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Die Blauwasser-Redaktion recherchiert, produziert und veröffentlicht praxisnahe Themen rund um das Reisen auf dem Wasser. Das Team besteht aus erfahrenen Seglern und Experten.
Ein Buchtipp für angehende Blauwassersegler
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Sie erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume. Wer in diese gelebten Träume näher hineintauchen möchte, dem sei das Buch Freiheit auf Zeit von Kristina Müller empfohlen, das im Delius Klasing Verlag erschienen ist.
Kristina Müller zeichnet unterhaltsam und kurzweilig die Reisen von zwölf deutschen Weltumseglern nach – basierend auf Interviews mit Paaren, Soloseglern und einer Familie. Zwölf Träume, zwölf Entscheidungen des Loslassens, zwölfmal vollkommene Freiheit. Aber auch: Stürme, Kenterungen, Schlafmangel, leere Kassen und Bürokratie.
Freiheit unter Segeln. Barbara Finkbeiner an Bord der IVALU. Foto: M. Finkbeiner
All diese Weltumsegelungen haben Menschen unternommen, wie wir alle es sein könnten: keine Profisegler, keine Rekordjäger, keine Superreichen. Keine bärtigen „Salzbuckel“, keine Adrenalinjunkies. Sie alle teilen die Leidenschaft des Langfahrtsegelns, ohne dass sie zwangsläufig am Meer aufgewachsen, geschweige denn von klein auf Segler sind. Und sie alle haben vorgemacht, dass verdammt viel möglich ist, wenn man nur will.
Ähnlich, oft gar identisch waren ihre Gründe loszusegeln. Eines der „letzten großen Abenteuer“ wollte Lars Winkelmann erleben. Die Welt zu sehen oder einfach mal weg zu sein sind weitere Motive, die regelmäßig auftauchen. Und dennoch hätten die beschriebenen Reisen und die Voraussetzungen dafür verschiedener kaum sein können – der beste Grund, sie auszuwählen.
23 Jahre und 93.000 Seemeilen an Bord der Motiva 42 JOSI: Ingrid und Jürgen Mohns. Foto: S. Bartnik
Von A bis Z durchgeplant und schnell wieder vorbei (zumindest aus Weltumsegler-Perspektive) war die Tour von Birgit und Uwe Strüwing. Sie schlossen sich einer Rallye um den Globus an. Gefühlt endlos ließen sich dagegen Ingrid und Jürgen Mohns über die Weltmeere treiben. An ihre große Runde hängten sie gleich eine zweite dran. Erst nach über zwei Jahrzehnten liefen sie wieder im Heimathafen ein.
Robinson lässt grüßen: Martin Finkbeiner bricht als 25-Jähriger zur Weltumsegelung auf. Foto: M. Finkbeiner
Martin Finkbeiner zog als Mittzwanziger los, hungrig nach Abenteuer. Auf die Rente warten? Nein, danke. Auch andere wollten das nicht: Familie Winkelmann zum Beispiel, die sich von der Schulpflicht in Deutschland nicht abschrecken ließ, und mit kleinen Kindern aufbrach. Oder Tatjana Hartmann und Thomas Witt: Sie kündigte, sein Chef genehmigte Urlaub, und sie waren fortan nicht mehr gesehen… So hätte die Geschichte zumindest weitergehen können, wäre es nach den beiden Seglern gegangen. Glücklicherweise wurden sie wieder gesehen. Doch die Abgeschiedenheit mancher Ankerplätze, das Fehlen von Zwängen und das langsame Leben an Bord hinterließen nachdrücklich den Gedanken an den ganz großen Ausstieg.
Behandlung im Cockpit der Lagoon 500 MARIPOSA. Foto: M. Leppert/B. Reimann
Michael Leppert ist diesen Schritt längst gegangen. Seine Weltumsegelung mit ärztlicher Mission ist (noch) nicht vollendet, wird es vielleicht niemals sein. Der Pazifik hält ihn fest, seit bald einem Jahrzehnt. Zum Geschäftsmodell hingegen hat Wolfgang Weber das Weltumsegeln ausgebaut: Als segelnder Gastgeber reiste er um den Globus. Nicht einmal, gleich zweimal. Mit großem Erfolg.
Am Ende seiner zwei Weltumsegelungen hisst Wolfgang Weber 76 Gastlandflaggen. Foto: W. Weber
Nicht allen Reisenden war Fortuna so wohlgesonnen. Eine der Weltumsegelungen endete dramatisch, eine andere löste Zweifel aus. Dies sind die Ausnahmen, der Großteil der Rückkehrer wäre am liebsten gleich wieder losgesegelt. Oder gar nicht erst zurückgekehrt. Gerade die jüngeren Crews wären wohl heute noch unterwegs, hätten leere Bordkassen sie nicht irgendwann in die Heimat geschickt.
Augenweide vor Traumkulisse: Die Vindö 65 SYMI von Dieter und Renate Heller. Foto: D./R. Heller
Heimliche Hauptdarsteller der Geschichten sind die Segelyachten. Sie wurden zum Zuhause und zu Reisegefährten der Segler. Manche sind klein, alt und aus rostendem Stahl. Andere, wie die SCHÜSSEL von Herbert und Christine Graßhoff, brandneu und nach den Wünschen der Eigner in modernster Machart gebaut. Heinz Solka schweißte die Platten seines ersten Schiffes eigenhändig zusammen, das zweite konstruierte er selbst und spendierte ihm sogar eine Fahrt auf dem Frachtschiff. Dieter und Renate Heller brachen mit einem schmucken Klassiker zur Weltreise auf, einem Schiff mit hohem, pflegeintensivem Holzanteil.
Die JOSI, eine Motiva 42, fast unter Vollzeug. Foto: S. Bartnik
Schließlich unterscheiden sich die Weltumsegelungen dieses Buches durch die gesegelten Routen, den „Fahrplan“. Viele führen entlang der Barfußroute, geschoben vom Passatwind. Doch nicht wenige Segler entfernten sich von dem Strom, reisten abseits der Segelhighways: zu den abgelegenen Inseln des Nordpazifik, auf Flüssen und Kanälen in Europa und Amerika, in den hohen Norden und tiefen Süden dieses Planeten. Zum Mythos Kap Hoorn und weiter.
Die GALATEIA von Wolfgang Weber vor Anker. Foto: W. Weber
„Freiheit auf Zeit“ ist kein klassischer Ratgeber für angehende Blauwassersegler. Doch die 256 Seiten enthalten immerhin den Erfahrungsschatz aus insgesamt rund einer halben Million Seemeilen und hundert Jahren auf See. So geben die Weltumsegler ihre besten Tipps, Tricks und Anekdoten preis, außerdem technische Angaben zu ihren Schiffen. Steckbriefe der Yachten finden sich am Ende jedes Kapitels und vermitteln gemeinsam mit den Kurzporträts einen kompakten Eindruck davon, worauf es bei dem Unterfangen Weltumsegelung ankommt.
Doch Vorsicht: Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen bis hin zu dem drängenden Verlangen hier und jetzt alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln.