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Dirk Hilcken ist Koordinator Vertrieb und Underwriting bei Europas führendem Anbieter von Yachtversicherungen Pantaenius und hat in seinen rund 20 Jahren so einiges gesehen, was schwimmt und Eigner gern abgesichert wissen möchten. Hier immer die richtige Einschätzung zu finden, geht nur mit eigener Erfahrung auf möglichst vielen Kielen. Groß geworden auf dem elterlichen Segelboot, war es lange vor allem das Dickschiff-Regattasegeln im Team, das Dirk faszinierte. Nach einem Intermezzo, das unter großer Maschine in die USA und die Karibik führte, ist der Hamburger heute öfter mit dem Pantaenius-Sicherungs-RIB auf Klassiker-Regatten anzutreffen. Und für den Notfall wartet der von seinem Vater gebaute Holz-Opti stets segelklar im Keller.
Für einen Wassereinbruch auf einer Yacht gibt es viele Ursachen
Ein Wassereinbruch auf einer Yacht ist eine unschöne Angelegenheit. Die möglichen Folgen reichen von Wasserschäden am Innenausbau, technischen Anlagen und der Ausrüstung bis hin zum Totalverlust der Yacht. Mit jedem Leck unterhalb der Wasserlinie beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit oder, genauer gesagt, gegen das kontinuierlich eindringende Wasser …
Ein Wassereinbruch lässt sich nicht immer vermeiden. Schon eine gelöste Schlauchschelle oder ein Materialfehler in einem Borddurchlass können fatale Folgen haben. Aber auch ein unachtsamer Moment bei der Navigation kann zu einer Grundberührung mit Schäden führen.
Doch selbst wenn der Eigner achtsam ist, liegt vieles schlichtweg nicht in seiner Hand. Auf Nachtfahrten, insbesondere auf einer Langfahrt, kollidiert früher oder später jeder mal mit einem Gegenstand, der auf oder im Wasser treibt. Meist entstehen dabei keine ernstzunehmenden Schäden. Glücklicherweise ist die größte Angst der Blauwassersegler, die Gefahr, mit einem Container zu kollidieren, in der Realität verschwindend gering. Treibgut wie Baumstämme, Euro-Paletten, Kühlschränke oder allerlei scharfkantiger Unrat der Fischereiindustrie sind aber durchaus auf See anzutreffen. Auch Kollisionen mit schlafenden Walen kommen vor. Mit Glück hinterlässt so eine Kollision nur ein paar Kratzer am Unterwasserschiff, mit Pech einen Wassereinbruch.
Auch wenn sich die Gefahr eines Wassereinbruchs nur schwer vermeiden lässt, kann vorbeugend einiges getan werden, um das Risiko schwerwiegender Folgen einzugrenzen. Dazu gehört beispielsweise die regelmäßige Kontrolle kritischer Teile, wie etwa der Borddurchlässe. Neben einer Sicherheitsausrüstung zum Verschließen von Lecks und zum Lenzen muss auch die Einweisung der Crew bedacht werden. Wem helfen Leckpfropfen oder leistungsstarke Bilgepumpen, wenn die Crew nicht weiß, wie diese zu bedienen oder überhaupt zu finden sind?
Durch eine konsequente Wartung, gute Ausrüstung und eine entsprechend vorbereitete Crew lässt sich das Risiko eines folgenschweren Wassereinbruchs also auf ein Mindestmaß reduzieren. Soweit die Theorie – in der Praxis geht es in solch einer Situation allerdings nicht sehr ruhig und bedacht an Bord zu. Folglich macht es Sinn, zumindest gedanklich die Situation eines Wassereinbruchs auf der Yacht einmal durchzuspielen. Daher habe ich nachstehend ein paar Tipps zur Leckbekämpfung aufgeführt, die helfen können, einen Wassereinbruch unter Kontrolle zu bekommen und Schlimmeres zu vermeiden. Darüber hinaus habe ich einige Maßnahmen aufgeführt, damit es möglichst gar nicht erst zu einem Wassereinbruch kommt.
Den Wassereinbruch auf einer Yacht rechtzeitig bemerken – Ein Alarm hilft!
Tritt Wasser in das Schiff ein, ist es wichtig, dies so schnell wie möglich mitzubekommen. Hierbei hilft ein akustisches Warnsignal. Beispielsweise kann der Schwimmschalter der Bilgepumpe mit einem Warnsignalgeber (Buzzer) kombiniert werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil Bilgepumpen mitunter sehr leise sind und man nicht immer hört, wenn sie laufen – schon gar nicht, wenn der Schiffsdiesel läuft. Alternativ kann auch jede andere Form von Wasser-Alarm eingesetzt werden.
