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Sönke hat 100.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und von 2007 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Judith die Welt umsegelt. Er veranstaltet diverse Seminare auf Bootsmessen (siehe unter Termine) und ist Autor der Bücher "Blauwassersegeln kompakt", "1200 Tage Samstag" und "Auszeit unter Segeln". Sönke ist zudem der Gründer von BLAUWASSER.DE und regelmäßig mit seiner Frau Judith und seinen Kindern auf der Gib'Sea 106 - HIPPOPOTAMUS - unterwegs.
Über das Ein- und Ausklarieren gibt es viele Geschichten
Kaum ein Thema wird am Ankerplatz so heiß diskutiert, wie die Einreisebestimmungen für bestimmte Länder. Manche Segler brauchen Informationen und andere Segler haben sie. Nicht selten werden dabei die Erlebnisse im Umgang mit Behörden über die Zeit immer mehr ausgeschmückt. Mit anderen Worten: Über Behörden und Blauwassersegler gibt es viele Geschichten. Doch was steckt da wirklich hinter und was erwartet angehende Blauwassersegler?
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass man den Umgang mit Behörden stets gelassen sehen und immer an die alte Weisheit denken sollte „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“.
Ich persönlich empfinde den Umgang mit Offiziellen als recht unkompliziert. Dazu gehört allerdings, Geduld mitzubringen und nicht alles zu hinterfragen, was unlogisch erscheint. Wer dies beachtet, wird kaum Probleme mit den Formalitäten haben. Am Ende des Tages stecken in den Uniformen Menschen, die nur ihren Job machen und da gibt es eben gute und schlechte Tage. Hinzu kommt, dass wir Deutschen sehr gut organisiert sind. In anderen Ländern ist das nicht immer der Fall und wir sollten es daher auch nicht automatisch erwarten.
Zeit einplanen für die Behördengänge
Grundsätzlich ist es ratsam, jeweils einen ganzen Tag für den Papierkram beim Ein- oder Ausklarieren einzuplanen. Oftmals geht es schneller und dann kann man sich darüber freuen. Der Ablauf selbst ist fast immer der gleiche. Beim Eintritt in die Zwölf-Seemeilen-Zone wird die gelbe Quarantäneflagge zusammen mit der Gastlandflagge unter der Steuerbordsaling gesetzt. Außerdem wird auf Kanal 16 die zuständige Küstenfunkstelle angefunkt und die Einreise bekanntgegeben.
Tipp: Gastlandflaggen können, soweit die Route im Vorwege bekannt ist, beispielsweise preiswert auf ebay erworben werden – alternativ unterwegs bei Schiffsausrüstern.
In wenigen Ländern wird vorab ein Visum benötigt
Übrigens braucht ein deutscher Staatsbürger in nur wenigen Ländern im Voraus ein Visum oder Cruising-Permit (beispielsweise für Russland, Indonesien oder Australien). Hier hilft es, sich vorher zu erkundigen, welche Anforderungen gestellt werden, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Ist ein Visum erforderlich, kann dieses häufig online beantragt werden.
Eine Übersicht dazu gibt es hier.
Kontrollen auf hoher See
In einigen Ländern kommt es vor, dass bereits auf hoher See ein Schnellboot der Küstenwache, ein Hubschrauber oder ein Flugzeug der Yacht näher kommt. Ist dies der Fall, sollte spätestens dann der UKW-Kanal 16 eingeschaltet werden. In der Regel melden sich die Offiziellen per Funk und erfragen die Reiseroute (woher/wohin) und erkundigen sich nach Daten zu den Mitreisenden.
Wie läuft das Einklarieren vor Ort ab?
Je nach Einreiseland geht es vor Ort dann zu verschiedenen offiziellen Stellen. Das sind meistens: Zoll, Quarantänebehörde, Einwanderungsbehörde, Militär und/oder Polizei. Die Behördengänge kann man in der Regel selbst erledigen. Wir haben nur einmal während unserer zahlreichen Reisen einen Agenten beauftragt – das war in Kolumbien.
Mitunter kommen die Beamten auch an Bord. Vom einfachen Abstempeln der Pässe bis hin zur Durchsuchung ist dann alles möglich. Letzteres findet eher selten statt – wir haben es nur ein einziges Mal erlebt. In manchen Ländern ist es jedoch verboten, bestimmte Lebensmittel einzuführen – beispielsweise Fleisch in Neuseeland oder Gemüse in Vanuatu. In solchen Fällen kommt in der Regel jemand an Bord, um die „verbotene Ware“ zu konfiszieren.
