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Michael ist seit über 20 Jahren als Journalist und Fotograf auf dem Wasser tätig. Der studierte Geograf hat weltweit Reisereportagen in mehr als 100 Charter- und Blauwasserrevieren produziert. Zudem haben den Hamburger viele Segelreisen und seine frühere Tätigkeit als Charter- und Überführungsskipper rund um den Globus geführt. Zusammen mit Sönke Roever ist er die treibende Kraft von BLAUWASSER.DE und ein beliebter Referent auf Bootsmessen und diversen Seminaren (siehe Termine).
Die Inselgruppe der Azoren ist wild, schön und abwechslungsreich
Eines wird sofort klar: Wir sind Eindringlinge in fremdem Hoheitsgebiet. Man ahnte es bereits bei der Anreise. Von Lissabon aus ging es zweieinhalb Flugstunden lang über die blauen Weiten des Atlantischen Ozeans. Jetzt stehen wir gut erholt an der Hafenmole von Horta und blicken auf die Zeugnisse derer, die sich diesen Ort vermutlich hart und entbehrungsreich erarbeiten mussten. Tausende liebevoll gemalte Bilder bedecken die ausgedehnten Kaianlagen, jedes einzelne erzählt die Geschichte einer erfolgreichen, häufig mehrjährigen Blauwasserreise.
Die Azoren sind das Hoheitsgebiet der Langfahrtsegler mit wettergegerbtem Gesicht und Horta auf der Insel Faial ist deren Epizentrum. Wer hier segeln möchte, muss dazugehören, nur vereinzelt gibt es Mitsegelangebote, meist nur in Verbindung mit einem Langstreckentörn. Doch auf den Azoren gibt es auch Charterangebote für Urlaubssegler, seit Jahren wird das Angebot stetig ausgebaut. Im Klartext: Die wilden, grünen Atlantikoasen können jetzt von jedermann besegelt werden, niemand muss mehr eine einjährige Atlantikschleife mit dem dazugehörigen Bruch im Lebenslauf drehen.
Die Azoren liegen auf der Route von der Karibik nach Europa
Doch hält der von Fahrtenseglern begründete Mythos über die zu Portugal gehörenden Inseln auch auf einer Charterreise, was er verspricht? Steckt das Leuchten in den Augen der Atlantiksegler beim Schwärmen über die Azoren auch den Urlaubssegler an? Oder sind am Ende die Anforderungen an ein Charterrevier nicht zu vergleichen mit denen eines Ozeanüberquerers, der nach kräftezehrender Seereise im blauen Nichts euphorisch jede halbwegs schützende Hafenmole und jede noch so einfache Versorgungsmöglichkeit anpreist. Um herauszufinden, was man von einer Urlaubsreise unter Segeln durch die Inselwelt der Azoren erwarten kann, haben wir uns auf den Weg ins Mekka der Blauwassersegler gemacht.
Am Steg E des nördlichen Hafenbeckens von Horta begrüßt uns der Stützpunktleiter unserer Charterfirma. Es ist Mitte September, die Saison neigt sich dem Ende zu, die Finger des Schwimmsteges aber sind noch immer gut belegt – mit Yachten aus Holland, Frankreich, Deutschland, Spanien und den USA. „Am besten geht Ihr rüber ins Peter Café Sport“, rät der Stützpunktleiter, nachdem er uns die INSULA, eine Dufour 375, übergeben hat, „da werden gute Fischgerichte serviert.“
Die Kultkneipe der Fahrtenseglergemeinde thront über dem Hafenbecken und ist voll besetzt. Wimpel, Flaggen, Vereinsstander und Geldscheine aus aller Herren Länder zieren die holzvertäfelten Wände. Generationen von Seglern haben hier nach Wochen auf See ihr erstes, frisch gezapftes Bier bestellt. Darf man, eingeflogen vom Festland und in frisch gewaschenem Segleroutfit, einen solchen Ort überhaupt betreten, ohne als Hochstapler zu gelten?
Wetter auf den Azoren: Auf der einen Inselseite grau und nebelig, auf der anderen Sommer
Am nächsten Morgen hängen die grauen Wolken tief über der Hafenbucht, der Wind weht frisch und böig aus Nordost, in der Marina schlagen die Fallen und heulen die Riggs. Im Schutz des Fährhafens binden wir das erste Reff ein, hinter der Mole tanzen weiße Schaumkronen auf dunkelblauen Wellengipfeln. Das nagelneue Schiff hüpft leichtfüßig über die kabbelige See. „Gleich hinter der Abdeckung von Pico ist Ruhe“, verspreche ich meiner Crew.