Tipp: So ein Alarm lässt sich einfach und preiswert umsetzen. Kombiniert werden einfach ein Wassermelder, ein Buzzer und ein Schwimmschalter.
Erste Schritte bei einem Wassereinbruch auf einer Yacht
Wird ein Leck an der Yacht beziehungsweise ein Wassereinbruch festgestellt, sollte als Erstes herausgefunden werden, ob es sich um Süß- oder Salzwasser handelt. Um herauszufinden, ob es sich beim Leckwasser um Süß- oder Salzwasser handelt, reicht es aus, einen Finger in das Wasser zu tunken und den Geschmack zu testen.
Befindet sich die Yacht im Salzwasser und der Geschmack ist nicht salzig, kommt das Wasser mit ziemlicher Sicherheit aus einem der Tanks im Schiffsinneren. Es stellt folglich keine große Gefahr dar — schließlich war es vorher auch an Bord und die Menge ist begrenzt. Schmeckt das Wasser hingegen salzig, ist das Problem ernst! Jetzt gilt es, schnell das Leck zu finden und den Wassereinbruch von außen umgehend zu stoppen, andernfalls kann das Schiff sinken.
Bereits durch ein kleines Loch dringt aufgrund des Drucks unterhalb der Wasserlinie verhältnismäßig viel Wasser ein. Ein Beispiel: Durch die Öffnung eines Seeventils, das sich nur einen halben Meter unter der Wasserlinie befindet und einen Durchmesser von einem Zoll (2,54 Zentimeter) hat, treten bereits anderthalb Liter Wasser pro Sekunde ein. Das sind ganze neunzig Liter pro Minute, also gut zehn Eimer voll Wasser. Eine gehörige Menge für so ein kleines Loch! Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, was bei größeren und tieferliegenden Löchern passiert.
Folglich geht es bei der Leckbekämpfung nicht darum, eine möglichst elegante Lösung zu finden, sondern schnell zu handeln, um den Wassereinbruch zumindest erst einmal zu minimieren. Und wenn nur ein Handtuch auf das Loch gelegt und ein Fuß daraufgestellt wird. So wird der Sturzbach zum Rinnsal und wertvolle Zeit gewonnen. Danach kann in Ruhe überlegt werden, wie das Leck richtig abgedichtet werden kann.
Die Leckabwehr bei einem Wassereinbruch in Praxis
In der Praxis hat es sich bewährt, in der Nähe jedes Rumpfdurchlasses einen Leckpfropfen in der passenden Größe zu platzieren. Bei einem Seeventil kann er zum Beispiel mit einem Tape am Schlauch befestigt werden. Im Notfall ist er griffbereit. Neben dem klassischen Holzstopfen gibt es im Handel auch flexible Leckpfropfen. Sie sind für Löcher mit ausgefransten und unsymmetrischen Rändern gedacht.
Wie schon erwähnt: Die Menge des Wassers, das in das Boot dringt, muss so schnell es geht minimiert werden. Ist der Grund nicht ein abgeschertes Ventil, kann es helfen, alle Ventile erstmal zu schließen. Vielleicht tritt das Wasser ja irgendwo später am Schlauch aus. Dann muss natürlich beobachtet werden, ob das Wasser trotzdem weiter steigt. Es ist auch hilfreich, wenn mindestens eine wasserfeste Taschenlampe an Bord einsatzbereit mitgeführt wird.
Mitunter hilft beim Auffinden eines Lecks leider nur Gewalt, es geht schließlich um Geschwindigkeit! Daher gehört auf jede Langfahrtyacht eine Brechstange — auch Kuhfuß genannt. Damit können schnell Einbauten entfernt werden, um an ein Leck zu gelangen. Zudem kann es sein, dass etwas zum Verkeilen benötigt wird. Da kann es schon mal sein, dass der Spinnakerbaum oder der Kartentischdeckel mit der Säge passend abgelängt werden muss. Der Gedanke an das splitternde Holz der Einbauten, den halben Spinnakerbaum oder Tischdeckel ist nicht schön, aber sicherlich besser als der an die sinkende Yacht.
Bei der Leckbekämpfung hilft Kreativität. So kann zum Beispiel bei einem größeren Leck — etwa durch eine Kollision — ein Segel unter den Rumpf gezogen werden, um das Loch zu verschließen. Ebenso können Kissen in große Müllsäcke gesteckt und von innen auf dem Loch verkeilt werden.
