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Sönke hat 100.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und von 2007 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Judith die Welt umsegelt. Er veranstaltet diverse Seminare auf Bootsmessen (siehe unter Termine) und ist Autor der Bücher "Blauwassersegeln kompakt", "1200 Tage Samstag" und "Auszeit unter Segeln". Sönke ist zudem der Gründer von BLAUWASSER.DE und regelmäßig mit seiner Frau Judith und seinen Kindern auf der Gib'Sea 106 - HIPPOPOTAMUS - unterwegs.
Anlegen an einer Schäre. Ein besonderes Erlebnis?
Der Segelwind des Tages ist eingeschlafen und die Sonne nähert sich langsam dem Horizont, taucht die schwedische Schärenwelt in eine orange-gelbe Farbe. Auf den noch warmen Schären sitzt ein Seglerpaar beim Sundowner mit Blick auf das eigene Schiff, das nur wenige Meter entfernt liegt. Andere Menschen sind weit und breit nicht zu sehen, lediglich ein Fisch springt kurz aus dem Wasser. Tagesausklang in Skandinavien.
Ist das ein besonderes Erlebnis? Für Skandinavier ganz sicher nicht. Das Festmachen an einer Schäre inmitten der unberührten Natur gehört zum Segelalltag der Norweger, Schweden oder Finnen. Deutschen Crews hingegen fällt es mitunter schwer, sich auf diese besondere Form des Festmachens einzulassen, die Angst das Boot zu beschädigen überwiegt bei ihnen. Das ist schade. Zumindest gehört das Übernachten an einer Schäre für mich zu den schönsten Erlebnissen an Bord einer Yacht. Mal davon abgesehen, dass es kein Hafengeld kostet 😉
Damit das Manöver gelingt und das Anlegen an so einem Felsen nicht zur Belastung wird, trage ich hier einmal zusammen, wie wir bei uns an Bord vorgehen. Da wir inzwischen ein paar Hundert Nächte an Schären liegend verbracht haben, denke ich, dass sich das System bewährt hat.
Eine geeignete Bucht zum Festmachen an einer Schäre finden
Die einfachste Möglichkeit, einen sicheren Liegeplatz an einer Schäre zu finden, ist ein gutes Handbuch an Bord zu haben. Grundsätzlich gibt es viele Handbücher, die die verschiedenen Reviere beschreiben. Für das Ansteuern und Festmachen in Naturhäfen sind allerdings besonders jene Handbücher geeignet, die Luftaufnahmen oder detaillierte Zeichnungen/Karten der einzelnen Buchten enthalten. Darauf sichtbar sein sollten die Tiefenlinien und Untiefen. Das erlaubt eine relativ einfache Ansteuerung.
So gibt es beispielsweise in Norwegen einen Verlag, der den Hamnguiden erstellt (Vertrieb in Deutschland je nach Band über Delius Klasing oder Hansenautic). Darin enthalten sind Luftbilder mit weiteren Angaben. Für Schweden gibt es super Bücher unter dem Namen Tre Veckor. Hier tritt als Autor der Svenska Kryssarklubben auf. Die Bücher gibt es beim Schiffsausrüster.
In den Törnführern sind die passenden Anlegestellen an den Schären ausführlich gekennzeichnet. Außerdem steht dort für gewöhnlich etwas über die Umgebung, die Ansteuerung und bei welchen Winden die Bucht geschützt ist. Dazu gleich mehr.
Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings: Dadurch, dass diese Orte in den Büchern erfasst sind, werden sie bevorzugt angelaufen und es kann dort in der Hochsaison (Mitte Juni bis Mitte August) recht voll werden. Wer also die Einsamkeit sucht, muss einen geeigneten Platz selber finden.
Einfluss des Windes beim Anlegen an einer Schäre
Grundsätzlich gilt: In Naturhäfen sollte nur festgemacht werden, wenn die Wetterlage stabil ist und keine starken Winddreher zu erwarten sind, da die Buchten selten gegen Winde aus allen Richtungen geschützt sind. Außerdem würde ich bei Sturm darauf verzichten wollen, an einer Schäre zu liegen. An Schären wird vorzugsweise bei schönem Wetter festgemacht. Für alles andere gibt es Marinas 🙂
Habe ich eine stabile Wetterlage zu erwarten, suche ich mir in der Bucht eine Stelle mit ablandigem Wind, um dort mit dem Schiff festzumachen. Das ist wichtig, da im Lee der Schäre kein Schwell entstehen kann und die Yacht durch den Wind von den Felsen ferngehalten wird.
