeilen. Claudia liebt das Leben über Wasser ebenso wie das unter Wasser, das nächtliche Segeln unter dem unendlichen Firmament, die Kunst der Improvisation und die Begegnungen mit Menschen jeglicher Couleur.
Titelfoto: ©Victor1153/stock.adobe.com
Tobago liegt weit im Osten der Windward Islands und wird nur von wenigen Yachten besucht
Die Insel Tobago wird nur von wenigen Karibikseglern besucht. Und das, obwohl sie keine 80 Seemeilen von Hotspots wie Grenada oder den Tobago Cays entfernt liegt. Warum? Tobago liegt weit im Osten der langgestreckten Inselkette der Windward Islands, der Inseln unter dem Winde. Und damit genau gegen die vorherrschende Windrichtung des Nordostpassats, der hier eigentlich immer 15 bis 25 Knoten Windgeschwindigkeit hat.
„Lass uns nochmal alles ordentlich verstauen und festzurren“, hatte Jonathan vor der Abfahrt in Trinidad gesagt, „das wird eine ruppige Überfahrt.“ Tatsächlich haben wir jetzt auf der Etappe von Maracas Bay an der Nordküste von Trinidad bis nach Tobago auf einer Strecke von etwa 40 Seemeilen ordentlich zu kämpfen. Nicht nur gegen den starken Passatwind, sondern auch gegen ein bis zwei Knoten Strom. INTI stampft, legt sich weit über, immer wieder schießen auch ganze Bäche Meerwasser über Deck. Das zehrt und ist anstrengend, aber eines kann ich vorwegnehmen: Die Mühe lohnt sich, Tobago wird ein Highlight unserer Reise werden.
Achtung: Piraterie ist in dem Seegebiet kein Fremdwort
Das hat mit der karibischen Gelassenheit und Lebensfreude der Inselbewohner zu tun, mit der atemberaubenden Natur und mit der Tatsache, dass hier kaum Yachten sind. Die scheuen die Anreise gegen den Wind, vielleicht auch den Umstand, dass es im Seegebiet zwischen Grenada und Trinidad und Tobago in der jüngeren Vergangenheit auch immer wieder zu Piratenüberfällen gekommen ist.
Auch wir haben unsere Schrecksekunde: Auf halber Strecke prasselt tropischer Regen auf unser Deck, die Sicht ist weg, plötzlich hören wir den Sound eines sich rasch nähernden Motorboots. Unsere Herzen schlagen schneller, als ein Boot mit zwei mächtigen Kerlen mit Irokesenschnitt direkt auf unsere INTI zuhält. Was nun? Breit grinsend fragen uns die beiden nach dem Weg nach Tobago, sie hätten bei der schlechten Sicht die Orientierung verloren. „This way!“, sagt Jonathan und zeigt nach Nordosten. Sie ändern ihren Kurs, winken und preschen davon – puh.
Bei unserer Ankunft in Storebay am Südzipfel von Tobago regnet es noch immer, die Einheimischen nennen den Regen hier liebevoll „liquid sun“. Das Muringfeld ist kaum zu erkennen, wir tasten uns vorsichtig vorwärts, erst nach einer Zickzackfahrt finden wir eine freie Muring. Ankern ist hier unüblich, denn es läuft ein dickes Stromkabel mitten durch die Bucht. Gekennzeichnet durch ein Schild an Land und eine große Tonne im Wasser. Toll ist, dass die Muring hier kostenfrei ist.
Uns erwarten fischreiche Gewässer und entspannte Einheimische
An Land treffen wir auch auf Anzeichen des Tourismus: Hotels, Jetski-Verleih, Tauchboote, Bars und Restaurants. Hier aber ist alles bescheidener und bei Weitem nicht so ausgeprägt wie auf der Nachbarinsel Trinidad. Der internationale Flughafen „A.N.R. Robinson International“ ist nur fünf Gehminuten entfernt, unseren aus Deutschland anreisenden Besuch können wir somit gemütlich mit dem Dingi abholen.