Im Schatten des gleichnamigen und mit 2.351 Meter höchsten Berges Portugals herrscht tatsächlich Flaute, und das wolkenverhangene Grau verwandelt sich in blauen Himmel mit Sonnenschein. „Das Wetter ändert sich hier mehrmals am Tag“, hatte uns Nicolau bei der Übergabe mit auf die Reise gegeben. „Ist die Nordseite einer Insel grau und nebelig, kann auf der Südseite bestes Sommerwetter sein.“
Kein Wunder, denn die Azoreninseln sind gewaltige Kolosse inmitten einer endlosen See. Die neun Inseln des Archipels sind vulkanischen Ursprungs und erheben sich fast allesamt bis zu 1.000 Meter und noch mehr aus dem Meer empor. Keine zwei Seemeilen von Land entfernt verläuft die 1.000 Meter Tiefenlinie, der Rest des Atlantiks ist hier bis zu 4.000 Meter tief. Die Inseln liegen genau dort, wo die Eurasische mit der Afrikanischen und Nordamerikanischen Platte zusammentreffen. Und weil die sich immer noch bewegen (die Breite des Atlantiks „wächst“ jährlich um 2,5 Zentimeter!) ist die Geschichte der Inseln reich an Erdbeben und Vulkanausbrüchen; die meisten der Vulkane werden bis heute als aktiv eingestuft.
Von den neun großen Azoreninseln bilden fünf die Zentralgruppe
Von Corvo ganz im Westen bis nach Santa Maria im Osten sind es 320 Seemeilen, doch zum Glück liegen die fünf Inseln der Zentralgruppe alle nah beieinander: Faial, Pico, Sao Jorge, Terceira und Graciosa sind gut im Rahmen von Tagesetappen zu erreichen, einige davon um die 50 Seemeilen lang.
„Das sieht hier ja aus wie im Fantasy-Land“, findet Mitsegler Frank, Zahnarzt aus Hamburg. Wir fahren von Lajes, dem einzigen Hafenort der Insel mit einer Handvoll Yachtliegeplätzen, mit dem Mietauto über eine nebelige Gebirgsstraße rüber zur Nordküste von Pico. Wälder und sattgrüne Weiden wechseln sich ab, überall wuchern Farne, ein weicher Teppich aus Moos bedeckt den Boden, und auch jetzt, im September, blühen noch überall Hortensienhecken. „Die sind ja kilometerlang“, freut sich Thomas, Unternehmer aus Hamburg, über seine Lieblingsblumen.
Wir stoppen in der Walfabrik von Cais do Pico, bewundern die riesigen ausgestellten Kiefernknochen eines Pottwals und staunen über die einfachen Boote mit Gaffelsegel, mit denen die Einheimischen bis 1983 auf Walfang gingen. Im Westen der Insel treffen wir dann auf das größte Labyrinth der Welt aus mühevoll aufgeschichteten Steinmauern, Schutzwälle für spärliche Weinreben, die seit 2004 als Weltnaturerbe der UNESCO gelten.
Die beiden größten Attraktionen der Insel aber sind der Pico Alto und das Whale-Watching. Zum Sonnenuntergang erreichen wir das Besucherzentrum des bilderbuchgleichen Vulkanberges auf 1.200 Metern Höhe und genießen die Aussicht über die Inselwelt und den wolkenfreien Gipfel, der im Winter schneebedeckt ist. Wer sich hier registrieren lässt, bekommt einen GPS-Sender mit auf den Weg und kann in etwa drei Stunden auch ohne Alpinerfahrung bis zum Gipfel kraxeln. Der Hafenort Lajes gilt dagegen als einer der besten Whale-Watching-Adressen weltweit, ein gemütliches Örtchen mit 1.900 Einwohnern, einer wuchtigen Kirche und einer kleinen Flotte Berufsfischer, die am Abend zuvor eine ganze Pickup-Ladung Bonitos angelandet hatte.
Von Insel zu Insel durch den blauen Atlantik
Von Pico aus geht es weiter nach Terceira, der drittgrößten Azoreninsel, das heißt: 55 Seemeilen offener Atlantik. Frank schleppt mit seiner Hochseeangel bunte Gummiköder hinterher, Thomas sucht mit dem Fernglas den Horizont nach Fontänen auftauchender Wale ab. Der Wind hat auf Südost gedreht, INSULA passiert unter Vollzeug den Leuchtturm Ponta da Ilha, auf Halbwindkurs rauscht sie mit fast sieben Knoten durch die stahlblaue See. Die Welle ist hier nahe der Küste noch kurz und chaotisch, „fast wie in der Ostsee“, stellt Thomas enttäuscht fest. „Vermutlich ein Zusammenspiel aus alter Dünung, neuer Windsee, reflektierendem Seegang und gegenläufigem Tidenstrom“, versuche ich achselzuckend eine Erklärung.
