Bootsdiesel: Soll der Yachtmotor warmlaufen?

Ein Beitrag von

Robert Möckel

Dr. Robert Möckel ist Ingenieur der Fachrichtung Schiffsmaschinenbau und im “zweiten Leben” Psychologe (M.Sc.). Nach einer Tätigkeit in einem Motoreninstandsetzungebetrieb hat er in diversen Lehrtätigkeiten Erfahrung in der Wissensvermittlung gesammelt und bietet Seminare zu technischen Themen auf Yachten an. Zusammen mit seiner Frau segelt er eine Dehler 35 SV, die in Flensburg beheimatet ist.

Ein Yachtmotor im Leerlauf belastet die Stegnachbarn und die Umwelt

Unter Yachteignern wird häufig diskutiert, ob der Dieselmotor auf einer Segelyacht, bevor es losgehen kann, im Leerlauf warmlaufen muss. Sogar in einigen Betriebsanleitungen wird empfohlen, den Yachtmotor nach dem Start erst einmal warmlaufen zu lassen. Manchmal wird darüber hinaus noch empfohlen, einen Bootsdiesel nach der Benutzung nicht direkt auszuschalten, sondern langsam im Leerlauf abkühlen zu lassen …

Doch ist es wirklich nötig, einen Dieselmotor auf einer Yacht vor dem Start warmlaufen zu lassen? Kann ein Yachtmotor Schaden nehmen, wenn er gestartet und dann sofort losgefahren wird? Grund genug, einmal zu betrachten, wie die Vorgabe „einen Dieselmotor warmlaufen zu lassen“ bei Motoren auf Yachten zu verstehen ist.

Ist es wirklich notwendig, die Stegnachbarn und nicht zuletzt auch die Umwelt durch einen Dieselmotor im Leerlauf zu belasten? ©Marga Keyl

Es gibt vier Gründe, warum Bootsmotoren im Regelfall nicht warmlaufen müssen

Prinzipiell ist es richtig, dass Laständerungen bei thermischen Maschinen, zu denen auch Dieselmotoren gehören, nicht zu schnell erfolgen sollten. Bei Bootsmotoren ist das im Normalbetrieb jedoch aus vier Gründen nicht sonderlich kritisch.

1. Dieselmotoren werden nicht für die Belastungsanforderungen auf Yachten entwickelt

Bootsmotoren sind meist marinisierte Industriemotoren, die sonst in Gabelstaplern, Kleintraktoren, Baustellenkompressoren, Baumhäckslern oder sonstigen Arbeitsmaschinen eingesetzt werden. Dort stehen diese Motoren sicher nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Bedienmannschaft. Oft werden sie einfach kalt gestartet und müssen dann sofort die gerade benötigte Leistung abgeben, was auch schon mal Volllast bedeuten kann. Bei einer Yacht ist das so nicht gegeben.

Auf einer Baustelle wird ein Dieselmotor – hier ein Kompressor – wesentlich höheren Belastungen als auf einer Yacht ausgesetzt. ©fefufoto/stock.adobe.com

2. Bootsmotoren haben nur selten eine Turboaufladung

Unsere Segelbootsmotoren sind meist derart klein, dass sie nur selten mit einer Turboaufladung versehen werden. Sie laufen daher als reine Saugmotoren. Damit ist die spezifische Belastung auf etwa 60 Newtonmeter (Nm) je Liter Hubraum begrenzt, mehr geht nicht ohne Aufladung. Dies hat direkte Konsequenzen für die der Wärmeeinwirkung am stärksten ausgesetzten Bauteile, insbesondere der Kolben und des Zylinderkopfs. Das Bauteil, welches am empfindlichsten auf schlagartiges Abstellen reagiert, ist der Turbolader, und den gibt es bei unseren Motoren nur in Ausnahmefällen oder bei größeren Leistungen.

Turbolader-Motoren, wie dieser Volvo Penta 2003TB, sind auf Segelyachten eher selten zu finden. ©Sönke Roever

3. Ein Bootsmotor hat genug Zeit, bevor er höheren Belastungen ausgesetzt wird

Der dritte Grund, warum der Dieselmotor auf einer Segelyacht nicht unbedingt warmlaufen muss, liegt in der typischen Betriebsweise unserer Motoren. Ist die Yacht startklar, so wird als erstes der Motor gestartet und als nächstes werden langsam die Leinen gelöst. Das folgende Ablegemanöver erfordert im Regelfall nur einen kleinen Bruchteil der Motorleistung. Auch bei der Weiterfahrt im Hafen ist die Geschwindigkeit häufig begrenzt. Wird der Hafen dann verlassen, läuft der Motor in vielen Fällen schon mehrere Minuten. Die Phase des rapiden Temperaturanstiegs, insbesondere der Kolben, ist damit überwunden.

