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1999 gründete Peter Wrede die Peter Wrede Yacht Refits. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 30 Mitarbeiter an vier Standorten in Hamburg, Neustadt i. H., Kappeln und Greifswald. Der Fachbetrieb ist bekannt für Hightech-Behandlung, nachhaltigen Schutz und das Finish von Yachten und gilt als Experte für Spritzlackierungen, Osmose-Sanierungen und das Strahlen und Beschichten von Yachten.
Osmose ist eine Gefahr für GFK-Yachten
Eigner von Yachten aus GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff) müssen sich mit dem Thema Osmose auseinandersetzen, da eine nicht behandelte Osmose die Struktur des Schiffes dauerhaft zerstören kann. Dies ist gilt insbesondere auch für angehende Blauwassersegler und die eigene Yacht sollte rechtzeitig vor dem „Leinen lösen“ zur Langfahrt oder Weltumsegelung geprüft und gegebenenfalls fit gemacht werden. Dazu tragen ein entsprechender Bewuchs-, Korrosions- und Osmose-Schutz sowie eine eingehende Prüfung des Ruderblattes bei.
In diesem Beitrag geht es nur um das Thema Osmose – gleichwohl die anderen Themen ebenfalls eine gewichtige Rolle bei den Vorbereitungen der eigenen Reise spielen. Mehr dazu steht hier geschrieben.
Wie findet man also heraus, ob das eigene oder ein zu erwerbendes gebrauchtes Schiff im Unterwasserbereich osmosefrei und intakt ist, so dass man damit auf Langfahrt gehen kann? Vor allem auch dann, wenn die Substanz des GfK-Rumpfes im Unterwasserbereich durch zahlreiche Schichten Antifouling verdeckt und für eine gründliche Inspektion unerreichbar ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass gerade beim Gebrauchtbootkauf die Vorgeschichte der Yacht nicht immer lückenlos und ehrlich dokumentiert ist und wichtige Fragen mitunter unbeantwortet bleiben: Gibt es Strukturschäden an der Kielsektion, wie etwa nach einer Grundberührung? Gab es schon einmal einen Lager- oder Transportschaden in den punktuell stark belasteten Bereichen der Auflagen? Und was ist mit Kollisionen mit Treibgut? Und eben Osmose! Hatte das Schiff schon einmal Osmose und wie wurde diese beseitigt?
Die nachstehenden Punkte sollen dabei helfen die Osmose zu verstehen und ihr wirksam vorzubeugen – unabhängig davon, ob die zugehörigen Arbeiten in Eigenleistung oder durch einen Fachbetrieb durchgeführt werden. Ich werde daher aufzeigen, wie der Problematik begegnet werden kann und welche Lösungsansätze es dafür gibt.
Der Form halber sei noch erwähnt, dass moderne Schiffe aus Vinylester- oder Epoxid-Harz gegenüber dem alt hergebrachten häufiger verwendeten Bootsbaustoffen Orthophthalsäure- bzw. Isophthalsäure-Polyester-Harz den großen Vorteil haben, dass sie hydrolysefester (wasserfester) und damit deutlich resistenter gegen Osmose-Schäden sind. Um Schiffe aus Vinylester- oder Epoxid-Harz geht es im Folgenden also weniger.
Osmose-Entstehung
Die Osmose entsteht, wenn das Unterwasserschiff nicht optimal geschützt ist und Feuchtigkeit durch das Gelcoat eindringen kann. Dort sammelt es sich in bei jedem Schiff im Laminat baubedingt vorhandenen Hohlräumen. Da das Laminat nicht „wasserfest“ ist, zersetzt sich das Harz, das die Glasfasern verbindet und bildet eine Säure. Sie zieht – durch ihr chemisches Bestreben sich zu verdünnen – weitere Feuchtigkeit in den Hohlraum. Der Druck im Hohlraum steigt und drückt das Gelcoat als Blase nach außen. Das spröde Gelcoat platzt auf und das Laminat ist schutzlos dem Meerwasser ausgesetzt. Im weiteren Verlauf der Osmose zersetzt sich das Laminat zunehmend. Übrig bleiben Glasfasern ohne Zusammenhalt – das Laminat ist zerstört.
Blauwasserfahrten fördern Osmose
Der typische Segler in unseren Breiten bringt seine GFK-Yacht im Frühjahr ins Wasser und nimmt sie im Herbst wieder heraus. Was nach viel Arbeit klingt, bringt jedoch einen wichtigen Begleiteffekt mit sich, der teilweise auch Osmose-Schäden vorbeugt. Steht das Boot außerhalb der Saison an Land, hat das Unterwasserschiff bzw. das Laminat die Möglichkeit, auszutrocknen.
Wer hingegen auf eine längere Blauwasserfahrt oder auch Weltumsegelung geht, lässt sein Schiff meistens jahrelang im Wasser. Dieser dauerhafte Kontakt mit dem nassen Element ist Stress für ein GFK-Boot, weil so die nicht ganz unwichtigen Phasen des Austrocknens zu kurz kommen. Hinzu kommt, dass mit steigender Wassertemperatur (Stichwort: Weltumsegelung auf der Barfußroute) der Zersetzungs-Prozess des Laminates beschleunigt wird. Ein nicht zu unterschätzendes Problem, da das Laminat dann folglich seine Festigkeit verliert.
Einen Osmose-Schaden erkennen
Ein Osmose-Schaden wird dadurch sichtbar, dass sich das Gelcoat in Blasenform vom Laminat löst – also nach außen weggedrückt wird bzw. hoch kommt. Dies ist ein sehr wichtiges Erkennungsmerkmal der Osmose und im fortgeschrittenen Zustand ist die Osmose anhand der Blasen auch vom Laien zu erkennen. Viele Segler haben Osmose-Blasen schon einmal gesehen oder gerochen, da aus einer geöffnete Osmose-Blase zumeist eine nach Essig riechende Flüssigkeit austritt – die Osmose-Flüssigkeit.
Achtung: Steht das Schiff – beispielsweise vor einem Besichtigungstermin – schon länger an Land, kann die Osmose-Flüssigkeit wegtrocknen, sodass dann keine Flüssigkeit mehr austritt. Irrtümlicherweise könnte dann angenommen werden, dass das Schiff keine Osmose hat. Das wäre falsch. Die Osmose ist in dem Fall zwar nicht mehr „riechbar“, aber dennoch in keiner Weise behoben, da die getrockneten Säure-Bestandteile weiterhin in den Hohlräumen des Laminats vorhanden sind.
Ist ein Schiff mit Bläschen übersäht, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass eine fortgeschrittene Osmose vorliegt. Aber auch wenn man augenscheinlich keine Blasen im Unterwasserschiffbereich entdeckt, kann Osmose vorliegen. Damit man trotzdem mit einem guten Gefühl in See stechen und vor allem auch unterwegs sein kann, sollte das Unterwasserschiff rechtzeitig vor der Abfahrt überprüft werden. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten.
Zunächst sollte mit einem erfahrenen Auge eine Sichtprüfung vorgenommen werden. Dazu besichtigt der Eigner/Käufer – idealerweise zusammen mit einem Profi – das Unterwasserschiff, sodass notwendige Schwachstellen in der Grundsubstanz identifiziert werden können. Hierbei geht es nicht nur um das Feststellen eines eventuell vorhandenen Osmose-Schadens, sondern auch um das Aufspüren eventueller Vorschäden, die das Laminat nachhaltig geschwächt haben können. Der finanzielle Aufwand für eine solche Begutachtung ist vergleichsweise gering und rechnet sich folglich schnell.
Eine andere Methode zur Osmose-Früherkennung ist ein so genannter Schleiftest. Dieser kann von jedem handwerklich begabten Eigner sehr gut in Eigenleistung durchgeführt werden. Dabei wird mit 120er Schleifpapier eine etwa DIN-A4 große Fläche (ca. 20 x 30 Zentimeter) vom Antifouling befreit und bis auf das Gelcoat frei geschliffen. Vorhandene Blasen – die ja im Untergrund erhaben sind werden dadurch als erstes freigelegt. Sie zeichnen sich als Punkte in der Fläche ab, da sie beim Schleifen „geköpft“ werden.