Von unserem Ankerplatz aus sehen wir das Buccooreef, das diese Bucht vor allen Windrichtungen schützt, außer vor Nordwind. Sanft werden hier die kleinen Wellen zu weißem Schaum geschlagen, das Rauschen hören wir bis ins Cockpit. Gemeinsam mit unserem Besuch halten wir die Angel ins Wasser, zupfen etwas an der dünnen Leine und zack, schon zappelt ein Red Snapper am Haken. Wir fangen einen zweiten und einen dritten, dann ist unser Festmahl komplett. „Unglaublich schmackhaft“, findet unser Freund und freut sich über seinen gelungenen Einstand.
Jeden Sonntag findet hier am Strand die angesagte Buccoobay-Party statt. Natürlich sind wir mit dabei. Am Morgen wird das Fest mit stimmungsvollen Steeldrum-Sounds eröffnet, danach geht es dann über zu dröhnenden Beats aus Lautsprechertürmen – bis zum frühen Montagmorgen. Klar, am Montag ist hier dann das allgegenwärtige „liming“ angesagt, das süße Nichtstun. Ganz entspannt im Schatten der Palmen und mit einer Trinknuss in der Hand.
Wir aber sind fit und machen uns auf zum Einkaufen, der nächste Supermarkt, Penny Savers, ist drei Kilometer entfernt, das gut sortierte Sortiment ist von US-amerikanischen Produkten dominiert. Für den Weg dorthin halten wir eins der überall auf der Insel fahrenden Sammeltaxis an. Wir quetschen uns zwischen die Einheimischen, aus den Boxen dröhnt Musik, leise ist hier ein Fremdwort. Jetzt, kurz vor Weihnachten, bekommen wir die karibische Variante von Weihnachtmusik auf die Ohren: Reggae, Calypso, Gospel – jedes Weihnachtslied bekommt hier seinen eigenen Touch. Und das Beste ist: Jeder singt hier fröhlich mit, gute Laune ist auf solchen Fahrten garantiert!
In der Bucht Castara machen wir uns auf in den Dschungel
Mit aufgestocktem Proviant gehen die Leinen am nächsten Morgen wieder los. Auf unserem Weg entlang der langgestreckten und windabgewandten Nordwestküste von Tobago stoppen wir am Nachmittag in der Bucht Castara. Wilde Dschungelgeräusche umgeben uns und in der anbrechenden Nacht sehen wir im Gebüsch am Ufer die hellen Punkte der Glühwürmchen leuchten.
Am nächsten Morgen landen wir mit dem Schlauchboot am Strand an und stellen fest, dass Castara ein gemütlich verschlafenes Fischerdorf ist. Und entdecken ein paar kleinere Läden, in einem finden wir sogar ein kühlendes Eis.
Bekannt ist die Bucht auch wegen ihres Wasserfalls. Wir ziehen unsere festen Schuhe an, laufen am Dorfrand erst über einen Sportplatz und dann direkt rein in den Dschungel. Kakaobäume und duftende Blumen umgeben uns, dazu Kolibris und wild krächzende, grüne Papageien. Immer wieder treffen wir auf Einheimische mit Handtuch und Seife in der Hand, der Wasserfall mit seiner Kaskadendusche in freier Natur gehört auf Tobago scheinbar mit zur täglichen Körperpflege.
Nach einer halben Stunde erreichen auch wir den Wasserfall. Aus großer Höhe stürzen die Wassermassen tosend den Berg hinab in ein Becken, kleine Fische schwimmen umher und Papageien umkreisen die kleine Lagune. Wir genießen das kalte Wasser, das Schwimmen und die Wasserfalldusche, erst mit der einsetzenden Dämmerung mahnen uns die Mücken zum Aufbruch.
Unser Ankerplatz in Castara liegt ganz im Nordosten der Bucht, hier ist es deutlich geschützter. Aber Achtung: Überall in der Bucht liegen auch Fischernetze. Am Strand des gemütlichen Ortes finden sich sogar öffentliche Duschen und Toiletten, dazu gibt es ein paar kleine Restaurants.
Nur zwei Seemeilen weiter entlang der Küste von Tobago liegt die idyllische Englishman’s Bay, unser nächster Stopp. Wir sind das einzige Boot hier und treffen auf karibische Träume wie aus dem Bilderbuch: Der blendend weiße Strand ist gesäumt von Kokospalmen, dazu gibt es ein kleines Restaurant. Wir bestellen Doubles, indische Roti gefüllt mit Kichererbsen und Kartoffel und dazu ein kaltes Bier. „Das ist mit eine der schönsten Buchten unserer Reise“, findet Jonathan.
