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Claudia Adamczyk segelt seit ihrem zehnten Lebensjahr auf der Nordsee und ist heute mit ihrem Mann Jörg auf einer Hanse 315 unterwegs. Seit über 35 Jahren ist sie Expertin für Propeller und Antriebsstränge beim Propellerhersteller SPW, wo sie viele Jahre als Geschäftsführerin tätig war. Mit ihrem umfassenden Fachwissen unterstützt sie Segler, Werften und Bootsbauer bei der Auswahl und Optimierung des Propellers.
Der Propeller ist ein elementarer Bestandteil des Antriebs einer Yacht
Der Propeller einer Yacht überträgt das Drehmoment und die Leistung des Motors auf das Wasser und wandelt sie in Vortrieb um. Ohne ihn käme eine Yacht unter Motor somit nicht vom Fleck. Dabei sollte der Propeller, der umgangssprachlich auch Schiffsschraube genannt wird, so konstruiert sein, dass er die Kraft des Motors effizient in Vortrieb umwandelt. Ein auf die Yacht abgestimmter Propeller passt zum Motor, zum Getriebe und zur Wellenanlage sowie zum Einsatzzweck der Yacht und den individuellen Bedürfnissen des Eigners.
Die Wünsche des Eigners an den Propeller einer Yacht sind mitunter komplex. Er soll bei Manövern, vor allem beim Umschalten von vorwärts auf rückwärts, direkt und verzögerungsfrei wirken und je nach Vorliebe einen oder keinen Radeffekt erzeugen. Beim Motoren soll der Propeller wenig Geräusche und Vibrationen erzeugen und beim Segeln soll er möglichst nicht bremsen.
Nicht immer wird der bereits eingebaute Propeller all diesen Anforderungen gerecht und gerade bei Gebrauchtyachten ist nicht garantiert, ob der Propeller auf der Welle auch wirklich der passende für das Boot und den Motor ist. Kurzum, die Wahl eines Propellers sollte nicht unterschätzt werden.
Die Steigung und der Durchmesser einer Schiffsschraube
Beim Blick auf einen Schiffspropeller fällt auf, dass auf einigen Modellen zwei Zahlen eingraviert sind. Die eine Zahl beschreibt den Durchmesser des Propellers, die andere die Steigung.
Üblicherweise beschreibt die erste Zahl der Gravur den Durchmesser des Propellers in Zoll und die zweite Zahl die Steigung in Zoll. Die Angabe der Steigung in Zoll stammt noch aus alten Schiffbauzeiten, ein Zoll entspricht 25,4 Millimetern.
Die Steigung beschreibt theoretisch den Weg durch das Wasser, das bedeutet die Strecke, die bei einer vollen Umdrehung des Propellers zurückgelegt wird. Bildlich kann sie mit dem Weg einer Mutter auf dem Gewinde einer Schraube verglichen werden. Ist das Gewinde sehr fein, bewegt sich eine aufgeschraubte Mutter pro Umdrehung nur ein kleines Stück in der Längsrichtung der Schraube weiter. Ist das Gewinde sehr grob, ist die zurückgelegte Strecke entsprechend größer und die Mutter erreicht beim Drehen deutlich schneller das andere Ende der Schraube. Die Steigung als Laie zu messen, erweist sich ohne Erfahrung und Spezialwerkzeug üblicherweise als schwierig.
Der Propellerdurchmesser ergibt sich aus dem Propellerumfang. Um ihn zu bestimmen, legt man die Schiffsschraube auf eine ebene Unterlage und zieht einen Kreis um die Außenkante der Flügel – beispielsweise mit einem flexiblen Maßband. Aus dem Kreisumfang ergibt sich dann der Radius (Formel: Umfang / π = Durchmesser). Ein Beispiel: Wurde ein Kreisumfang von 1,28 Metern gemessen, ergibt sich rechnerisch ein Durchmesser von 16 Zoll (1.280 Millimeter geteilt durch 3,1415 (π) geteilt durch 25,4 Zoll/Millimeter).
Alternativ kann einfach von der Mitte des Propellers mit einem Zollstock bis zur am weitesten entfernten Außenkante der Schiffsschraube gemessen werden. Dieser Messwert ist der Radius. Wird er verdoppelt, erhält man den Durchmesser. Gegebenenfalls kann auch hier über den Teiler 25,4 von Millimeter in Zoll umgerechnet werden. Auch hier ein Beispiel: Wurde ein Radius von 20,3 Zentimetern gemessen, ergibt sich rechnerisch ein Durchmesser von 16 Zoll (203 Millimeter multipliziert mit 2 geteilt durch 25,4 Zoll/Millimeter).