Die exakte Anlegestelle an einer Schäre finden
Die Liegeplätze, an denen mit dem Bug direkt an den Felsen gefahren wird, sind mitunter sehr klein, was die Breite betrifft. Das ist jedoch kein großes Problem, so lange ich genau weiß, wo so ein Platz ist. Es gibt mehrere Möglichkeiten, ihn zu finden.
Über den Törnführer oder die Seekarte habe ich die Bucht identifiziert, in die gefahren wird. Meistens finde ich hier auch eine Information über Stellen, an denen die Zwei-Meter-Tiefenlinie möglichst dicht an Land verläuft. Das ist nötig, da ich andernfalls mit einer Kielyacht wenig Chancen habe, direkt an die Felsen zu fahren.
An einer solchen Stelle beginne ich nun im Lee der Felsen nach Liegeplätzen zu suchen, an denen der Stein einigermaßen kontinuierlich ins Wasser abfällt. Dabei gilt eine einfache Faustregel: Die Topografie an Land setzt sich meistens unter Wasser fort. Eine Garantie gibt es dafür natürlich nicht, aber es ist ein guter Anhaltspunkt.
Nun könnte man meinen, je steiler, desto besser. Klar, das liegt auf der Hand, ist aber nicht ganz richtig, da ich bei einem zu steil abfallenden Felsen schlecht an Land komme. Ein zu flach abfallender Felsen wiederum ist auch nicht geeignet, weil es davor unter Wasser meistens zu flach ist. Eine andere Alternative sind Absätze in den Felsen mit einer Art Wand davor.
Wurde ein potenzieller Liegeplatz identifiziert, wird er einer kurzen Überprüfung unterzogen. Damit gemeint ist, dass ich eine Probeanfahrt zu der Liegestelle unternehme ohne festzumachen. Dabei steht eine Person auf dem Bug, beobachtet die Wasserfläche und zeigt mittels Handzeichen den Abstand zum Ufer an – fünf Finger entsprechen fünf Metern. Der Abstand wird am seitlich ausgestreckten Arm kontinuierlich angezeigt. Das hat den Vorteil, dass der Steuermann gut sehen und einschätzen kann, wann aufgestoppt werden muss.
Es wird sehr langsam an die Schäre gefahren. Die Person auf dem Bug guckt dabei, ob unter Wasser der Grund rein und das Wasser tief genug ist. Das Wasser der Ostsee ist dafür klar genug. Sollte das Wasser aus irgendwelchen Gründen nicht klar sein, ist der Liegeplatz nicht zu empfehlen. Sollten Unklarheiten bei der Person auf dem Bug entstehen, ob das passt, kann mit dem ausgestreckten Arm ein Zeichen gegeben werden, langsamer zu fahren oder gar zu stoppen.
Ist der Liegeplatz ungeeignet, muss ein anderer Liegeplatz nach dem gleichen Prinzip gesucht werden. Deshalb ist es gut, den Probelauf zu machen. Das erspart uns ein mehrfaches Fahren des Heckankermanövers. Ist der Platz hingegen geeignet, entfernen wir uns wieder und bereiten Leinen und Heckanker vor. Dann kann mit dem eigentlichen Manöver begonnen werden.
Tipp: Wenn eine andere Yacht bereits in der Bucht liegt und die Crew anwesend ist, ist es üblich, dass die Crew an Land nach einer geeigneten Stelle sucht und diese anzeigt. Ich mache das umgekehrt auch immer so. Es ist eine nette Geste, vergleichbar mit dem Annehmen der Leinen im Hafen.
Und natürlich ist es viel einfacher, mit einem Kurzkieler einen Liegeplatz zu finden als mit einem Langkieler, da unter dem Bug beim Kurzkieler der Kiel weiter hinten beginnt.
Schärennägel und Leinen
Zum Festmachen an den Felsen werden Schärennägel, eine lange Allzweckleine, zwei lange Bugleinen sowie ein Heckanker benötigt.
Bei den Bugleinen hat es sich bewährt, wenn diese mindestens 20 Meter lang sind, da sie auf Slip belegt werden. Das erlaubt, auch Punkte an Land zu erreichen, die etwas weiter weg sein könnten. Beispielsweis ein Baum.
Um an den Schären festzumachen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder werden in die Felsen eingelassene und gekennzeichnete Augbolzen/Ringe verwendet oder aber es werden Schärennägel benutzt, die jede Yacht selbst mitführt. Die Schärennägel gibt es im Bootshandel (auch in Deutschland) und der Preis liegt unter zehn Euro. Online findet man sie auch unter dem Suchbegriff „Schärenanker“.
