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Nils Schürg ist geschäftsführender Gesellschafter der Blue Sailing GmbH, er verkauft unter der Marke Blue Yachting hochwertige Segelyachten und Katamarane. Das Segeln erlernte er klassisch im Opti und auf der Segelyacht seiner Eltern. Früh sammelte er Erfahrung in der Branche und half in der Charterfirma seinen Vaters. Seit 20 Jahren ist er hauptberuflich mit dem Verkauf und Service von Yachten beschäftigt. Nils ist leidenschaftlicher Hochseesegler und segelt auf Yachten bis 72 Fuß mit denen er bisher die Ostsee, die Nordsee, das Mittelmeer und den Atlantik besegelte.
Für Blauwasseryachten gibt es kein Patentrezept
Gibt es die eine, die ideale Blauwasseryacht? Natürlich nicht, zu individuell sind die Ansprüche daran. Aber doch gibt es gewisse Kriterien, mit denen man sich an ein Ideal annähern kann. Auch wenn einzelne Schiffe, die alle als blauwassergeeignet gelten, unterschiedlicher kaum sein könnten. Nehmen wir auf der einen Seite eine RM1380, wie sie vom bekannten Bremer Segelverein SKWB als Vereinsyacht zum Hochseesegeln angeschafft wurde. Schnell, modern, in mancherlei Hinsicht schon fast wie eine Fahrtenversion einer Open 60 Rennyacht, und doch mit französischem Flair und viel Komfort. Auf der anderen Seite könnte man auch eine moderne Aluminiumyacht für die anspruchsvolle Weltumsegelung empfehlen, zum Beispiel eine Allures oder eine Garcia Exploration.
Welche Fragen sollten sich Käufer von Blauwasseryachten stellen?
Wie also findet man sich als Käufer im Markt zurecht? Wie gesagt, wir nähern uns an. Zunächst wäre da Grundsätzliches zu klären. Was genau ist mit dem Boot geplant? Eine Langfahrt bis in die hohen Breitengrade oder eine Weltumsegelung auf der tropischen Barfußroute? Wie viele Personen werden dauerhaft an Bord sein, sollen unterwegs auch Gäste dazu kommen?
Das sind die grundlegenden Fragen, die jede Crew möglichst gut beantworten sollte Es ist kaum zu glauben, wie schwierig das Beantworten selbst solcher Fragen für viele schon ist. Dabei werden ja bereits hier die wichtigsten Weichen gestellt. Wenn ich hauptsächlich in den Passatwinden der Tropen unterwegs bin, ist ein moderner Katamaran sicher eine gute Wahl. Denn hier verbringt man die meiste Zeit am Anker, Katamarane liegen dann ruhig und stabil, ohne zu rollen, und sie bieten einfach enorm viel Platz an und unter Deck. Gesegelt wird meist auf raumen Kursen, was der bevorzugte Kurs aller Katamarane ist. Sollte es mich hingegen in die hohen nördlichen oder südlichen Breiten ziehen, sieht es schon völlig anders aus. Dann brauche ich eher eine robuste Exploreryacht, die gut kreuzt und auch schweres Wetter zuverlässig überstehen kann. Monohulls können mehr Zuladung vertragen als Kats, was hier auch in Bezug auf Tankinhalte – auch zum Heizen – wichtig ist.
Bevor wir tiefer in Detailfragen eingehen, noch etwas Grundsätzliches. Traditionell galten vor allem schwere Langkieler als ideale, zuverlässige Langfahrtyachten. Doch seit einiger Zeit setzt sich eine andere Betrachtungsweise mehr und mehr durch. Statt auf Gewicht und Masse kommt es danach in puncto Sicherheit eher auf ein gut und leicht segelndes Schiff an. Denn das segelt meist auch dann noch ganz gut, wenn die Crew nach überstandenem Schwerwetter vielleicht erschöpft ist und nicht gleich wieder ausrefft, wenn der Wind nachlässt. So gesehen ist es deutlich anstrengender, ein schweres Schiff mit entsprechend schwerem Geschirr und womöglich größeren Segelflächen zu segeln. Wird das bei abflauendem Wind nicht gleich ausgerefft, rollt es vermutlich erstmal fürchterlich in der alten Dünung. Und das, ohne dabei merkbar vom Fleck zu kommen.
Das soll im Umkehrschluss nicht heißen, dass wir mit einer reinen Rennyacht auf Langfahrt gehen sollten. Aber ein gemäßigt moderner Riss für eine nicht übermäßig schwere Yacht ist in dieser Hinsicht ganz sicher ein Vorteil.