In vielen Ländern ist eine Uniform ein Statussymbol und die Beamten sind stolz, diese tragen zu dürfen. Daher sollte ihnen bei Formalitäten nicht ungepflegt und in Badeshorts gegenübergetreten werden, auch wenn gerade eine Ozeanüberquerung hinter einem liegt und man sich in seinem verwegenen Outfit vielleicht äußerst kernig fühlt.
Auch ist es hilfreich, während der Behördengänge nicht allzu viel Deutsch zu reden. Das ist unhöflich und kann insbesondere in Kombination mit Gelächter missverstanden werden. Im schlimmsten Fall könnte ein Beamter denken, dass sich die Besucher über ihn lustig machen.
Und natürlich macht der Ton die Musik. Während wir es in Marokko ertragen haben, dass die Grenzer mit ihren dicken Stiefeln über unser Schiff liefen, haben unsere Nachbarn darauf bestanden, dass sie die Schuhe ausziehen. Ergebnis: Unsere Einreise hat nur eine Viertelstunde gedauert — die unserer Nachbarn hingegen den ganzen Vormittag. Ihr Schiff wurde komplett durchsucht. Natürlich muss nicht alles akzeptiert werden, aber hier und da ist es ratsam die Verhältnismäßigkeit zwischen den eigenen Forderungen und den Folgen abzuwägen.
Wir haben den Umgang mit den Behörden meistens als angenehm empfunden. Vielleicht hat dazu auch beigetragen, dass wir uns in jedem Land vorab die Mühe gemacht haben, in der Sprache des Landes einige Worte zu lernen. Das ist ein absoluter Türöffner und vielleicht einer der wichtigsten Tipps in diesem Artikel. Ein paar Brocken in der Landessprache lösen meist freundliche Gegenreaktionen aus. Da reichen oft schon die vier Worte: Hallo, Danke, Ja und Nein.
In der Praxis läuft das normalerweise so ab: Wir betreten die Behörde und sagen in der Landessprache „Hallo“. Logischerweise antwortet man uns daraufhin in der Landessprache und wir verstehen kein Wort. Kaum, dass wir das erklären, beginnt in der Regel eine allgemeine Erheiterung. Das Eis ist gebrochen. Neben Englisch, was jeder Langfahrtsegler beherrschen sollte, helfen je nach Ziel durchaus auch Spanisch- und Französischkenntnisse weiter.
Weitere Türöffner sind oftmals Kinder und weibliche Crewmitglieder. Bei vielen Crews hat es sich bewährt, den Skipperinnen den Landgang und die Formalitäten zu übertragen. Frauen gehen hier vermutlich mehr besonnen vor und Kinder sind bei den Offiziellen meistens auch gerne gesehen und beschleunigen dadurch indirekt den Vorgang.
Einige Behörden sind gar nicht auf den Besuch von Yachten eingestellt und so kann es schon mal vorkommen, dass Formulare für die Berufsschifffahrt verwendet werden. Bei der Anzahl der Brutto-Register-Tonnen muss dann eben eine sehr kleine Zahl in das eher breite Feld eintragen werden oder die Frage nach der Anzahl der an Bord befindlichen Rattenbleche einfach mit “Null” beantwortet werden 🙂
Überhaupt haben wir uns nicht selten über den Papierberg gewundert, der ausgefüllt werden muss, um ein Land bereisen zu dürfen. Immer wieder kommt es dabei vor, dass Formulare mehrfach ausgefüllt werden müssen, weil es keinen Kopierer oder kein Durchschlagpapier gibt. Wie gesagt, es nützt nichts, sich darüber aufzuregen. Die Dinge sind wie sie sind und Gelassenheit hilft am ehesten weiter.
Es kann auch vorkommen, dass die Offiziellen nach „Geschenken“ fragen. Konkret sind dies Alkohol, Zigaretten oder Devisen. Hier hat es sich bewährt, im Gegenzug anzubieten, der Gemeinde oder Schule im Dorf eine Spende zu machen, die allen zugutekommt. Meist ist die Sache damit erledigt. Korruption und Bestechlichkeit sind uns auf unseren Reisen glücklicherweise bisher nur selten untergekommen. Irgendwie konnten wir es bisher immer umgehen, „Geschenke“ zu verteilen.
