Erfahrungsbericht: Manöver- und Segeltraining auf einem Katamaran

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Jonathan besegelte zusammen mit seiner Frau Claudia von 2013 bis 2019 die Welt. Sie ließen 25.000 Seemeilen im Kielwasser und befuhren ganze drei Jahre lang ihr Traumrevier: den Pazifik. Neben der klassischen Barfußroute besuchten sie vor allem auch abgelegenere Ziele wie die Osterinsel, die Tuamotus, Kiribati, Tuvalu und die Marshallinseln. 2023 veröffentlichten sie das Buch über ihre Reise „Sieben Farben Blau“. Jonathan arbeitet als Journalist rund um das Thema Segeln und Reisen und ist Referent und Organisator verschiedener Seminare und Vorträge. Seit 2020 ist Jonathan Mitglied der BLAUWASSER.DE-Redaktion.

Viele Skipper haben Respekt vor der Größe eines Katamarans

Tiefblauer Himmel und strahlender Sonnenschein, dazu 23 Grad Lufttemperatur und konstante 23 Knoten Wind. Schaumkronen überziehen die Ostsee vor der Kaimauer der Marina Hohe Düne. Ein Wetter, bei dem viele Skipper und Crews lieber einen Hafentag einlegen oder zumindest froh sind, wenn sie unbeschadet in eine Marina eingelaufen sind und festgemacht haben.

Und ich? Ich bin nach Warnemünde gereist, um zusammen mit meinem Kollegen Sönke Roever genau das Gegenteil zu tun. Wir wollen raus aus dem geschützten Hafen, Manöver üben, mehrfach an Stegen an- und ablegen und das auf einem Schiffstyp, für den ich als Skipper noch nie verantwortlich war! Ich habe zwar schon viele Tausend Seemeilen im Kielwasser, aber das Manövrieren eines Katamarans ist mir nahezu unbekannt.

Es geht raus auf die Ostsee. Das Training beginnt. ©Sönke Roever

Am Steg erwarten uns die Mitarbeiter der Firma Charter and Sail, die neben Daycharter und Firmenevents auch ein- oder mehrtägige Katamaran-Trainings auf der Ostsee anbietet. Unter Anleitung eines professionellen Skippers wollen wir an Bord einer Lagoon 400 den Umgang mit einem Katamaran trainieren. Praktischerweise ist die Lagoon ein Katamaran, wie er an vielen Charterstützpunkten der Welt angeboten wird.

Ehrfürchtig blicke ich auf das klobig und schwerfällig wirkende Ungetüm von knapp vierzehn Metern Länge und acht Metern Breite. Es liegt in einer Box, die so eng ist, dass ich bei diesem Wetter schon beim Einparken mit meinem eigenen Monohull Kopfschmerzen bekommen würde.

Skipper Alex scheint meine Bedenken nicht zu teilen, fröhlich und motiviert winkt er uns zu sich an Bord. In dem für Katamarane typischen großzügigen Salon warten noch zwei weitere Kursteilnehmer auf uns. Damit sind wir zu viert und somit eine Person weniger als die maximale Teilnehmerzahl für Trainingstörns des Unternehmens. Ideale Voraussetzungen also, dass während des etwa siebenstündigen Katamaran-Skippertrainings jeder genügend Zeit hat, die verschiedenen Manöver selbstständig zu üben.

Freundliche Begrüßung von Skipper Alex im geräumigen Salon der Lagoon 450S. ©Sönke Roever

Das Programm liest sich vielversprechend. Während des Trainings sollen nicht nur die richtige Vorgehensweise beim Setzen, Reffen und Bergen der Segel sowie die technischen Besonderheiten im Umgang mit einem Katamaran geübt werden, sondern auch verschiedene Hafenmanöver praktisch trainiert werden. Bei über zwanzig Knoten Wind wird das sicher kein leichtes Unterfangen, denke ich mir. Skipper Alex hingegen freut sich sichtlich darüber. „Bei wenig Wind kann das doch jeder, jetzt habt ihr die Gelegenheit mal richtig zu üben“, verkündet er mit einem lässigen Schmunzeln.

Vor dem Ablegen erfolgt eine ausführliche Einweisung durch den Trainer an Bord der Lagoon 450S. ©Sönke Roever

Für das Manövrieren mit Katamaranen sind einige Unterschiede von entscheidender Bedeutung

Das Training beginnt mit einer Sicherheitseinweisung, auf die ich nicht näher eingehen möchte, da sie sich praktisch nicht von den Sicherheitsvorkehrungen auf einer Einrumpfyacht unterscheidet. Spannender wird es bei der anschließenden 30-minütigen Theorieeinheit.