Neben den Möglichkeiten zur Leckabdichtung müssen auch geeignete Pumpen an Bord sein, um das eindringende Wasser aus dem Schiff zu bekommen. Hier gilt das Motto „viel hilft viel“ — umso höher die Fördermenge einer elektrischen Bilgepumpe, desto schneller wird das Wasser wieder hinausbefördert. Leistungsstarke Bilgepumpen können schnell große Mengen Wasser aus dem Schiff pumpen.
Achtung: Bei der Installation muss die maximale Förderhöhe beachtet werden, also der Weg, den das Wasser durch den Schlauch hinausbewegt werden muss. Andernfalls nützt die beste Pumpe nichts.
Eine Herausforderung bei elektrischen Pumpen ist, dass die Batteriebänke auf Yachten aus Gewichtsgründen meist tief im Schiff gelagert werden. Steigt das Wasser über die Batteriepole, kommt es zum Kurzschluss und die elektrischen Pumpen fallen aus. Dann werden Alternativen gebraucht. Deshalb sollte auch eine Handpumpe an Bord sein.
Achtung: Handpumpen müssen regelmäßig gewartet werden, da mit den Jahren die Gummimembran der Pumpe spröde wird. Nicht, dass die Pumpe im Ernstfall den Dienst versagt.
Leider pumpen manuelle Pumpen nicht immer die erforderliche Menge Wasser aus dem Schiff. Eine weitere Möglichkeit zum Lenzen bietet der Schiffsmotor. Viele Blauwasseryachten versehen den Ansaugschlauch des Kühlkreislaufs mit einem Ventil zum Umschalten und einem Schlauch in die Bilge. Im Notfall wird der Hebel umgelegt und der Motor gestartet. Das Kühlwasser wird dann nicht mehr von außen, sondern aus der Bilge gesaugt und über die Impellerpumpe und den Auspuff nach außen befördert. Es gibt auch extra dafür vorgesehene Impellerpumpen, die, mit dem Schiffsmotor kombiniert, eine beachtliche Menge Wasser aus dem Schiff befördern können. Zur Not kann auch der Ansaugschlauch für das Kühlwasser des Motors gekappt und in das einströmende Wasser geführt werden. Achtung: In diesem Fall muss natürlich das Seeventil am Einlass des Kühlkreislaufs geschlossen werden, sonst läuft das Wasser von dort ins Schiff.
Rein theoretisch kann dieses Vorgehen auch mit der Trinkwasserpumpe eines Druckwassersystems angewendet werden. Dazu wird der Schlauch vom Trinkwassertank abgezogen, der Tank gegen Entleerung gesichert (Leckpfropfen) und der Wasserhahn aufgedreht. So wird das Wasser durch Waschbecken oder Spüle ebenfalls aus dem Schiff geführt. Wie gesagt: Es muss schnell gehen!
Und dann wäre da noch der klassische Eimer — die Pütz. Mit ihr können ebenfalls größere Mengen Wasser aus dem Schiff befördert werden. Dabei reicht es auf den meisten Yachten, das Wasser durch den Niedergang ins Cockpit zu entleeren. Von dort sucht es sich seinen Weg durch die Selbstlenzer nach außen. Hier helfen auch Salatschüsseln, Töpfe und was sonst noch an großen Gefäßen an Bord ist. Jede verfügbare Hand, die nicht mit der Leckabdichtung oder gegebenenfalls mit dem Notruf beschäftigt ist, sollte Wasser aus dem Schiff befördern.
Präventionsmaßnahmen gegen einen Wassereinbruch auf einer Yacht
Viele Wassereinbrüche sind leider die Folge von Wartungsmangel. Ein alter Schlauch wird porös, ein Ventil gammelt weg oder die Stopfbuchse dichtet nicht mehr. Hier kann gut präventiv vorgegangen werden und mit relativ einfachen Schritten ein Unglück vermieden werden.
Alle wasserführenden Leitungen und deren Komponenten, vor allen die, die Seewasser befördern, sollten regelmäßig überprüft werden. Poröse Schläuche und korrodierte Schlauchschellen müssen umgehend getauscht werden.
Zum umsichtigen Handeln gehört auch, die Ventile regelmäßig zu bedienen, um sicher zu gehen, dass sie noch beweglich sind. Können sie nicht mehr gangbar gemacht werden oder sind sie korrodiert, müssen sie ausgetauscht werden. Die Investition in ein neues Seeventil ist verhältnismäßig klein, der Sicherheitsgewinn enorm.
Generell sollten die Seeventile beim Verlassen des Bootes geschlossen werden. Viele Boote laufen im Hafen durch einen defekten Schlauch oder eine lose Schelle voll. Ist keiner an Bord, wird der Schaden meist erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Oft vergessen: Nicht nur die Borddurchlässe gehen durch den Rumpf, auch der Sitz und die Dichtigkeit von Logge und Echolot sollten regelmäßig inspiziert werden.