Welche Dokumente und Unterlagen werden benötigt?
Damit der Umgang mit den Behörden möglichst reibungslos verläuft, sollten an Bord stets folgende Dokumente mitgeführt werden:
Eigentumsnachweis
Hierzu ist der Kaufvertrag des Schiffes in Kombination mit dem Bootsschein oder dem Flaggenzertifikat ausreichend. Der Bootsschein wird vom Deutschen Segler-Verband (DSV) oder dem ADAC ausgestellt. Das Flaggenzertifikat stellt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) aus. Der Bootsschein ist zwei Jahre gültig, das Flaggenzertifikat acht Jahre. Da der Bootsschein nicht von allen Ländern akzeptiert wird, sollte in Abhängigkeit vom Fahrtgebiet und der Reisedauer überlegt werden, ob das Flaggenzertifikat nicht die bessere Alternative ist. Schiffe über 15 Metern Länge müssen zudem im Schiffsregister eingetragen werden.
Reisepass
Für jedes Crewmitglied an Bord muss der Reisepass mitgeführt werden. Er sollte beim Verlassen des Reiselandes noch mindestens ein halbes Jahr gültig sein. Der Personalausweis reicht vielerorts nicht aus, da er nicht abgestempelt werden kann.
Crewlisten
An Bord sind ausreichend Crewlisten mitzuführen. Die Crewliste enthält Angaben zum Schiff (Eigner, Abmessungen, Rufzeichen etc.) und den an Bord reisenden Personen (Name, Vorname, Geburtsdatum und -ort, Reisepassnummer, Staatsangehörigkeit). Ein Muster gibt es hier
Versicherungsnachweis
Einige ausländische Marinas verlangen einen Nachweis über die Haftpflichtversicherung. Eine Kopie der Police reicht meist aus . Alternativ wird ein Nachweis von der Versicherung ausgestellt. Kann dieser nicht erbracht werden, muss vor Ort eine kostenpflichtige Zusatzversicherung für die Liegezeit erworben werden.
Führerscheine und Funklizenzen
Generell sollten an Bord alle Führerscheine und Funklizenzen mitgeführt werden, um sie im Zweifel vorlegen zu können — obwohl in vielen Ländern überhaupt kein Führerschein benötigt wird, um ein Schiff zu führen.
Frequenzzuteilungsurkunde
Die Urkunde ist als Nachweis der Eintragung der Seefunkstelle samt Rufzeichen und der EPIRB mitzuführen.
Krankenversicherungsnachweis
Der Nachweis wird äußerst selten verlangt. Wer beispielsweise St. Helena im Atlantik ansteuert, sollte ihn mitführen.
Es empfiehlt sich immer zahlreiche Kopien der Crewliste, des Bootsscheins oder Flaggenzertifikats und der Reisepässe mitzuführen. Das spart oftmals viel Zeit beim Ein- und Ausklarieren. Ferner ist ein Schiffsstempel in vielen Ländern gern gesehen.
Fazit
Das Ein- und Ausklarieren ist kein Hexenwerk und wer die vorstehenden Hinweise verinnerlicht, wird vermutlich kaum Probleme damit haben. Wir haben inzwischen in über 50 Ländern mit Offiziellen zu tun gehabt und es ist immer alles gut gegangen. Vom einfachen Durchwinken bis hin zur kompletten Umkrempel-Aktion unseres Schiffes war alles dabei. Letzteres war anstrengend, hatte aber den netten Begleiteffekt, dass wir hinterher wieder wussten, wo wir was verstaut hatten 🙂
“Übrigens braucht ein deutscher Staatsbürger in nur wenigen Ländern im Voraus ein Visum oder Cruising-Permit (beispielsweise für Russland, Indonesien oder Australien).”
Hier fehlt der wichtige Hinweis, dass eine Einreise in die USA oder deren Territorien auf dem eigenen Boot NICHT möglich ist ohne gültiges Visum bzw. weniger als 3 Monate altem Einreisestempel (erlangt durch vorherige Einreise per Flugzeug, Fähre, o.ä.) für alle Personen an Bord!