Gekonnt hantiert Alex mit Pappmodellen und Zeichnungen. Der erste wichtige Unterschied ist die stärkere Drift nach Lee bei Seitenwind. Ein Katamaran bietet dem Wind nicht nur durch seine höheren Aufbauten deutlich mehr Wind-Angriffsfläche, gleichzeitig ist der Wasserwiderstand durch die kleinere Kielfläche geringer. Wie bei Einrumpfyachten driftet der Bug bei Seitenwind nach Lee, Katamarane müssen daher mit dem Heck im Wind stabilisiert werden.

In der Theorie sitzen die Manöver schon einmal. ©Sönke Roever

Der zweite Hauptunterschied betrifft das Manövrieren unter Motor. Der Radeffekt, der bei Einrumpfyachten für das Manövrieren im Hafen entscheidend ist, hat bei Katamaranen kaum Auswirkungen. Dafür haben Katamarane zwei Motoren, mit denen gezielt gesteuert werden kann. Ähnlich wie bei Raupenfahrzeugen dreht sich die Yacht auf der Stelle, wenn mit einem Motor vorwärts und mit dem anderen rückwärts Gas gegeben wird. Bei Katamaranen geht das sogar so weit, dass bei Geschwindigkeiten unter drei Knoten im Hafen ausschließlich mit den Maschinen und nicht mit dem Ruder gesteuert wird. Es ist sogar ratsam, das Ruder dabei festzubinden, da durch die nicht vor, sondern hinter den Ruderblättern liegenden Motoren beim Rückwärtsfahren ein immenser Druck auf das Ruder wirkt, der kaum noch mit der Hand zu halten ist.

Der Lateralplan von Katamaranen unterscheidet sich stark von dem von Einrumpfyachten. ©Sönke Roever

Abschließend gibt uns Alex noch einen seiner sogenannten Top-Tipps mit auf den Weg, „Kleine Fahrt kleine Dellen, große Fahrt große Dellen“ ist einer dieser besonders wichtigen Merksätze, die wir unbedingt im Hinterkopf behalten sollen.

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Bei einem Katamaran-Training werden gezielt die Unterschiede zu Einrumpfyachten trainiert

Nach einer kurzen Einführung in die Schiffstechnik geht es raus auf die Ostsee. „Technik und Theorie sind das eine, aber zu achtzig Prozent ist das Gefühl für den Katamaran entscheidend“, bemerkt Alex treffend. Für mich fühlen sich die Bewegungen des Bootes zunächst sehr ungewohnt an. Ein Katamaran rollt und schaukelt durch seine zwei Rümpfe kaum. Das ist jedoch kein Nachteil, im Gegenteil, es macht die Fahrt selbst bei den aktuell vorherrschenden Ostseewellen sehr angenehm.

Besprechung der Ablegemanövers mit Skipper Alex im Hafen Hohe Düne. ©Sönke Roever

Eine Seemeile vor der Küste stoppt Alex die Maschinen und wirft eine Boje mit Anker ins Wasser. An ihr wollen wir üben. Während unser Trainer das Steuerrad fest verzurrt, bestaunen wir die erstaunliche Abdrift nach Lee. „Das kann ja heiter werden später im Hafen“, denke ich mir.

Bevor es zur eigentlichen „Königsdisziplin“, den Hafenmanövern, kommt, üben wir zunächst auf offener See das punktgenaue Anfahren einer Boje. Das Besondere an dieser Übung: Das Ruder ist festgebunden und wir dürfen nur mit den beiden Gashebeln der Motoren steuern. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Manövrieren zu üben. Das Festbinden des Ruders ist nur einer von vielen Tricks, die Alex im Repertoire hat.

Langsam entwickeln wir ein Gefühl dafür, wie die Yacht auf die Motoren reagiert. Ich bin erstaunt darüber, wie gut sich ein Katamaran mit den Maschinen steuern lässt, nur durch Gasgeben und Aufstoppen kann damit selbst bei diesem starken Wind sehr präzise manövriert werden. Erste Lernerfolge stellen sich beim anschließenden Manöver „Boje über Bord“ ein.

Das Ruder sollte gut festgebunden werden, die Bremse hält den stark wirkenden Kräften unter Motor nicht stand. ©Sönke Roever

Nächste Lektion „Segelsetzen“. Dabei fällt mir als erstes auf, dass bei einem Katamaran Mast und Baum relativ hoch auf den Aufbauten stehen. Bei Arbeiten am Mast ist hier besonders der Merksatz „Immer eine Hand am Boot“ zu beachten. Ein Absturz könnte unangenehme Folgen haben, ansonsten unterscheidet sich die Technik beim Setzen, Bergen und Reffen der Segel kaum von der einer Einrumpfyacht. Auch die anschließenden Manöver Halse und Wende laufen im gewohnten Rhythmus ab.

Die einzige Besonderheit für mich ist, dass ein Bullenstander zum Fixieren des Baumes nicht am Bug, sondern am Heck befestigt wird. Der Bullenstander wird bei einem Katamaran nicht nur zum Schutz gegen ein unkontrolliertes Überkommen des Baumes, sondern darüber hinaus gezielt bei einer Halse eingesetzt. Dabei lässt man das Groß erst Back stehen und lässt den Baum dann durch kontrolliertes Fieren des Bullenstanders langsam überkommen.