Das Verhältnis von Durchmesser und Steigung bei einem Yachtpropeller
Der Durchmesser eines Schiffspropellers sollte in einem sinnvollen Verhältnis zur Steigung stehen. Nur so können ein hoher Wirkungsgrad beziehungsweise eine angenehme Laufruhe und damit ein höherer Komfort bei längeren Motorfahrten erreicht werden. Teilt man den Wert der Steigung durch den Durchmesser, so sollte das Ergebnis für Segelyachten im Bereich von 0,7 bis 0,8 liegen. Bei anderen Fahrzeugen gelten andere Verhältnisse. Auf dem weiter oben gezeigten Foto waren die Zahlen 16 (Durchmesser) und 13 (Steigung) eingraviert. Das ergibt circa 0,8 (13 geteilt durch 16).
Achtung: Das Verhältnis von Steigung und Durchmesser reicht nicht alleine aus, um einen optimal abgestimmten Propeller für eine Yacht zu finden. Beispielsweise beeinflussen auch die Getriebeuntersetzung oder der verfügbare Platz den erforderlichen Durchmesser.
Die Anzahl der Flügel am Schiffspropeller
Generell gilt: Je mehr Flügel ein Propeller hat, desto weniger Vibrationen erzeugt er und desto stabiler läuft er bei Wind und Wellen. Leider muss diese Laufruhe mit Einbußen beim Wirkungsgrad erkauft werden, denn ein Propeller ist umso effizienter, je weniger Flügel er hat. Natürlich ist auch der zur Verfügung stehende Platz entscheidend. Ein Propeller mit zwei Flügeln benötigt einen größeren Durchmesser als einer mit drei Flügeln. Das kann dazu führen, dass ein Propeller mehr als zwei Flügel braucht, weil er sonst schlichtweg nicht unter das Schiff passt.
Als guter Kompromiss hat sich bei mittelgroßen Fahrtenyachten der Dreiblattpropeller durchgesetzt. Wird mehr Laufruhe gewünscht, ist ein Modell mit vier Flügeln vorteilhaft. Wer mehr auf Effizienz und weniger auf Laufruhe setzt, ist mit weniger Flügeln am Propeller besser beraten.
Zu beachten ist, dass die Anzahl der Flügel auch zur Motorisierung passen muss. Die Hersteller empfehlen Propeller mit zwei Flügeln für Motoren bis 30 PS. Dreiflügelige Propeller können bei Motoren bis 150 PS eingesetzt werden.
Bauarten von Propellern/Schiffsschrauben
Festpropeller
Der Festpropeller ist die einfachste Propellerkonstruktion und daher die kostengünstigste und am weitesten verbreitete Bauart eines Schiffspropellers. Festpropeller haben einen sehr guten Wirkungsgrad, sind robust und haben keine beweglichen Teile, die durch Bewuchs ausfallen können. Wenn Steigung, Durchmesser und Anzahl der Flügel auf Motor, Getriebe und Yacht abgestimmt sind, erfüllen Festpropeller ihren Zweck unter Motor vollkommen.
Problematisch wird es mit Festpropellern beim Segeln. Ein feststehender Propeller, der sich nicht mitdreht, bremst durch seinen Widerstand im Wasser nicht nur das Schiff, die Yacht läuft auch bei Amwindkursen weniger Höhe. Lässt man den Propeller bei ausgekuppeltem Getriebe mitlaufen, wird dieser Effekt zwar reduziert, aber der Verschleiß des Antriebs erhöht sich und die entstehenden Laufgeräusche können die Segelruhe stören.
Faltpropeller
Um den Widerstand im Wasser beim Segeln zu verringern, wurden Propeller mit beweglichen Flügeln entwickelt. Eine Bauart von Propellern mit beweglichen Flügeln ist der Faltpropeller. Beim Segeln mit abgeschaltetem Motor werden die Flügel durch den Wasserdruck parallel zur Achse nach hinten geklappt. Sie werden also automatisch in die Stellung gebracht, in der sie dem Wasser den geringsten Widerstand entgegensetzen. Der Effekt ist nicht zu unterschätzen, bei einem 35-Fuß-Schiff beispielsweise kann so ein Geschwindigkeitsgewinn von einem halben bis einem Knoten herausgeholt werden.