Später am Tag setzt sich ein langgestrecktes Wellenbild durch, der Autopilot surrt, die Sonne brennt, es gibt Nudeln mit Tomatensoße auf See. Die Stunden ziehen vorüber, immer wieder kreuzen Seeschwalben und Sturmmöwen unseren Kurs, wir dösen, lesen oder zupfen an der Angelleine. „Einfach perfekt“, findet Atlantikneuling Frank, „so also fühlt sich Blauwassersegeln an.“
Auf den Azoreninseln machen die häufig schroff und steil ins Meer stürzenden Küstenformationen so gut wie nirgends Platz für gut geschützte, kuschelige Ankerbuchten. Ein Blick in den nautischen Reiseführer verrät, dass auch die Auswahl an sicheren Hafenorten beschränkt ist. Vergleichbar mit den Bedingungen, wie man sie von den Kanarischen Inseln kennt. Aber: Jede der fünf Zentralinseln verfügt über wenigstens einen Hafen mit Schwimmsteganlage, an dem man sein Boot sicher vertäut liegen lassen kann. Alle anderen Anlege- oder Ankerstellen sind meist nur bei ruhigem Wetter zu empfehlen, und selbst dann kann umlaufende Atlantikdünung das Liegen unmöglich machen. Für die Törnplanung bedeutet das – auch wegen der meist längeren Segeletappen – einen Wechsel aus einem Tag Segeln und einem Tag Pause mit Sightseeing.
Verrückt: jeden Tag Stierkampfspektakel auf Terciera
Angra do Heroismo. Der Hauptort von Terceira ist ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe, eine bildhübsche Renaissancestadt, die den Spitznamen Klein-Lissabon trägt. Bereits zweimal haben geschichtliche Ausnahmezustände dazu geführt, dass der Ort zur Hauptstadt Portugals ausgerufen wurde. Dieser Aufstieg war möglich, weil hier einer der am besten geschützten Ankerplätze des Archipels liegt. Heute finden sich hier keine ankernden Galeonen mehr, dafür aber eine 2004 eröffnete Marina für 260 Yachten. Die historischen, in Weiß und sanften Pastellfarben gestrichenen Hausfassaden oberhalb der Klippen schmücken die Hafenbucht, es gibt einen breiten, feinsandigen Badestrand und ein lebendiges Zentrum mit Restaurants, Cafés und kleinen Boutiquen.
„Ihr müsst unbedingt nach Biscoitos im Norden fahren“, empfiehlt uns die freundliche Dame bei der Autovermietung in perfektem Englisch, „dort findet heute der Straßenstierkampf statt.“ Insgesamt gibt es hier 300 solcher Volksfeste pro Jahr, jedes Dorf, häufig sogar jeder Straßenzug, veranstaltet seinen eigenen Tourada á Corda. Am frühen Abend werden mehrere Stiere nacheinander an langen Leinen durch die Gassen getrieben. Die Dorfjugend, die Mutigen und die Betrunkenen spielen auf der Straße den Torero und reizen die Bullen zu wütenden Attacken. Die sensationshungrigen Zuschauer hocken auf Mauern, Telefonmasten und Balkonen und applaudieren bei jeder gelungenen Aktion. „Ein irres Spektakel“, wie Frank später resümieren wird, „bei dem man unbedingt hinter den Absperrungen bleiben sollte.“
Jede Insel der Azoren hat ihren ganz eigenen Charakter
Weiter geht es. Auf den 50 Seemeilen bis nach Velas auf Sao Jorge ist es erst sonnig, dann grau und regnerisch, hinter der Abdeckung der zigarrenförmigen, 30 Seemeilen langen Insel stürmisch. Der frische Nordwind donnert hinter der Abdeckung mit 35 Knoten von den bis zu 1.000 Meter hohen Berghängen hinunter, dazu stürzen wilde Wasserfälle wie Tränenbäche die steilen Klippen hinunter.
Der für sechs Millionen Euro neu gebaute und erst 2008 eröffnete Yachthafen von Velas weist wie alle Azorenmarinas ein paar erwähnenswerte Besonderheiten auf: Dem Hafenmeister müssen immer die Ausweise aller Crewmitglieder vorgezeigt werden und die Zugänge zu den Stegen sind fast überall mit schweren Gittertoren gesichert. Stets gibt es ein freies WiFi und die Liegegebühren, stets inklusive Strom und Wasser, sind auf Ostseeniveau und damit deutlich günstiger als im Mittelmeer.