Die Schärennägel gibt es in zwei unterschiedlichen Formen. Als senkrechter Nagel (I-Form) oder als gewinkelter Nagel (L-Form). Es hat sich bewährt, von beiden Formen mindestens zwei Stück an Bord zu haben. Zum Einschlagen der Nägel in Felsspalten wird ein großer Hammer benötigt. Gut gehen sogenannte Lattenhammer. Die haben an einem Ende eine Spitze und damit kann man Spalten von Erde befreien.
Die Allzweckleine sollte 40 Meter lang sein. Sie wird in sehr engen Buchten, in denen zu wenig Platz für einen Heckanker ist, als Achterleine genutzt. Wichtig: Die Leine darf keine Schwimmleine sein, da eine Achterleine die Zufahrt für andere Yachten versperrt. Möchte eine andere Yacht in den inneren Bereich einer Bucht ein- oder ausfahren, wird die Achterleine auf den Grund gefiert und das geht nun mal mit einer Schwimmleine nicht. Es ist übrigens kein Problem, die Leine zu fieren, da der Wind ja von vorne kommt.
Ankergeschirr
Als Heckanker haben sich der Bügelanker oder der M-Anker bewährt, da sich beide erfahrungsgemäß sehr gut in den Buchten eingraben. Dazu sei angemerkt, dass die Buchten optisch zwar aus Felsen bestehen, praktisch aber in der Regel immer einen sandigen oder lehmigen Boden haben, weil sich hier über die Jahrhunderte Sedimente angesammelt haben und die eigentlichen Felsen tiefer liegen. Achtung: Für Untiefen gilt das natürlich nicht.
Der Anker wird für gewöhnlich mit einem kurzen Kettenvorläufer (maximal zehn Meter) und einer Leine verbunden. Statt des Kettenvorläufers funktionieren auch sogenannte Ankerleinen sehr gut. Der Tauwerk-Hersteller Liros hat beispielsweise so ein Produkt im Angebot. In die Leine wurde auf den ersten zehn Metern Blei eingearbeitet. Das gleicht einem Kettenvorläufer. Der Vorteil: Da der Heckanker meistens aus dem Cockpit, vom Achterdeck oder der Badeplattform aus ausgebracht wird, könnten diese Bereiche durch die Kette Macken bekommen. Bei einer Leine gibt es dieses nicht.
Unabhängig davon, ob eine Leine mit Kettenvorläufer oder eine Ankerleine zum Einsatz kommt, sollte diese Längenmarkierungen haben. Am besten alle fünf Meter. Das erlaubt es, später einzuschätzen, ob der Heckanker weit genug ausgebracht wurde. Die Länge der Leine selbst sollte mindestens 40 Meter betragen. Sonst wird das bei größeren Wassertiefen zu knapp.
Anlegen an einer Schäre – das Manöver
Zunächst wird das Manöver vorbereitet. Das bedeutet, dass je eine Vorleine an Backbord und an Steuerbord wurfbereit auf dem Bug zurechtgelegt wird. Die Leinen werden auf Ende belegt. Ebenfalls werden in einer Pütz Hammer und Schärennägel im Bugbereich bereitgestellt. Im Heckbereich wird der Heckanker wurfbereit klargemacht und sichergestellt, dass die Ankerleine hindernisfrei ausrauschen kann.
Nun beginnt das eigentliche Manöver. Die Schäre wird langsam frontal angefahren. Je nach Wassertiefe fällt der Heckanker drei bis vier Schiffslängen vor dem Ufer ins Wasser. Die Person auf dem Bug zeigt genau wie beim Probeanfahren wieder den Abstand zum Ufer an.
Wenn die Yacht die Schäre erreicht, werden die beiden Bugleinen weit an Land geworfen und die Person auf dem Bug klettert über denselbigen an Land. Bei uns geht das beispielsweis gut über den Querholm des Bugankers. Bei manchen Schiffen muss gegebenenfalls eine Bugleiter oder ein Trittfender eingesetzt werden. Die gängigen Fabrikate, die es im Fachhandel gibt, werden dazu in den Bugkorb oder Anker eingehakt.
Sicherheitshinweis: Bitte nur auf die Felsen springen, wenn sie absolut trocken sind. Wenn es regnet oder Gischt über die Schären fliegt, ist Vorsicht geboten. Die runden, sonst so lieblich aussehenden Steine sind dann spiegelglatt und wer ausrutscht, fällt hart. Stürze auf den Schären enden nicht selten mit bösen Prellungen oder Knochenbrüchen. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass man sich bei aufziehendem Regen nicht zu weit vom Boot entfernen sollte, da der Rückweg sonst unmöglich oder gar lebensgefährlich werden kann.