Das bestätigt sich auch am nächsten Tag beim Schnorcheln: Erst zischt ein Tunfisch vorbei, dann schweben zwei große Schildkröten über uns hinweg. Aber Achtung beim Ankern und Schnorcheln: Im südlichen Bereich der Bucht kann es zu heftigen Brandungen kommen! Besser liegt man im östlichen Teil, hier ist es ruhiger und man kann bei etwa acht Metern Wassertiefe über Sand ankern.
Entlang der geschützten Nordwestseite der Insel ist der Wind dicht unter Land eher schwach, wer richtig segeln möchte, muss weiter rausfahren. Auch die See ist in der Abdeckung ruhig, gemütlich motoren wir weiter nach Norden. Untiefen und Riffe gibt es nur dicht unter der Küste, nur auf der Höhe von Bloody Bay gibt es auch eineinhalb Seemeilen vor der Küste ein paar Steine.
Charlotteville ist einer der beiden größeren Orte von Tobago
Wir erreichen die Nordspitze von Tobago mit dem großen Naturhafen von Charlotteville. Nach zehn Tagen auf Tobago haben wir unseren letzten Stopp auf der Insel erreicht. Hoch am Wind segeln wir jetzt in die über eine Seemeile tief einschneidende große Bucht hinein. Plötzlich werden wir von lauten Rufen und Tröten empfangen, schnell erkennen wir die Yachten von befreundeten französischen Seglern. Die eine hatten wir das letzte Mal in Brasilien, die andere auf den Kapverden gesehen.
Etwas nördlich der Ortschaft fällt unser Anker in der Pirates Bay auf 16 Meter Wassertiefe. Dann wird Wiedersehen gefeiert, die Grillparty am Strand ist im Handumdrehen organisiert. Auf dem Grill brutzeln frische Fischsteaks, wir spielen Boule und die Kinder planschen in einem natürlichen Süßwasserpool direkt am Strand. Auch das Schnorcheln macht hier richtig Spaß: Wieder sichten wir Schildkröten, dazu aber schwimmen wir hier auch mit majestätischen Mantarochen.
Am übernächsten Tag rollt ungemütlicher Schwell in die Bucht und ein vorbeifahrender Fischer rät uns, den Platz zu verlassen. Tatsächlich wird die Welle kontinuierlich höher, mittlerweile bricht sie sich bereits mit einem lauten Grollen am zuvor noch so gemütlichen Strand. Wir lichten den Anker und verlegen uns direkt vor das Dorf Charlotteville, wo wir wieder gut geschützt sind. Tipp: Beim Anlanden im Dorf das Schlauchboot mit Heckanker und langer Leine zum Ponton sichern.
In Charlotteville gibt es (fast) alles, was ein Langfahrtsegler braucht
Charlotteville hat durchaus einiges zu bieten: eine Bibliothek mit freiem Internet, einen großen Sportplatz, Einklarierungsbehörden, eine Wäscherei und viele nette und kleine Restaurants. Jeden Morgen düsen die Fischerboote an uns vorbei aufs Meer, jeden Nachmittag kommen sie knatternd zurück. Eine kleine Halle direkt am Strand dient den Fischern als Arbeitsstelle, hier werden die Fische gewogen und geputzt. Immer wieder gucken wir uns dort um und kaufen frischen Wahoo, Tuna oder Snapper.
Direkt am Strand finden wir ein schönes kleines Restaurant und bestellen im Sonnenuntergang Burger und Pommes. Vorher, beim Spaziergang, trafen wir Lucille. Eine Einheimische, die lange in Kanada gelebt hat und jetzt eine Biofarm bewirtschaftet. Ihr selbstangebautes Obst und Gemüse verkauft sie im Ort, dazu bietet sie einen vegetarischen Mittagstisch an. Gerade das Gemüse ist eine super Ergänzung zum Markt bei der Pier, denn hier ist das Sortiment oft nur auf Bananen, Kokosnüsse und Papaya beschränkt.
In den nächsten Tagen erkunden wir das Dorf und die Umgebung. Wir finden versteckt in Hinterhöfen kleine Küchen, essen dort für wenig Geld typisch karibisches Essen, meist Hühnchen oder Fisch mit Yams oder Reis. Und auf einer schweißtreibenden Wanderung, die uns über einen Dschungelpfad in die Berge führt, werden wir mit einem wunderschönen Blick auf die Pirates Bay belohnt.