Ein Grundkriterium ist das Baumaterial der Blauwasseryacht
Immer wieder leidenschaftlich diskutiert wird die Frage nach dem Baumaterial. Beginnen wir mit dem Gängigsten, der modernen GFK-Yacht. Dieses Material hat sich ja nicht ohne Grund weitgehend durchgesetzt, es ist einigermaßen preiswert sowie unkompliziert, sowohl beim Bau als auch im späteren Alltag der Crew. Auch GFK-Rümpfe können gut isoliert werden und sind dann sowohl tropen- als auch wintertauglich. Allerdings ist die gängige Serienyacht eher nicht besonders gut oder gar nicht isoliert, das müsste man dann in Eigenarbeit nachholen. Und bei einer Strandung auf einem Riff sieht es auch nicht so gut aus, das wird der durchschnittliche GFK-Rumpf eher nicht ohne Totalschaden überstehen.
Gerade bei älteren Fahrtenyachten ist Stahl eine beliebte Alternative als Rumpfmaterial. Ebenfalls unkompliziert zu bauen und zu reparieren, langlebig (sofern regelmäßig entrostet und gemalt wird) und preiswert, vor allem aber eben sehr robust: Bei der Strandung einer schweren Stahlyacht wird eventuell sogar das Riff den Kürzeren ziehen! 🙂 Die Nachteile sind ebenfalls weithin bekannt: Gewicht (Stahlboote sind erst ab einer gewissen Größe nicht zu schwer, diese Grenze liegt um und bei zehn Metern) und die Pflegeintensität. Vorsicht: Fast alle Stahlschiffe rosten von innen nach außen! Weshalb sie auch besonders gut isoliert sein müssen, um übermäßiger Kondensationsbildung unter Deck vorzubeugen, die ansonsten zur Rostbildung führen wird.
Wer es sich leisten kann und will, ist da mit einer qualitativ hochwertigen, professionell gebauten Aluyacht schon viel besser beraten. Allerdings, Aluminium ist nicht gleich Aluminium, da gibt es teils erhebliche Qualitätsunterschiede. Und die Werft sollte sich mit dem Bau von Aluschiffen gut auskennen. Dann aber ist Aluminium ein wunderbares, weil vor allem im alltäglichen Betrieb ganz langlebiges, stabiles und vor allem auch unkompliziertes Material.
Vergessen sollten wir nicht das traditionelle Bootsbaumaterial: Holz. Vor allem dann nicht, wenn es bei modernen, oft auch Einzelbauten in Kombination mit Epoxidharzen verarbeitet wird. An dieser Stelle können wir nicht zu tief auf dieses spannende Thema eingehen, aber eine moderne Holz-Epoxidyacht (die französische Werft RM baut diese sogar in Serie!) hat einige Vorteile. Diese Schiffe sind ebenso wasserdicht und pflegeleicht wie GFK-Yachten, haben aber unter Deck das wunderschöne, wohnliche Holz-Ambiente mit den dazugehörigen guten Klimaeigenschaften: kühl im Sommer, warm im Winter … Und sie sind nicht nur leicht, sondern auch sehr fest und stabil. Das gilt natürlich nicht für traditionell aus Vollholz gebaute, auf schweren Spanten beplankte Schiffe. Die sind, sofern das Holz gesund ist, ebenfalls sehr robust und stabil, aber dabei alles andere als leicht.
Die Konstruktion der Langfahrtyacht
Letztendlich taugen alle diese Bauweisen und Materialien für die Langfahrt, mehr kommt es schon auf Details in der Konstruktion und Bauausführung an. Fast alle gängigen Serienyachten haben beispielsweise freistehende (oder hängende) Spatenruder und sehr viele auch einen Saildrive-Antrieb statt der herkömmlichen Propellerwelle. Dies sind zwei Punkte, an denen sich die Meinungen sehr erhitzt trennen können! Vom Gefühl her ist ein Ruder an einem möglichst soliden Skeg natürlich besser geschützt und weniger anfällig für Beschädigungen durch Treibgut sowie sicherer am Schiff befestigt als nur mittels des Ruderschafts. Allerdings kommt es auch hier auf Details an: Wie solide ist der Ruderschaft und, vor allem, wie sicher ist dieser im Schiff gelagert und wie hoch etwa reicht der Ruderkoker?
Ähnlich ist es beim Saildrive, denn der ist unkompliziert und wird nicht immer mal wieder lecken, wie so viele Propellerwellen beziehungsweise Stopfbuchsen. Wenn allerdings die Membran des Saildrive versagt, hat man gleich ein sehr großes Loch im Rumpf, weit unter der Wasserlinie. Diese sollte also prophylaktisch alle paar Jahre erneuert werden, was kein billiger Eingriff ist, der auch nicht auf jeder entlegenen Südseeinsel ausgeführt werden kann.