Wird der Motor gestartet und eingekuppelt, klappen die Flügel durch die Zentrifugalkraft aus und der Propeller entfaltet seine Wirkung im Wasser. So weit, so gut, doch ein Faltpropeller hat ein paar Nachteile. Zum einen können die Gelenke der beweglichen Flügel durch Bewuchs blockiert werden, was dazu führen kann, dass sich der Propeller plötzlich nicht mehr ausklappen lässt, wenn er gebraucht wird. Zum anderen ist ein Faltpropeller bei Rückwärtsfahrt bei Weitem nicht so effizient wie bei Vorwärtsfahrt. Das führt zu Problemen beim Aufstoppen und Rückwärtsfahren. Und nicht zuletzt können die Bolzen in den Blättern mit der Zeit ausschlagen. Diese Problematik wurde durch die Entwicklung von Drehflügelpropellern beseitigt.
Drehflügelpropeller
Im Gegensatz zum Faltpropeller werden die Flügel des Drehflügelpropellers nicht eingeklappt. Während der Fahrt unter Segeln drehen sich die Flügel in eine Neutralstellung, um einen möglichst geringen Wasserwiderstand zu erzeugen. Wird die Antriebswelle durch den Motor in Bewegung gesetzt, drehen sich die Flügel bis zum Anschlag und entfalten ihre Wirkung. Wird die Drehrichtung der Welle, beispielsweise beim Umschalten auf Rückwärtsfahrt, geändert, drehen sich die Flügel andersherum und packen genauso kräftig zu.
Ein Drehflügelpropeller reagiert also sofort beim Vorwärts- oder Rückwärtsfahren mit einer Yacht und bietet damit einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Faltpropeller beim Manövrieren. Außerdem befinden sich die Gelenke des Drehflügelpropellers im Gegensatz zum Faltpropeller in einem geschlossenen Gehäuse. Das macht ihn nicht nur wesentlich robuster, die Gelenke können auch nicht so leicht von Seepocken oder ähnlichem Bewuchs verstopft werden. Natürlich führt auch beim Drehflügelpropeller Bewuchs zu Wirkungsgradverlusten, ein Funktionsausfall ist aber nicht zu befürchten.
Je nach Hersteller kann beim Drehflügelpropeller die Steigung unterschiedlich für die Vorwärts- und die Rückwärtsfahrt eingestellt werden. Das wirkt sich nicht nur auf den Wirkungsgrad, sondern vor allem auch auf den Radeffekt aus.
Diese Daten brauchen die Hersteller, um den optimalen Propeller für die Yacht zu finden
Unabhängig davon, ob ein Festpropeller, ein Faltpropeller oder ein Drehflügelpropeller gekauft werden soll, benötigen die Hersteller Daten über die Yacht, um die optimale Steigung, den passenden Durchmesser und die empfohlene Anzahl der Flügel zu berechnen. In der Regel werden folgende Daten benötigt:
- Die Länge der Yacht in der Wasserlinie
- Das ungefähre Gewicht der Yacht im beladenen Zustand
- Die Motorleistung in Kilowatt (KW) oder die Angabe von PS
- Die maximale Drehzahl oder die Nenndrehzahl des Motors
- Die Untersetzung des Getriebes
Tipp: Üblicherweise sind die technischen Daten der Yacht für die Berechnung im Internationalen Bootsschein, einem Messbrief, der Bedienungsanleitung des Motors und/oder auf dem Typenschild des Getriebes zu finden. Es kann jedoch vorkommen, dass unterschiedliche technische Ausführungen angegeben sind. Zum Beispiel zeigt das folgende Foto zwei verschiedene Übersetzungsverhältnisse. Es wird daher empfohlen, die Typenschilder zu fotografieren und die Bilder bei einer Anfrage mitzuschicken.
Für kleinere Yachten ist die Propellerberechnung standardisiert und kann mit den oben genannten Daten relativ schnell durch einen Fachbetrieb durchgeführt werden. Bei größeren Yachten oder bei Schiffen mit individuellen Anforderungen ist eine längere Planungszeit einzurechnen.
Fazit
Der Propeller ist ein wesentlicher Bestandteil des Antriebs einer Yacht. Daher ist es wichtig, dass er zur Yacht sowie zum Motor und zum Getriebe passt. Nur so kann er effizient und komfortabel eingesetzt werden. Für Fahrten- oder Blauwassersegler, die auch mal längere Strecken unter Motor zurücklegen, ist der übliche Anspruch, dass der Propeller ruhig läuft. Beim Manövrieren soll der Propeller sofort und kräftig „zupacken“. Beim Segeln wiederum soll er nicht bremsen.
Mit anderen Worten: Bei der Auswahl des Propellers ist es ratsam, nicht blauäugig an die Sache heranzugehen und sich von einem renommierten Hersteller ausführlich beraten zu lassen. Durch die Wahl des richtigen Propellers lassen sich die Sicherheit beim Manövrieren und der Komfort beim Motoren optimal gestalten.
Weitere Infos zum Thema gibt es auch unter www.spw-gmbh.de