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Sönke hat 100.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und von 2007 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Judith die Welt umsegelt. Er veranstaltet diverse Seminare auf Bootsmessen (siehe unter Termine) und ist Autor der Bücher "Blauwassersegeln kompakt", "1200 Tage Samstag" und "Auszeit unter Segeln". Sönke ist zudem der Gründer von BLAUWASSER.DE und regelmäßig mit seiner Frau Judith und seinen Kindern auf der Gib'Sea 106 - HIPPOPOTAMUS - unterwegs.
Beiliegen bringt Ruhe an Bord
Von Sassnitz auf Rügen geht es für vier Segelfreunde nach Bornholm. Die Wettervorhersage kündigt nordwestliche Winde um die fünf Beaufort an. Das verspricht einen schönen Halbwindkurs.
Nach etwa drei Stunden sind die Segler rund 15 Seemeilen von Sassnitz entfernt, und die Abdeckung der Insel Rügen liegt achteraus. Fortan macht ein unangenehmer, ruppiger Seegang von zwei Metern Höhe die 30-Fuß-Yacht zum Spielball. Zwei Crewmitglieder werden seekrank und ein Heckeinsteiger durchnässt den Skipper am Steuer. Außerdem weht es mit satten sechs statt fünf Beaufort.
Kurzerhand entscheidet der Skipper beizudrehen, um Ruhe in Schiff und Crew zu bringen. Einmal durchatmen, sich neu sortieren und auf die Situation einstellen. Das Manöver ist schnell gefahren, und plötzlich treibt die Yacht mit etwas Lage in einem Wellental mit der See mit. Pause! Nasse Kleidung tauschen, eine heiße Suppe kochen, kurz erholen.
Beiliegen, das Manöver
Das Manöver ist relativ einfach. Um beizuliegen, wird eine Wende mit dicht genommenen Segeln gefahren. Der Clou: Die Vorsegelschot wird nicht gelöst. Dadurch steht nach der Wende das Vorsegel back und die Yacht wird leegierig. Dieser Missstand wird mittels Ruderlegung zum Wind hin ausgeglichen. So wird versucht, wieder auf den anderen Bug in Richtung Luv zurück zu wenden. Dies wird jedoch nicht gelingen, da die Kraft des backstehenden Vorsegels stärker ist als die Ruderwirkung. Das Ruder wird in dieser Position festgelegt/fixiert.
So entsteht eine Patt-Situation. Abfallen klappt nicht, weil das Ruder in die Gegenrichtung gelegt und fixiert wurde. Anluven wiederum klappt auch nicht, weil das Segel back steht. Genau das ist das Ziel, und so kommt es, dass das Schiff in der See festliegt und mit ihr mittreibt.
Es hängt sehr von der Situation ab, mit welcher Geschwindigkeit sich das Schiff dann noch über Grund bewegt. In der Regel sind es in einem ströumgsfreien Gewässer ein bis zwei Knoten. Ich habe vor Südafrika aber auch schon erlebt, dass wir mit drei Knoten über Grund trieben. Daher ist es wichtig den Seeraum um die Yacht im Auge zu behalten. Das Wasser sollte tief genug und frei von Untiefen sein. In einer Legerwall-Situation ist das Beiliegen daher nicht ratsam.
Es gibt verschiedene Meinungen dazu, ob das Großsegel in der beigelegten Situation gefiert oder dicht genommen wird. Das ist in meinen Augen vom Schiffstyp, der Schiffsgröße, der Takelage und der Kielform abhängig. Am besten einfach ausprobieren.
Tipp: Das Beidrehen gelingt besonders gut, wenn beim Wenden langsam durch den Wind gegangen wird. So wird Fahrt aus dem Schiff genommen und verhindert, dass die Yacht nach dem Manöver zu stark abfällt.
Fazit
Beiliegen ist ein einfaches, aber sehr probates Mittel, um Ruhe in Schiff und Mannschaft zu bringen oder etwas zu reparieren. Crewmitglieder können zur Toilette gehen, es kann etwas gekocht oder einer erschöpften Crew eine Pause gegönnt werden. Ich habe schon die eine oder andere Schwerwetter-Situation beigedreht abgewettert und mich jedes Mal aufs Neue gewundert, wie ruhig wir dann auf dem Wasser lagen.
