Wind-Portrait: der Meltemi/die Etesien (Mittelmeer)

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Der Meltemi ist der Schönwetterwind der Ägäis

Der Meltemi kann für traumhafte Segelbedingungen sorgen und wird für seine Zuverlässigkeit geschätzt. Allerdings kommt der Meltemi nicht selten als Starkwind daher und ist dann eine Herausforderung auch für erfahrene Skipper. Der türkische Begriff Meltemi bedeutet „Brise“ oder „sanfter Wind“. Dieser Name ist weitverbreiteter als die griechische Bezeichnung Etesien (von etos – jährlich).

Wenn der Meltemi nur schwach ausgeprägt ist, ist er ein schöner Segelwind. ©Sönke Roever

Es handelt sich beim Meltemi um einen trockenen Nordwind, der sich über die gesamte Ägäis erstreckt, genauer gesagt zwischen der Ostküste Griechenlands und der Westküste der Türkei bis hinunter nach Kreta.

Aus dem Norden der Ägäis kommend, fächert sich der Meltemi nach Süden hin auf. Dies führt an den verschiedenen Küsten zu unterschiedlichen Windrichtungen. In der zentralen und südlichen Ägäis weht der Meltemi aus dem Norden, nahe der Peloponnes aus Nordost und in der östlichen Ägäis, bei den Dodekanes-Inseln, kommt er aus Nordwest. An der südwestlichen türkischen Küste kommt der Meltemi sogar aus dem Westen.

Schematische Darstellung des Meltemi. ©MagentaGreen/Wikipedia

Der Meltemi bläst den ganzen Sommer stark und gleichmäßig

In den Monaten Juni bis September zeigt sich der Meltemi an circa sieben von zehn Tagen, aber auch in den Monaten April, Mai und Oktober taucht der Meltemi in der Ägäis auf, dann aber deutlich seltener. Gleichmäßig und kräftig bläst er mit etwa vier bis sieben Beaufort (15 bis 30 Knoten), er kann jedoch bis auf neun Beaufort (45 Knoten) aufdrehen. Dies geschieht insbesondere dort, wo Fallböen durch Inseln und Düseneffekte durch Meerengen entstehen.

Der Meltemi kann auch Sturmstärke erreichen – dann kann es unangenehm werden. ©Michael Amme

Üblicherweise baut sich der Meltemi am Vormittag rasch auf und legt sich zum Sonnenuntergang, um am nächsten Morgen erneut aufzuwachen. Es kommt aber auch vor, dass er die Nacht durchsteht oder gar mehrere Tage am Stück ununterbrochen weht. Dies macht beispielsweise Inseln wie Rhodos und Karpathos zu beliebten Surfrevieren.

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Der Meltemi ist ein synoptischer Wind

Der Meltemi wird zu den synoptischen Winden gezählt, das heißt, er ist vom Vorhandensein einer bestimmten Wetterlage abhängig. Synoptische Winde dauern in der Regel über einen längeren Zeitraum an, da sie eben von der Großwetterlage bestimmt werden.

Die für den Meltemi spezifische Wetterlage ergibt sich aus einem großflächigen Druckunterschied zwischen dem Azoren-Hochdruckgebiet und dem Tiefdruckgebiet eines Sommermonsuns über Südwestasien. Im Sommer bildet das Azorenhoch einen Keil über Italien, Mitteleuropa und dem Balkan. Durch die jahreszeitlich zunehmend starke Sonneneinstrahlung bildet sich wiederum ein Hitzetief über der anatolischen Hochebene und der arabischen Halbinsel.

Der Meltemi entsteht zwischen einem Hoch über dem Balkan und einem Tief über Türkei. ©WetterWelt

Diese beiden Drucksysteme sind spätestens zu Beginn des Sommers über einen längeren Zeitraum an ihrer jeweiligen Stelle stabil und damit die Ursache für das jährlich wiederkehrende Strömungsverhalten, bei dem die Unterschiede zwischen den Druckgebieten ausgeglichen werden.

Darstellung des Meltemis in der Wettersoftware Seaman Pro. ©WetterWelt

Da der Wind aus einem Hoch im Uhrzeigersinn herausweht und in das Tief entgegen dem Uhrzeigersinn hineinweht, weht der Wind dazwischen aus nördlicher Richtung. Dies bedeutet konkret, dass an der Ostflanke des Balkanhochs kalte Luft nach Süden strömt und der entstehende Nordwind fächerförmig über der Ägäis aus dem Hoch in das Tief strömt.