Weitere Alternativen sind eine Feuchtigkeitsmessung des Unterwasserschiffes mit einem speziellen Gerät oder der Taschenlampentest. Bei Letzterem wird das Unterwasserschiff mit der Taschenlampe abgeleuchtet, um im Streiflicht den Schatten von eventuell vorhandenen Blasen sichtbar zu machen.
Osmose-Schutz
Häufig ergibt die Sichtprüfung oder der Schleiftest, dass das Unterwasserschiff intakt ist. Das ist eine gute Nachricht und man hat eine Sorge weniger bei den mitunter doch recht umfangreichen Reisevorbereitungen, die sich unweigerlich bei der Planung einer Weltumseglung oder Langfahrt ergeben. Aber auch dann kann überlegt werden, ob ein professioneller Osmose-Schutz durchgeführt werden soll, um den langen Liegezeiten im Wasser präventiv zu begegnen. Achtung: Dieses Verfahren sollte nicht mit einer vergleichsweise aufwendigen Osmose-Sanierung verwechselt werden und kostet deutlich weniger.
Für den Osmose-Schutz gibt es verschiedene Varianten. Dabei werden die vorhandenen Beschichtungen (Antifouling, Gelcoat etc.) unterschiedlich tief abtragen. Im Anschluss werden die fehlenden Schichten mit hochwertigen Werkstoffen neu aufgebaut, um langfristig einen vernünftigen Osmose-Schutz zu gewährleisten.
Variante 1: Unterwasserschiff bis auf das Gelcoat strahlen
Bei diesem Vorgehen wird die vorhandene Unterwasserschiff-Beschichtung bis zum Gelcoat mit einem speziellen Strahl-Verfahren (Rotoblast) besonders schonend entfernt. Dabei wird schnell sichtbar, ob das Schiff über die gesamte Substanz hinweg in Ordnung ist. Eventuelle Struktur- oder Osmose-Schäden werden dabei unweigerlich entdeckt.
Im nächsten Schritt wird das Unterwasserschiff bei rund 40 Grad Celsius getrocknet. Danach wird das Unterwasserschiff dickschichtig mit Epoxid beschichtet. Fachbetriebe verwenden hierfür das Airless-Spritzverfahren. Dabei wird die erforderliche Epoxid-Schicht in sechs Spritzgängen gleichmäßig und schichtstark über das gesamte Unterwasserschiff aufgetragen.
Dazu sei angemerkt, dass ein wirkungsvoller Osmose-Schutz erst mit mindestens 350 Mikrometer Trockenschichtstärke auf dem Unterwasserschiff erreicht wird. Das entspricht rund 12 bis 15 Anstrichen mit der klassischen „Rolle“! Wer die Arbeiten selbst durchführt, sollte penibel darauf achten, dass die richtige Schichtstärke erreicht wird und dass die Arbeiten unter kontrollierten klimatischen Bedingungen erfolgen (Temperatur und Taupunkt beachten).
Variante 2: Unterwasserschiff im Shotblast-Verfahren strahlen
Gegenüber der Variante 1 geht diese Variante noch einen Schritt weiter. Hierbei werden zusätzlich die zwischen Laminat und Gelcoat befindlichen Hohlräume (potenzielle Osmose-Nester!) in einem intensiveren Strahlverfahren freigelegt – auch wenn dort keine Osmose vorhanden ist. Anschließend folgt wieder eine thermische Entfeuchtung bei rund 40 Grad Celsius. Danach werden die geöffneten Hohlräume mit Epoxid verfüllt. Der so instand gesetzte Untergrund wird dann, analog zu Variante 1 schichtstark mit Epoxid beschichtet.
Variante 3: Unterwasserschiff bis auf das Laminat strahlen
Dieses Variante sollte zum Einsatz kommen, wenn das Gelcoat defekt ist. Durch ein intensives Strahlverfahren wird das Gelcoat konsequent bis zum Laminat entfernt und das Laminat thermisch entfeuchtet. Dann werden die freigelegten Hohlräume mit Vinylester verfüllt und eine neue Beschichtung aus hochwertigem Vinylester-Gelcoat im Airless Spritzverfahren aufgetragen. Das Schiff erhält quasi eine neue Gelcoat-Beschichtung, die zudem noch mit Epoxid und Antifouling, wie bei den Varianten 1 und 2 auch, geschützt wird. Diese Variante bietet eine exzellente Grundlage für eine ausgedehnte Blauwasserfahrt und Schutz für viele Jahre, da sie technisch sehr hochwertig ist.