Wenn der Wind nicht zu stark ist, kann die Person an Land das Schiff mittels einer der beiden Bugleinen festhalten. Sehr gut geht das auf den angerauten Steinen auch, wenn die Leine zwischen Fels und Schuh durch Draufstellen beklemmt wird (unter Hacke hat man am meisten Druck). Ist ein Baum in der Nähe, kann die Leine da belegt werden. Es geht praktisch nur darum, das Schiff erst einmal zu sichern. Da der Wind von vorne kommt, reicht dafür eine der beiden Bugleinen. Ab nun haben wir im Prinzip alle Zeit der Welt.
Als nächstes belegt die Person am Heck lose den Heckanker und geht zum Bug. Sie schnappt sich die Pütz mit den Schärennägeln und dem Hammer und klettert damit an Land.
Für das Einschlagen der Schärennägel eignen sich Spalten in den Felsen. Das sind für gewöhnlich Längsrillen zwischen den Steinen. Der Schärennagel wird mit dem Hammer etwa ein Drittel in die Spalte geschlagen. Beim Einhämmern muss die Tonlage immer höher werden, sonst hält der Nagel nicht.
Die Schärennägel in I-Form sind für senkrecht verlaufende Spalten gedacht, die Schärennägel in L-Form für waagerecht verlaufende Spalten. Wenn man die Nägel in L-Form um 90 Grad dreht, können sie allerdings auch in senkrechten Spalten verwendet werden, wie das folgende Foto zeigt.
Tipp: Lösen kann man die Schärenanker durch abwechselndes seitliches Gegenschlagen. Festmacher sollten dazu logischerweise vorher gelöst werden.
Üblicherweise werden zwei schräg weglaufende Vorleinen ausgebracht. Damit ist der Bug gut fixiert. Die Leinen werden auf Slip belegt. Ist alles fertig, sollte das Durchsetzen des Heckankers nicht vergessen werden.
Das Belegen der Vorleinen auf Slip hat zwei Gründe: Erstens erlaubt das im Notfall ein schnelles Ablegen – beispielsweise bei einem unerwarteten Winddreher (Schärennägel opfern). Zweitens kann ich das Schiff so für die Nacht etwas von den Felsen wegfieren. Das ist ein übliches Manöver. Sind alle Personen an Bord, werden die Vorleinen ein wenig gefiert und der Heckanker entsprechend durchgeholt. Die erste Person, die am nächsten Morgen an Land möchte, fiert dann den Heckanker und nimmt die Bugleinen wieder dicht.
Alternative Liegemöglichkeiten an Schären
Hin und wieder erlaubt die Topografie kein Festmachen an den Felsen zum direkten Übersteigen. Dann muss ich ankern oder mit sehr langen Bugleinen arbeiten. Ein Beiboot ist dann unerlässlich, um die Leinen auszubringen – außer jemand möchte schwimmen 🙂
Manchmal haben wir auch schon eine Heckleine um einen Baum gebunden und den Buganker genutzt.
Und in ein paar wenigen Buchten haben wir Plätze gefunden, an denen wir längsseits festmachen konnten. Das war immer ein besonderes Highlight! Hier zwei Beispiele:
Fazit
In einem Naturhafen an einer Schäre festzumachen, ist für mich persönlich immer wieder ein besonderes Erlebnis und ich möchten jeden mit dieser bewusst ausführlich gehaltenen Anleitung dazu ermutigen, es einmal auszuprobieren.
Beim ersten Mal ist das furchtbar aufregend. Allerdings wird das Manöver auch sehr schnell zur Routine. Wenn diese Anleitung dabei hilft, freut mich das.
Die ausführliche Beschreibung ist sehr gut. Genauso klappt es. Eine stabile Bugleiter sollte nach meiner Meinung auf alle Fälle dabei sein. Findet sich auf jedem schwedischem Boot, genauso wie das obligatorische Badethermometer an einer Schnur.
Jens
Beim Festmachen an Ringen oder Bäumen sollte man aber nicht wie viele Schweden einen Palstek verwenden, weil der sich bei Druck z.B. durch starken Wind kaum mehr lösen lässt. An Bäumen auf Slipp gelgte Leinen können auch der Rinde schaden, sollte man deshalb auch möglichst vermeiden.
Hallo, ich darf bald mit einem Ruderboot mit E-Motor allein durch die Schären bummeln. Es gehört zu einem Ferienhaus, welches ich für die Tochter und mich gemietet habe. Da ich das Boot natürlich nicht beschädigen möchte, habe ich gesucht, wie ich an die Schären heranfahren kann. Da ich schon in den Schären ohne Boot war, weiß ich, dass an Land kommen manchmal schwierig sein kann. Deswegen fand ich deinen Artikel sehr hilfreich. Vielen Dank. Und.. tolle Fotos. 🙂