Beim An- und Ablegen läuft ein Bootsmotor prinzipiell nicht unter Vollgas. ©Sönke Roever

Ebenso ist es beim Anlegen: Niemand fährt mit dem sprichwörtlichen „Hebel auf dem Tisch“ und schäumender Bugwelle in und schon gar nicht durch den Hafen. Das Anlegemanöver selbst dauert auch seine Zeit, während der unser Motor bei nur geringer Last arbeitet. Damit ist das Abkühlen vor dem Abstellen schon erledigt, ohne dass noch eine gesonderte Leerlaufphase eingelegt werden müsste.

Beim „Tuckern“ durch den Hafen hat der Motor ausreichend Zeit warmzulaufen. ©Sönke Roever

4. Dieselmotoren sind weniger empfindlich gegen Kaltlauf als Ottomotoren

Ein anderer Aspekt, der gelegentlich im Zusammenhang mit dem Warmlaufenlassen genannt wird, ist die Vorstellung, ein Motor müsse generell erstmal „so richtig warm werden“. Bei Dieselmotoren treten jedoch einige Effekte schlichtweg nicht auf, die von Motoren, die mit Benzin betrieben werden (Ottomotoren), bekannt sind, bei denen das wichtiger ist!

Bei einem Ottomotor im Kaltlauf schlägt sich der Kraftstoff während des Verdichtungstaktes an der Zylinderwand nieder und läuft dann teilweise an der Zylinderwand herunter in die Ölwanne. Das kann beim Dieselmotor nicht passieren, weil der Kraftstoff erst nach der Verdichtung und Erwärmung der Luft eingespritzt wird. Ein Abwaschen des Ölfilms mit folgender Ölverdünnung kann daher beim Dieselmotor in dieser Form nicht auftreten.

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Sonderfall Gefahrensituation

Bei Motoren, bei denen zu erwarten ist, dass sie plötzlich voll belastet werden (man denke an einsatzbereite Rettungskreuzer), ist es ab einer gewissen Größe üblich, dass die Motoren mittels einer Heizung auf Betriebstemperatur gehalten werden. Großmotoren werden grundsätzlich nicht kalt gestartet. Allerdings erreicht man mit dieser Fremdheizung nur, dass der Motor die Kühlwassertemperatur von beispielsweise 95 Grad Celsius annimmt. Im Betrieb werden die thermisch hoch belasteten Bauteile, insbesondere der Kolbenboden und die Auslassventile, deutlich wärmer. Dennoch werden Schnellstarts so auch bei großen Motoren möglich.

Ein Seenotrettungskreuzer hat im Notfall keine Zeit, den Motor warmlaufen zu lassen. ©DGzRS

Kleinere Motoren auf Yachten sind prinzipiell weniger empfindlich, da sich in den kleineren Bauteilen die unvermeidlichen Wärmespannungen weniger schädlich bemerkbar machen.

Betrachten wir den Kaltstart mit sofortiger hoher Last einmal genauer. Die Laufspiele, also beispielsweise der Unterschied im Durchmesser zwischen Zylinderbohrung und dem darin laufenden Kolben, sind beim Motor so ausgelegt, dass sie im betriebswarmen Zustand die optimale Größe haben. Die Kolben sind fast immer aus Aluminium, während der Motorblock und die Laufbuchsen aus Eisen bestehen. Der Wärmeausdehnungskoeffizient von Aluminium ist größer als der von Eisen. Folglich wird der kalte Aluminiumkolben um den passenden Betrag kleiner gefertigt.

Während der Aufwärmphase des Motors wächst der Kolben dann so weit an, dass sich im warmen Zustand das optimale Maß ergibt. Das bedeutet aber, dass die Gefahr eines Kolbenklemmers in der Aufwärmphase eher gering ist, weil der Kolben tendenziell noch zu klein ist.

Die Zylinder eines typischen Yachtmotors. ©Robert Möckel

Für den Segler bedeutet das: Muss der kalte Motor einmal sofort voll belastet werden, so wird voraussichtlich kein großer Schaden eintreten. Sobald der Öldruck da und der Warnsummer ausgegangen ist, kann auch mal sofort „der Hebel auf den Tisch gelegt“ werden. Das ist zwar nicht optimal für die Motorlebensdauer, in einer Notsituation aber sicher das geringere Übel.

In so einer Situation ist ein höherer Motorverschleiß sicher das geringere Übel. Hauptsache weg. ©Sönke Roever

Fazit

Ein Bootsmotor ist grundsätzlich unempfindlich gegen Kaltlauf. Es spricht also nichts dagegen, den Motor auf einer Yacht nur so lange laufen zu lassen, wie es betrieblich erforderlich ist, also beispielsweise, bis die Segel gesetzt sind. Ein Warmlaufenlassen des Motors stellt bei einem Dieselmotor nur eine zusätzliche Betriebszeit dar, in welcher der Motor nutzlos verschleißt und die Umwelt belastet.

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Thomas Müller
Thomas Müller
1 Jahr her

Hallo Robert,

vielen Dank für den Artikel, den ich im allgemeinen sehr gut nachvollziehen kann.
Eine Frage welche ich in diesem Kontext sehe:

In einem TO Seminar fiel die Aussage, dass man Bootsmotoren damit ruinieren kann, wenn sie zu oft und zu lange im Leerlauf betrieben werden, z.B. zum reinen Batterieladen.
Es kann in diesem Betriebsmodus zu einer unzureichenden Ölbenetzung der Laufbuchsen kommen, welches dann die Laufbuchsen zunehmend verschleisst (Honriefen werden glattgeschliffen). Als Folge leidet wiederum der Aufbau des Ölfilms etc (selbsverstärkender Effekt)

Ist diese Aussage korrekt und was ist Deine Meinung dazu?

Gruss
Thomas

Last edited 1 Jahr her by Thomas Müller
Robert
Robert
1 Jahr her
Reply to  Thomas Müller

Moin Thomas, zunächst einmal ist das Batterieladen im Leerlauf eine schlechte Idee. Die Lichtmaschine bringt dann bei maximalem Erregerstrom nur einen Teil ihrer Leistung, während die Kühlung aufgrund der niedrigen Drehzahl der Lima schlecht ist. Muss man (aus welchem Grund auch immer) mit dem Antriebsmotor die Bordnetzbatterien laden, so sollte man die Drehzahl schon ein wenig anheben und dabei einen Blick auf das Amperemeter oder Batteriemonitor werfen. Um den Motor mache ich mir dabei weniger sorgen. Vom beschriebenen Phänomen des “bore glazing” hab ich nur in Zusammenhang mit Neumotoren und dem Einlaufvorgang gehört, nicht bei schon einige Zeit in Betrieb… Mehr lesen »

Roland
Roland
1 Jahr her

Moin Robert,

Du erwähnst im Artikel, daß für turbogeladene Motoren eine gewisse Abkühlzeit sinnvoll wäre. Gibt es Weiteres zu beachten?
Insbesondere kenne ich den Hinweis, daß man diese ab und an mit hoher Leistung fahren sollte ( was beim normalen Betrieb oft nicht passiert) um ein Festgehen der Turbolader zu vermeiden. Ist das stichhaltig?

Danke und herzliche Grüße,
Roland, der 2 Volvo Penta D-75 an Bord hat.

Robert
Robert
1 Jahr her
Reply to  Roland

Moin Roland, Abgasturbolader sind seit mehr als einem halben Jahrhundert Stand der Technik, und daher kann man sich ruhig auf das verlassen, was die Hersteller in den Betriebsanleitungen schreiben.Gerade bei Bootsmotoren ist der Turbolader meist wassergekühlt, so dass er gar nicht so warm wird. Schon die Realität des Yachtbetriebs mit einem Anker- oder Anlegemanöver, welches ja mit geringer Motorlast gefahren wird, sorgt dafür, dass der Abgasturbolader angemessen “zur Ruhe” kommt. Abhängig von der bei der Verbrennung im Zylinder produzierten Rußmenge neigen die Turbinen zur Verschmutzung. Dass geht im Schwerölbetrieb so weit, dass die Turbine regelmäßig gereinigt werden muss. Ich kann… Mehr lesen »