Zu guter Letzt darf man den Maschinenraum nicht vergessen. Neben dem Kühlwassereinlass führt hier auch der Abgasschlauch nach außen. Zwar liegt dieser meist über Wasser, aber bei Lage oder starkem Seegang kann auch hier Wasser eindringen. Wer einen Z- oder Saildrive-Antrieb hat, muss die Dichtungsmanschette im Auge behalten. Auch sie kann spröde und brüchig werden und liegt teilweise oder komplett unter Wasser.
Achtung: Vorsicht im Winterlager. Frost kann zu Schäden an Schläuchen und Durchlässen führen, wenn das System nicht winterfest gemacht wurde.
Die Inspektion der Bilge sollte ein fester Bestandteil der Bordroutine sein. Die Bilge sollte möglichst sauber gehalten werden, da Kleinteile die Pumpen im Ernstfall verstopfen können. Auch sollte sie, wenn überhaupt, nur gut überlegt als Stauraum genutzt werden. Ein abgelöstes Etikett einer Konserve kann beispielsweise eine Pumpe unbrauchbar machen. Besser die Etiketten schon vor dem Stauen entfernen und die Dose mit einem Permanentmarker beschriften.
Tipp: Bei modernen Booten sind die Bilgen oft sehr flach. Das hat zur Folge, dass sich das Wasser im Schiff verteilt. Bilgepumpen sollten also mit langen Schläuchen ausgestattet sein, damit der Ansaugpunkt umplatziert werden kann.
Nicht immer kommt durch einen Schaden Wasser ins Schiff, auch eine Fehlinstallation kann der Grund sein. Gerne drückt beispielweise Wasser durch die Toilette oder verkehrtherum durch die Auslässe einer Bilgepumpe. Hier helfen Schwanenhälse. Notfalls die Schläuche in einem Bogen über die Wasserlinie führen. Fehlt der Platz dafür, verhindern Rückschlagventile, dass das Wasser in die falsche Richtung läuft.
Achtung: Rückschlagventile vermindern die Durchflussmenge, daher beim Einbau gegebenenfalls den Schlauchdurchmesser anpassen.
Die letzte Präventionsmaßnahme fällt in den Bereich Navigation. Bei elektronischen Seekarten wird häufig vergessen, einmal tiefer in das Fahrgebiet zu „zoomen“. Kleine Hindernisse werden dann nicht immer dargestellt. Im schlimmsten Fall werden diese dann übersehen und es kommt zur Grundberührung mit Folgen. Daher ist es ratsam, die Route und auch die nähere Umgebung vor der Abfahrt noch einmal in hoher Zoomstufe zu kontrollieren und Untiefen gut sichtbar in der elektronischen Karte zu markieren.
Fazit
Ein Wassereinbruch gehört zu den Horrorszenarien, die kein Yachtbesitzer erleben möchte. Selbst wenn die Yacht nicht sinkt, hat Salzwasser im Schiff meist unschöne Konsequenzen. Mit regelmäßiger Wartung lässt sich das Problem zumindest eingrenzen, leider aber nicht ausschließen. Im Ernstfall helfen jedoch zielgerichtetes, schnelles Eingreifen und ausreichende Pumpenleistung sowie Kreativität. Damit kann der Yachtverlust oftmals vermieden werden.
Danke für den informativen Beitrag! 🙂
Es gibt dazu auch eine sehr spannende YouTube-Reihe von Yachting Monthly mit einem „Crash Test Boat“. Dabei werden verschiedene Maßnahmen zur Leckabwehr ausprobiert und auf ihre Effektivität hin getestet:
https://youtu.be/bRhcXBtmPQs
Super Testvideo. Also ein Tau durch das Loch nach draußen, dann erst mal ein Kissen drauf. Dann von außen noch ein Kissen vor einem Brett und durchziehen.
Und alles bei Seegang……
Ich habe eine kleine benzinbetriebene Motorwasserpumpe an Bord. Größe und Gewicht etwa wie ein Bierkasten, Fördermenge 23.000 L/h = 380 L / Min.
Benzin ist in geringer Menge ohnehin für den kleinen Außenborder dabei.
Für den Fall, der hoffentlich nie eintritt, kann man mit dieser Pumpe lenzen und vielleicht auch löschen.
Uralt, aber immer noch hilfreich.
Ein sogen.: LECKSEGEL
Wurde frueher – und kann auch immer noch von aussen
ueber ein Leck gezogen werden und somit ein Abdichten
des Lecks innen erleichtern.