Der Meltemi hat viele Gesichter. ©Sönke Roever

Diese Anzeichen kündigen den Meltemi an

Über die meteorologischen Kennzeichen hinaus wird der Meltemi durch topografische Gegebenheiten beeinflusst. Hohe Berge wie auf dem griechischen Festland oder dem südlichen Balkan sorgen für einen Kanalisierungseffekt. Beim Überqueren der Berge wird die Luft trockener. Dies führt zu dem unvergleichlich strahlend blauen Himmel in Griechenland. Der Meltemi bringt stets gutes Wetter und eine klare Sicht mit sich. Strandurlauber empfinden ihn als angenehme Erfrischung bei den hochsommerlichen Temperaturen.

Schäfchenwolken sind Anzeichen des Meltemis. ©Andy Ilmberger/stock.adobe.com

Es gibt verschiedene Anzeichen, die auf einen entstehenden Meltemi hindeuten. Der Luftdruck steigt deutlich an, mit mindestens drei bis vier Hektopascal (hPa) innerhalb von 12 Stunden. Solange der Druck über 1.018 hPa liegt, ist mit einer mehrtägigen Starkwindperiode zu rechnen. Lockere Felder hoher Schäfchenwolken (Cirrocumulus) ziehen über einen tiefblauen Himmel aus Südwest bis West und vor allem vormittags sind sogenannte „Blumenkohlwolken“ (Cumulus) über dem Festland zu sehen.

Fehlender Morgentau ist ebenfalls ein gutes Anzeichen, insbesondere wenn an den Tagen zuvor das Deck morgens feucht war. Besonders im Frühjahr und Herbst kann es am nördlichen Himmel zu Wetterleuchten kommen.

Meltemi: blauer Himmel, stürmische See und Schönwetterwolken. ©viperagp/stock.adobe.com

Die folgenden Tipps helfen für einen entspannten Segelurlaub in der Ägäis

Die Herausforderung für Segler liegt in der Schwierigkeit vorherzusagen, wie ausgeprägt die Dauer und die Stärke des Meltemis sein werden. Darüber hinaus sind die Auswirkungen des Meltemis örtlich stark unterschiedlich.

Die Nacht und den jungen Morgen nutzen

Da der Meltemi in der Regel vormittags einsetzt und bis zum späten Abend weht, ist es ratsamer, möglichst zeitig am Morgen oder in der Nacht zu fahren und am Tage abzuwettern, wenn Strecke gegen den Wind gut gemacht werden muss.

Topographische Verstärkungen beachten

Steilküsten, Gebirge und Meerengen können zu einer Verstärkung des Meltemis um ein bis zwei Beaufort oder mehr führen. Wer meint, in Lee von den griechischen Inseln geschützt zu sein, kann von noch heftigen Fallböen überrascht werden. Klassische Fallböen-lnseln sind die in einer Kette liegenden Inseln Euböa, Andros und Tinos sowie Kos. Außerdem ist in den Kykladen generell Vorsicht geboten.

Typisches Meltemi-Gebiet - die Insel Paros. ©moofushi/stock.adobe.com

Höhere Windstärken entstehen ebenfalls durch Meerengen, die zu Düseneffekten führen. Beispiele hierfür sind die Meerengen zwischen lkaria und Samos und zwischen Paros und Naxos.

Achtung: Die durch den Wind entstehenden Strömungen wie in der Passage zwischen Euböa und Andros können bis zu sieben Knoten erreichen.

Der Meltemi drückt die Wellen ans Ufer bei Mykonos. ©Ella/stock.adobe.com

Ratsam ist es, wenn möglich, Abstand zu Steilküsten zu halten. Durch Staueffekte im Luv von Steilküsten und in fjordähnlichen Buchten mit einer Nord-Süd-Ausrichtung können Fallwinde ein zusätzliches Risiko sein. Sie treten zum Beispiel an den Südseiten von kahlen Kykladeninseln auf.

Sich auf den Meltemi vorbereiten

Selbst wenn gerade Flaute herrscht, sollte die Crew wachsam sein. Es sollte klar sein, wie gerefft wird – insbesondere auf Charteryachten. Und: Die Großschot sollte aufgrund der möglichen Böen jederzeit klar zum Fieren sein.