Auf Sao Jorge, der Insel des Käses, leben dreimal so viele Kühe wie Menschen. Auch hier, auf einer der besten Wanderinseln des Archipels, lohnt es sich, länger als nur einen Tag zu verweilen. Der Hafenführer empfiehlt zwei Ankerplätze, der Hafenmeister einen Besuch der Leuchttürme an den beiden Inselspitzen, eine Wanderung von Faja dos Cubres nach Faja da Caldeira, „und zum Mittag könnt Ihr im Restaurant O Amilcar in Faja do Ouvidor einkehren.“
Wir nehmen den Hafenmeister beim Wort und erkunden Sao Jorge zu Fuß. Die Wanderung zur Faja da Caldeira de Santo Cristo ist spektakulär. Steil fallen die Hänge zum Atlantik hinab. Zwischen Hortensien, Sträuchern und Büschen windet sich der schmale Pfad zu Faja hinab. Fajas sind übrigens Flachlandzonen am Fuße der Berge, die nicht selten mit kleinen Ortschaften bebaut wurden.
Ankerplätze auf den Azoren sind rar und häufig exponiert
Die letzte Etappe zurück nach Faial ist kurz, wieder haben wir kein Glück mit der Angel, wieder sehen wir keinen Wal, unsere Bilanz stockt bei einer einzigen kurzen Delfinsichtung und zwei Schildkröten. Yachten haben wir auf dem Wasser nur drei getroffen, die Blauwassergemeinde scheint auf den Inseln mehr zu Ruhen als zu Segeln. In der Baia do Almoxarife versuchen wir einen Ankerstopp, die offene, halbmondförmige Bucht mit feinem, schwarzem Sandstrand am Ende eines sattgrünen Tals wäre ein idealer Badestopp. Doch schnell treibt uns der Schwell weiter bis zur bestens geschützten, bilderbuchschönen Stadtbucht von Horta, Porto Pim. Kaum erreichen wir mit dem Schlauchboot den Strand, kommen zwei schnaufende Polizisten geeilt: „Im Inneren Teil der Bucht ist das Ankern verboten.“
Einmal mehr wird klar: Die Azoren sind für mediterranes Buchtenbummeln nicht geeignet. Und wer viele Ziele auf kurzen Distanzen mag, sollte lieber im Mittelmeer oder der Ostsee bleiben. Wer dagegen Lust am Entdecken und Spaß am Segeln hat, wer üppige und gewaltige Naturlandschaften mag, dazu ein Freund des beschaulichen Individualtourismus ist, der wird auf den Azoren leuchtende Augen bekommen.
Weitere Infos zum Segelrevier Azoren
Anreise
Mit TAP Portugal täglich von vielen deutschen Flughäfen über Lissabon nach Horta auf Faial.
Wetter
Die beste Saison ist zwischen Juni und Mitte September, die Temperaturen liegen dann zwischen 19 und 23 Grad, können aber auch bis zu 30 Grad erreichen. Bei einem ausgeprägtem Azorenhoch herrscht, abgesehen von leichten Land- und Seewinden, häufig Flaute. Sonst meist wechselhaftes Wetter, überwiegend Nordost-, Nord- und Westwinde um zehn Knoten, ab September 15 bis 20 Knoten. Zum Teil stark beeinflusst durch die Inseltopografie.
Navigation
Tidenströmungen betragen nur in Einzelfällen (z.B. Canal do Faial) bis zu zwei Knoten, der Tidenhub beträgt zur Springzeit maximal 1,40 Meter, ein Ausläufer des Golfstroms setzt mit höchstens 0,5 Knoten in südöstlicher Richtung. Die Sicht ist überwiegend sehr gut und wird nur hin und wieder durch heftige Regenfälle beeinträchtigt, die selten lange andauern.
Häfen und Ankerplätze
Jede der Zentralinseln hat einen Yachthafen, bei ungünstiger Wetterlage muss, genauso wie bei den wenigen Ankermöglichkeiten, mit Schwell gerechnet werden. Im Mai und Juni wird es durch die Karibikrückkehrer in den Häfen voll. Die Liegepreise sind niedrig, die Sanitäranlagen überwiegend gut.
Diese Charter-Agenturen helfen dir eine Yacht zu finden
Für eine deutschsprachige Beratung und die zuverlässige Buchung von Charter-Yachten bewährter Anbieter für einen Törn durch das Inselreich der Azoren können diese Firmen behilflich sein:
Kann ich im Juli noch von Curacau nach den Azoren segeln ???