Fazit: Tobago lohnt sich
Wir verlassen Tobago auf unserem weiteren Weg Richtung Carriacou mit einer Mischung aus Melancholie und erfüllten Erinnerungen. Im Gegensatz zu der Inselkette der Windward Islands nebenan geht es hier deutlich ruhiger, bescheidener und auch freundlicher zu. Es gibt weniger Kommerz, weniger hektischen Tourismus, dazu sind hier nur wenige Yachten unterwegs. Ich bleibe dabei: Tobago lohnt sich und ist besonders für Langfahrtsegler eine echte Empfehlung.
Weitere Infos zu Tobago
Das Revier
Tobago ist gerade mal 22 Seemeilen lang, gesegelt wird meist auf der geschützten Westseite der Insel. Zwischen der Bucht Storebay im Südwesten und dem größeren Ort Charlotteville im Nordwesten gibt es noch etwa acht weitere Buchten, einige davon mit Fischersiedlungen und kleinen Restaurants. Einen Hafen zum Festmachen gibt es nicht. Wasser aber kann man auf Nachfrage mit Kanistern in Restaurants und Tauschschulen holen, Diesel ebenfalls mit Kanister an der Tankstelle.
Die beschauliche Hauptstadt Scarborough liegt im Südosten der Insel. Hier kann man direkt im Hafenbecken vor den Behörden ankern. Besser ganz weit drin im Hafen, weil man sonst viel Welle von den ein- und auslaufenden Fähren und Kreuzfahrtschiffen abbekommt. Weiter auf der Ostseite Richtung Norden gibt es einige Ankermöglichkeiten, allen voran die tief eingeschnittene King’s Bay. Die Ostseite der Insel ist allerdings aufgrund der vorherrschenden Wind- und Strömungsverhältnisse schwieriger zu befahren. Wer eine Inselumrundung plant, tut dies am besten im Uhrzeigersinn.
Ein- und Ausklarieren
Die beiden Hafenorte mit den notwendigen Behörden sind Scarborough und Charlotteville. Man erhält bei der Einreise ein sechs Monate gültiges Visum, welches gegen Gebühr verlängert werden kann.
Wichtig ist, sich an die Öffnungszeiten der Behörden zu halten (Montag bis Freitag von 8 bis 12 und von 13 bis 16 Uhr), sonst muss man eine Overtime-Gebühr bezahlen (die im Inselbogen der Karibik weit verbreitet ist).
Beim Einklarieren muss man, zumindest in Scarborough, ein sogenanntes Bay Hopping Permit ausfüllen und festlegen, welche Buchten angefahren werden sollen. In Charlotteville soll es diesbezüglich etwas großzügiger zugehen.
Währung
Trinidad und Tobago Dollar, kurz TT-Dollar. US-Dollar können problemlos getauscht werden.
Wetter
Trinidad und Tobago liegen in der Passatwindzone außerhalb (südlich) des Hurrikan-Gürtels. Die Regenzeit ist von Juni bis November.
Telefon und Internet
Der Hauptanbieter nennt sich Digicel. SIM-Karten gibt es nur in Scarborough in der Lowlands Mall zu kaufen. Vor der Bibliothek in Charlotteville gibt es gutes Wifi (beliebter Treffpunkt der Segler).
Tauchen
Wer in Charlotteville richtig tauchen gehen möchte, kann mit einem Sammeltaxi nach Speyside fahren. Hier bieten einige Tauchschulen Tauchexpeditionen zur weltweit zweitgrößten Hirnkoralle an.
Revierführer
- Cruising Guide to Trinidad and Tobago (plus Barbados and Guyana), Chris Doyle
- Cruising Guide to Trinidad and Tobago, Stephen J. Pavlidis
- Route Planning: A Thinking Man’s Guide to Voyages South, Frank Virgintino
Charter
Wer die Insel mit einer Charteryacht besuchen möchte, kann am besten von den gut 80 Seemeilen entfernten Charterstützpunkten auf Grenada starten. Von Martinique oder St- Lucia aus ist es doppelt so weit, dafür verspricht die Kurslinie halben Wind.
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