Osmose-Sanierung
Sollte sich herausstellen, dass ein Osmose-Schaden vorliegt, muss eine Osmose-Sanierung erfolgen – andernfalls droht der Verlust des Schiffes, da die Substanz des Unterwasserschiffs nach und nach zersetzt wird. Wird die Zersetzung nicht gestoppt, entsteht ein Folgeschaden, der zu wirtschaftlichen Kosten nicht behoben werden kann.
In den seltensten Fällen führen Eigner eine solche Arbeit selbst durch. Wer einen Fachbetrieb auswählt, sollte deshalb darauf achten, dass die folgenden Arbeitsschritte im Rahmen der Sanierung durchgeführt werden. Ich persönlich weiß aus meiner mehr als 25-jährigen Berufserfahrung, dass jeder der folgenden Arbeitsgänge für einen dauerhaften Erfolg unverzichtbar ist:
- Entfernen der Gelcoat-Beschichtung und des zerstörten Laminates im Strahlverfahren
- Austrocknen/Tempern des Unterwasserschiffs bei 40 Grad Celsius
- Auflaminieren von Glaslaminat mit hydrolysefestem Vinylesterharz als Feuchtigkeitssperre und zur Verstärkung des Unterwasserschiffs. Durch den Abtrag, des durch die Osmose zerstörten Laminates, wurde der Rumpf im Unterwasserbereich geschwächt.
- Spachteln und glätten des Unterwasserschiffs mit Vinylester-Gelcoat, um die alte Bootsform wieder herzustellen
- Gelcoat-Beschichtung in sechs Spritzgängen mit hochwertigem Vinylester-Gelcoat
- Schutz-Beschichtung in mindestens sechs Spritzgängen mit Epoxid
- Antifouling-Beschichtung
Da dies ein – je nach Schiffsgröße im Verhältnis zum Schiffswert – kostspieliges Unterfangen ist, sollte immer ein Fachbetrieb ausgewählt werden, der auf die umfangreichen Arbeiten mindestens sieben Jahre Garantie gewährt.
Natürlich kann man solche Arbeiten auch in Eigenregie durchführen, allerdings muss einem bewusst sein, dass dies eine zeitintensive „Drecksarbeit“ ist, die etliche Tage in Anspruch nehmen wird. Außerdem hat man es mit giftigen Werkstoffen zu tun und ein Großteil der Arbeiten findet in der Regel über Kopf statt. Ein entsprechender Schutz mit Atemmaske und Ganzkörperanzug ist unerlässlich. Auch muss man sich Gedanken über die fachgerechte Entsorgung des umweltschädlichen Abfalls machen.
Unabhängig davon, ob ein Verfahren zum Osmose-Schutz oder gar eine Osmose-Sanierung durchgeführt wird, muss das Unterwasserschiff final mit Antifouling vor Bewuchs geschützt werden.
Osmose-Sanierung der HIPPOPOTAMUS
Abschließend sei noch ergänzt, dass die Weltumsegler Judith und Sönke Roever vier Jahre nach ihrer Weltumseglung an ihrer HIPPOPOTAMUS Osmose festgestellt haben. Die entsprechende Sanierung wurde bei uns im Betrieb durchgeführt und die nachfolgenden Bilder zeigen auf, wie die einzelnen Arbeitsschritte abgelaufen sind.
Fazit
Mit einer konsequenten Osmose-Prävention und einem hochwertigen, langlebigen Antifouling als Bewuchsschutz, wird das Unterwasserschiff auch auf Blauwasserreisen lange Freude bereiten.
Es würde mich freuen, wenn meine Tipps dazu beitragen. In diesem Sinne: Fair winds!
Einen riesigen Dank für diesen wertvollen Artikel! Grundlagen, Prüfung, Beseitigung – alles ist perfekt angesprochen und sogar bebildert. Und der Artikel ist erreichbar aus Wikipedia. Genau, was wir gerade brauchen (leider).