Die Größe der Langfahrtyacht
Dann die „große“ Frage, nämlich nach der Schiffsgröße. Je größer, desto komfortabler ist nur bedingt zutreffend. Und Seetüchtigkeit ist auch nicht nur eine Frage der Bootslänge. Man kann auch mit einem Folkeboot von England nach Australien segeln, eine Großmutter, die ihre Enkel in „Down Under“ besuchen wollte, hat es einst vorgemacht. Und ich wage die Behauptung, dass die resolute Dame es mit einem 60-Fuß Schiff eher nicht geschafft hätte.
Der populistische Spruch „Großes Schiff, große Probleme – kleines Schiff, kleine Probleme“ (gilt auch für Kinder!) hat im Hinblick auf die Komplexität und Anfälligkeit der Systeme an Bord durchaus seine Berechtigung. Und selbst wenn alle Technik perfekt funktioniert, sind die Kräfte in den Segeln einer 60-Fuß-plus-Yacht immer noch deutlich höher und potenziell gefährlicher als auf einem bescheidenen 30-Füßer. Ganz zu schweigen von den An- und Ablegemanövern im Hafen.
Andererseits setzt ein etwas anspruchsvollerer Lebenskomfort an Bord schon eine gewisse Schiffsgröße voraus. Das gilt auch für die auf Langfahrt wichtige Zuladung, die ein Schiff verträgt, ohne allzu große Beeinträchtigungen bei den Segeleigenschaften hinnehmen zu müssen. Wobei, strenggenommen, die maximale Zuladung eher im Verhältnis zur Leerverdrängung des Bootes steht als zur reinen Länge. Unter dem Strich hat sich unter Langfahrtsegelnden eine Schiffsgröße um die 40 Fuß, mit Abweichungen vor allem nach oben, etabliert. Die meisten Crews auf Langfahrt sind als Paar oder Familie mit kleinen Kindern unterwegs. Als Schiffsgröße würde ich hier etwa 40 bis 55 Fuß empfehlen.
Der Tiefgang der Blauwasseryacht
Eng verbunden mit der Schiffsgröße ist die Frage des Tiefgangs. Grob verkürzt könnte man sagen, je mehr Tiefgang eine Segelyacht hat, desto besser wird sie segeln. Das hat einfache physikalische Gründe, die daher kaum diskutierbar sind. Und wer hat nicht gerne eine Yacht, die gut segelt? Der dazugehörige Tiefgang ist dann aber in der nächsten Ankerbucht, im Hafen oder einer Flussmündung wieder hinderlich. Wenig Tiefgang bedeutet Freiheit und Sicherheit. Weil man damit auch flachere Gewässer anlaufen kann und dort im Zweifel auch geschützter ankert oder festmacht. Katamarane sind in dieser Hinsicht im Vorteil, dafür ist deren Breite in einigen Häfen, Schleusen oder Kanälen dann schon eher ein Problem.
Allerdings gibt es auch für Monohulls seetüchtige Lösungen, die ein Befahren von Flachwasser ermöglichen, nämlich in Form variablen Tiefgangs. Meist als Hub- oder Schwenkkieler, und auch hier kommt es auf die Details der Konstruktion und Ausführung an. Nämlich, ob die Kielvorrichtung solide und zuverlässig ist oder das Potenzial zum Dauerproblem besitzt. Schwenkkieler mit schwerer, robuster Bodenplatte können sogar trockenfallen. Die besonders stark dimensionierte Bodenplatte schützt nicht nur das Schiff, sondern dient oft auch als Ballast. Wirklich sicher ist ein Schwenkkieler dann, wenn der notwendige Ballast im Schiff selbst und nicht im Kiel untergebracht ist. Dann spielt es für die Sicherheit keine Rolle, ob oder wie weit der Kiel abgesenkt ist – der dient dann „nur“ als Lateralfläche, um auch am Wind gute Segeleigenschaften zu ermöglichen.
Fazit
Was also macht Langfahrtschiffe wirklich aus? Dies könnte der kleinste gemeinsame Nenner sein: Ausgereift, solide, robust sollte das Schiff der Wahl schon sein. Gut segeln sollte auch jede Fahrtenyacht, viel Komfort an Bord zu genießen ist natürlich schön. Wie das alles dann jedoch im Detail gelöst wird, mit welchen Ideen und nicht zuletzt welcher Philosophie, ist dann die viel komplexere Frage, die nur individuell beantwortet werden kann. Am Ende kommt es auch immer auf die eigenen Überzeugungen und persönlichen Präferenzen an sowie auf das verfügbare Budget für den Schiffskauf.