Gut zu erkennen. Ruhiges Wasser (wenig Wind) im Vordergrund und aufgewühlte See im Hintergrund (Meltemi). Hier kann das Reffen in Ruhe vorbereitet werden. ©Sönke Roever

Generell erfordert der Meltemi im Sommer eine sorgfältige Törnplanung, um nicht tagelang im Hafen festzusitzen oder unter Druck die falsche Entscheidung treffen zu müssen. Auch hier sind Chartersegler gefordert, die zu einem festen Termin an einem Stützpunkt sein müssen.

Mit auf Handtuchgröße gereffter Genua steuert diese Yacht durch den Meltemi. ©Sönke Roever

Wer vom Meltemi ungünstig überrascht wird, sollte erstmal reffen und dann gegebenenfalls die nächste Bucht ansteuern. Falls der Anker genutzt wird, kommt der Länge der zu steckenden Kette eine erhöhte Bedeutung zu.

Den Wetterbericht täglich zu studieren, sollte selbstverständlich sein. Wer unsicher ist, kann auch Einheimische, wie Fischer, oder andere Segler befragen. Gegebenenfalls lieber einen Hafentag mehr einlegen.

Die Fischer wissen sehr gut über das lokale Wettergeschehen bescheid. ©Sönke Roever

Der Meltemi/die Etesien im Steckbrief

Allgemein

  • Wo? Gesamte Ägäis zwischen der Ostküste Griechenlands und der Westküste der Türkei bis hinunter nach Kreta
  • Was? Synoptischer Wind, der von der Großwetterlage bestimmt wird
  • Woher? Zentrale und südliche Ägäis: aus Norden; nahe der Peloponnes: aus Nordost; östliche Ägäis (Dodekanes): aus Nordwest; südwestliche türkische Küste: aus West
  • Wie stark? Normalerweise 15 bis 30 Knoten, Sturmböen bis circa 45 Knoten möglich insbesondere durch Fallböen, Fallwinde und Düseneffekte
  • Wann? April bis Oktober, Maximum an Frequenz und Stärke Juni bis September
  • Wie lange? Üblicherweise frischt er am Vormittag auf und weht bis Sonnuntergang, aber auch nachts möglich, dauert einige Tage bis Wochen an
Zum Abend hin flaut der Meltemi in der Regel ab. ©Sönke Roever

Entstehung

  • Jährlich wiederkehrende Wetterlage: quasistationäres Hoch über dem Balkan und Hitzetief über Südwestasien
  • Der zum Ausgleich entstehende Wind strömt aus nördlicher Richtung zwischen den Druckgebieten fächerförmig vom Hoch zum Tief

Merkmale

  • trockene, kühle Luft
  • tiefblauer Himmel
  • klare Sicht
  • Luftdruck steigt deutlich, bei ≥ 1.018 hPa mehrtägige Starkwindperiode
  • lockere Schäfchenwolkenfelder aus Südwest bis West
  • Blumenkohlwolken über dem Festland
  • fehlender Morgentau
  • Wetterleuchten am nördlichen Himmel möglich
Bei Meltemi kann es an manchen exponierten Liegeplätzen auch mal unangenehm werden. ©Michael Amme

Seglerhinweise

  • Möglichst zeitig am Morgen oder in der Nacht fahren und am Tage abwettern, wenn Strecke gegen den Wind gemacht werden muss.
  • Achtung: Zwischen den Inseln, in Meerengen, entsteht eine starke Meeresströmung (4 bis 7 Knoten).
  • Vorsicht bei Steilküsten, fjordähnlichen Buchten und Gebirgen. Abstand halten! Fallböen und Düseneffekte können beachtlich den Mittelwind übersteigen.
  • Immer die Wettervorhersage im Blick haben und Einheimische befragen
Alles unter Kontrolle. Schönes Segeln im Meltemi. ©Sönke Roever

Fazit

Vielen Wassersportlern in Griechenland ist der Meltemi bekannt. Für nicht wenige Surfer und Segler ist der Schönwetterwind der Grund, sich in den Sommermonaten in der Ägäis aufzuhalten. Andere gehen diesem Starkwind lieber aus dem Weg.

Werden jedoch die meteorologischen und topographischen Eigenheiten beachtet und die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, so können die Nerven von Skipper und Crew geschont werden und einem schönen Sommersegeltörn steht nichts im Weg.

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