Die vergleichsweise weit auseinanderliegenden Heckklampen ermöglichen das einfache Setzen eines Bullenstanders. ©Sönke Roever

Generell fällt es mir schwer, ein Gefühl für das Boot unter Segeln zu bekommen. Ein Katamaran krängt nicht und gleichzeitig ist die Rückmeldung über die Segelstellung kaum spürbar. Erstaunt schaue ich auf die Logge und stelle fest, dass wir sechs Knoten fahren. Auf meiner eigenen Yacht läge ich bei diesem Kurs und dieser Segelstellung längst auf der Backe und sähe das Wasser über die Süllkante schwappen. Skipper Alex bestätigt meine Wahrnehmung: „Das ist einer der Nachteile beim Katamaransegeln. Bei der Einschätzung von Segelstellung und Segelfläche hilft nicht die Yacht, sondern leider nur die Erfahrung.“

Das Segeln eines Katamarans ist technisch ähnlich, fühlt sich jedoch anders an als auf einem Einrumpfboot. ©Sönke Roever

Bei Hafenmanövern mit Katamaranen ist die richtige Technik entscheidend

Wir nehmen Kurs auf Warnemünde, etwas flussaufwärts an der Warnow hat Charter and Sail die Möglichkeit, an einem Steg ohne Nachbarlieger An- und Ablegemanöver zu üben. Das verzerrt meiner Meinung nach zwar etwas die Wahrnehmung, vermeidet aber Schäden an anderen Yachten. Wir wollen rückwärts Anlegen üben und Skipper Alex macht es uns nicht leicht. Er wählt eine Stelle, an der der Wind, der sogar noch etwas aufgefrischt hat, von der Seite auf den Katamaran drückt, und bindet das Ruder wieder fest.

Beim Anlegen im Hafen wird nur mit den Motoren gesteuert. ©Sönke Roever

Der Trick besteht darin, mit dem Heck möglichst weit im Wind in einem schrägen Winkel langsam an den Steg heranzufahren und dann kurz vor dem Steg den Katamaran mit beiden Maschinen so zu drehen, dass beide Hecks möglichst nahe und parallel am Steg zum Stehen kommen. In dieser Stellung sollte das Schiff mit den Maschinen einige Sekunden gehalten werden, damit die Leinen festgemacht werden können. Wir brauchen mehrere Anläufe, doch nach und nach stellen sich Lernerfolge ein.

Mit der richtigen Technik ist das Anlegen mit einem Katamaran selbst bei starkem Seitenwind gut machbar. ©Sönke Roever

Abschließend üben wir noch das seitliche An- und Ablegen mit dem Katamaran. Auch hier wird der fehlende Radeffekt durch die beiden Maschinen kompensiert, ansonsten unterscheiden sich die Manöver im Gegensatz zum Anlegen mit dem Heck kaum von denen mit einer Einrumpfyacht. Wie bei Einrumpfyachten kann mit einem Katamaran bei auflandigem Wind zum Ablegen gut in eine Achter- oder Vorspring eingedampft werden.

Beim Anlegen gilt „Kleine Fahrt kleine Delle“. ©Sönke Roever

Fazit

Für mich war das Katamaran Skippertraining von Charter und Sail ein voller Erfolg. Trotz des starken Windes hatte ich am Ende des Tages das Gefühl, die wichtigsten Manöver beim Katamaransegeln zu beherrschen. Mehr noch: Ich habe richtig Lust bekommen, das Gelernte auf einem längeren Törn mit einem Katamaran zu vertiefen.

Vor allem die Hafenmanöver hatten mich vorher etwas abgeschreckt, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass sie mit der richtigen Technik nicht nur gut beherrschbar sind, sondern auch richtig Spaß machen! Zumindest vergingen die sieben Trainingsstunden wie im Flug!

Skipper Alex kennt viele Tricks und Kniffe, hier zum richtigen Wurf der Leinen. ©Sönke Roever

Erwähnenswert ist auch, dass wir nur einen Tag an Bord waren. Charter and Sail bietet jedoch drei Varianten an: Ein eintägiges Training zum Auffrischen vorhandener Kenntnisse und ein zwei- oder sogar fünftägiges Training für Einsteiger. Vor allem bei den mehrtägigen Kursen bekommt man einen viel tieferen Einblick.

Wie bei anderen Dingen auch, werden die Manöver mit jeder Wiederholung sicherer. Aber auch für erfahrene Segler ist das Training eine Bereicherung. Selbst mein katamaranerfahrener Kollege Sönke meinte: „Ich dachte immer, dass ich mich mit Katamaranen gut auskenne, und habe festgestellt, dass ich noch einiges dazulernen kann.“

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Charter & Sail

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