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Hallo Sönke, mir ist das Manöver bekannt und ich habe es hie und da auch angewandt. Jeweils für kurze Zeit. Manche Segler nutzen es ja auch um einen Sturm abzuwettern (beliebte Sturmtaktik der Pardeys in Verbindung mit einem Treibanker). Hierbei frage ich mich aber, wie das schamfilen von Segel und vor allem der Schoten an den Wanten vermieden werden kann. Irgendwelche Ideen dazu? Gruß Rolf
Hallo Rolf, sofern nicht schon wegen der Windverhältnisse geschehen, ist die Reduzierung der Segelfläche (2. Reff im Groß, deutliche Verkleinerung des Rollvorsegels oder Verwendung der Sturmfock ggf. auf dem inneren Vorstag) die Lösung des Problems. Die meisten Autoren verwenden Bilder vom Beidrehen unter Schwachwindbedingungen. Diese Bedingungen sind perfekt zum Üben und lassen ein Fotografieren ohne Gefahr zu! Bei Starkwind würde solch ein überlappendes Segel mit deutlichem Druck am Rigg anliegen, scheuern und sich ggf. auch hinter Radar und Co. verheddern.
Eine reduzierte Segelfläche erzeugt weniger Abdrift und lässt das Boot aufrechter treiben. Alle anderen Vorteile bleiben erhalten.
Klappt das auch bei einem Katamaran?
Hallo Reinhard, ja das klappt mit einem Katamaran genauso gut. Habe es auch schon gemacht, alles kein Problem.
Gruß Michael H.
Gleiche Frage wie mein Namensvetter: Klappt das auch mit dem Kat?
Beidrehen ist ja eigentlich nur sinnvoll wenn das gegenanbolzen nicht mehre erträglich ist. Wen mir eine See von achtern einsteigt, wie in diesem Artikel, dann bin ich ja wohl kaum auf einem am wind Kurs . Die Boots Bewegung auf downwind Kursen kann besser durch Segel verkleinern gemindert werden. Einziger Grund beizudrehen wenn der Wind von hinten kommt ist eine lee Kueste zu vermeiden. Meine Ketch am besten nur unter Besan bei. Alle anderen Segel sind ueberfluessig. .
Aber zum Geschirr abwaschen bei 25 kn am Wind haben wir ouch die oben beschriebene Methode verwendet
Moin, immer mit an die Verkehrslage denken. Ein beiligendes Schiff nach diesem Manöver unterliegt ggfls immer weiterhin den Ausweichregeln eines Segelfahrzeuges!
Ob das Groß nach der einleitenden Wende gefiert muss oder nicht hängt in der Tat vom Boot ab. Das Auflösen geht wie beschrieben aber klappt mit Schwung beim Ruderumlegen auch direkt wieder auf den alten Kurs. Spart die zweite Wende. Mal ausprobieren. Groß aber rasch am Ende dichtholen.
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Hallo Sönke,
ich habe das Manöver auch schon bei moderaten Wind gemacht und hat gut funktioniert.
Bei unserer Überfahrt von Bermuda zu den Azoren hatten wir 70 kn Wind und richtig hohe Wellen. Laut Tabelle 8 – 10 m. Lässt sich in der Situation nicht schätzen. Wir sind vor Top und Takel und Treibanker noch mit 8-10 kn abgelaufen. Hatte auch an Beiliegen gedacht, mich aber auf Grund der Wellenhöhe nicht getraut. Ich befürchtete quer zur Welle zu kommen und durchzukentern.
Wäre das Beiliegen bei diesen Verhältnissen eine Option gewesen? Dazu hätte ich auch wieder etwas Segelfläche geben müssen.
Ich kann da nur das Buch “Sturm Taktik” von Lin & Larry Pardey empfelen. Wurde oben auch schon mal kurz erwähnt. Ablaufen vor dem Wind geht solange gut bis eine brechende Welle kommt. Beiliegen im Sturm sollte man mit seinem Boot üben. Also erst lesen/hören, üben und sich dann sicher fühlen. 😉
Hallo Zusammen, ich habe als Charterskipper dieses Manöver schon oft gemacht. Allerdings bei modernen Charteryachten mit Selbstwendefock funktioniert es nicht mehr so gut.